und zweite wort, theils auf den compositionsvocal und das ganze der zusammensetzung selbst.
1) das erste wort hat in der construction des satzes nichts zu thun und durch die verbindung mit dem zwei- ten seine selbständigkeit verloren. Da nun die verhält- nisse der flexion und rection so wesentlich zus. hängen, daß keine ohne die andere gedacht werden kann, so müßen dem weder mit regierenden noch mitregierten ersten worte zugleich alle declinationskennzeichen abge- sprochen werden. Keinem ersten worte ist es folglich an sich anzusehen, welcherlei flexion ihm gebühre, ob starke oder schwache (vgl. mhd. hantslac, o[rs]lac von hant, ore; ahd. makascaf, potascaf von mac, poto). Hieraus scheint ein ausschluß über die natur der schwachen declination zu folgen. Offenbar ist sie eine wahre flexion, wenig- stens historisch eine solche geworden. Wäre ihr princip derivativisch, so dürste es in dem ersten wort der comp. nicht erlöschen *). Die ältesten mundarten zeigen aber in substantivzusammensetzungen keine spur weder von ei- genthümlichen vocalen der schwachen form (und mit recht wurde oben s. 95. das goth. o in tuggo für unablei- tend erklärt) noch von dem schwachen n. Zwar fällt hierdurch, wie mir scheint, die 1, 817 -- 821 versuchte erklärung dieses schwachen n nicht ganz zu boden, es muß aber doch das dabei angenommne bildungsprincip auf jeden fall in eine weit entlegne zeit zurückgesetzt werden, welche dem entstehen unserer ältesten composi- tionen um ein gutes vorausgegangen ist.
2) findet keine eigentliche comp. statt, deren erstes wort ein pluralis wäre, denn die kennzeichen des pl. gehören zu der flexion, wie des sg. In beziehung auf den numerus verhält sich daher jede eigentl. comp. ganz neutral; aurti im goth. aurti-gards drückt weder den sg. aurts, noch den pl. aurteis, mana im ahd. mana- perga weder den sg. man, noch den ebenso lautenden pl. aus und ohgleich viele kräuter im garten stehen, mehrere männer sich hinter den schranken bergen kön- nen, ist der begriff der zus. setzung gar nicht auf her- vorheben dieser vielheit gerichtet. Wir sagen nicht fe-
*) aus gleichem grunde unterbleiben die kennzeichen schwa- cher form bei jedem daraus abgeleiteten worte, z. b. die adj. an- goht und poumoht sind eins wie das andere gebildet, obschon je- nes aus dem schw. ango, angin, dieses aus dem st. poum, poumes stammt.
III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
und zweite wort, theils auf den compoſitionsvocal und das ganze der zuſammenſetzung ſelbſt.
1) das erſte wort hat in der conſtruction des ſatzes nichts zu thun und durch die verbindung mit dem zwei- ten ſeine ſelbſtändigkeit verloren. Da nun die verhält- niſſe der flexion und rection ſo weſentlich zuſ. hängen, daß keine ohne die andere gedacht werden kann, ſo müßen dem weder mit regierenden noch mitregierten erſten worte zugleich alle declinationskennzeichen abge- ſprochen werden. Keinem erſten worte iſt es folglich an ſich anzuſehen, welcherlei flexion ihm gebühre, ob ſtarke oder ſchwache (vgl. mhd. hantſlac, ô[rſ]lac von hant, ôre; ahd. mâkaſcaf, potaſcaf von mâc, poto). Hieraus ſcheint ein auſſchluß über die natur der ſchwachen declination zu folgen. Offenbar iſt ſie eine wahre flexion, wenig- ſtens hiſtoriſch eine ſolche geworden. Wäre ihr princip derivativiſch, ſo dürſte es in dem erſten wort der comp. nicht erlöſchen *). Die älteſten mundarten zeigen aber in ſubſtantivzuſammenſetzungen keine ſpur weder von ei- genthümlichen vocalen der ſchwachen form (und mit recht wurde oben ſ. 95. das goth. ô in tuggô für unablei- tend erklärt) noch von dem ſchwachen n. Zwar fällt hierdurch, wie mir ſcheint, die 1, 817 — 821 verſuchte erklärung dieſes ſchwachen n nicht ganz zu boden, es muß aber doch das dabei angenommne bildungsprincip auf jeden fall in eine weit entlegne zeit zurückgeſetzt werden, welche dem entſtehen unſerer älteſten compoſi- tionen um ein gutes vorausgegangen iſt.
2) findet keine eigentliche comp. ſtatt, deren erſtes wort ein pluralis wäre, denn die kennzeichen des pl. gehören zu der flexion, wie des ſg. In beziehung auf den numerus verhält ſich daher jede eigentl. comp. ganz neutral; aúrti im goth. aúrti-gards drückt weder den ſg. aúrts, noch den pl. aúrteis, mana im ahd. mana- përga weder den ſg. man, noch den ebenſo lautenden pl. aus und ohgleich viele kräuter im garten ſtehen, mehrere männer ſich hinter den ſchranken bergen kön- nen, iſt der begriff der zuſ. ſetzung gar nicht auf her- vorheben dieſer vielheit gerichtet. Wir ſagen nicht fe-
*) aus gleichem grunde unterbleiben die kennzeichen ſchwa- cher form bei jedem daraus abgeleiteten worte, z. b. die adj. an- goht und poumoht ſind eins wie das andere gebildet, obſchon je- nes aus dem ſchw. ango, angin, dieſes aus dem ſt. poum, poumes ſtammt.
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nichts zu thun und durch die verbindung mit dem zwei-
ten ſeine ſelbſtändigkeit verloren. Da nun die verhält-
niſſe der flexion und rection ſo weſentlich zuſ. hängen,
daß keine ohne die andere gedacht werden kann, ſo
müßen dem weder mit regierenden noch mitregierten
erſten worte zugleich alle declinationskennzeichen abge-
ſprochen werden. Keinem erſten worte iſt es folglich an
ſich anzuſehen, welcherlei flexion ihm gebühre, ob ſtarke
oder ſchwache (vgl. mhd. hantſlac, ôrſlac von hant, ôre;
ahd. mâkaſcaf, potaſcaf von mâc, poto). Hieraus ſcheint
ein auſſchluß über die natur der ſchwachen declination
zu folgen. Offenbar iſt ſie eine wahre flexion, wenig-
ſtens hiſtoriſch eine ſolche geworden. Wäre ihr princip
derivativiſch, ſo dürſte es in dem erſten wort der comp.
nicht erlöſchen *). Die älteſten mundarten zeigen aber in
ſubſtantivzuſammenſetzungen keine ſpur weder von ei-
genthümlichen vocalen der ſchwachen form (und mit
recht wurde oben ſ. 95. das goth. ô in tuggô für unablei-
tend erklärt) noch von dem ſchwachen n. Zwar fällt
hierdurch, wie mir ſcheint, die 1, 817 — 821 verſuchte
erklärung dieſes ſchwachen n nicht ganz zu boden, es
muß aber doch das dabei angenommne bildungsprincip
auf jeden fall in eine weit entlegne zeit zurückgeſetzt
werden, welche dem entſtehen unſerer älteſten compoſi-
tionen um ein gutes vorausgegangen iſt.
2) findet keine eigentliche comp. ſtatt, deren erſtes
wort ein pluralis wäre, denn die kennzeichen des pl.
gehören zu der flexion, wie des ſg. In beziehung auf
den numerus verhält ſich daher jede eigentl. comp. ganz
neutral; aúrti im goth. aúrti-gards drückt weder den
ſg. aúrts, noch den pl. aúrteis, mana im ahd. mana-
përga weder den ſg. man, noch den ebenſo lautenden
pl. aus und ohgleich viele kräuter im garten ſtehen,
mehrere männer ſich hinter den ſchranken bergen kön-
nen, iſt der begriff der zuſ. ſetzung gar nicht auf her-
vorheben dieſer vielheit gerichtet. Wir ſagen nicht fe-
*) aus gleichem grunde unterbleiben die kennzeichen ſchwa-
cher form bei jedem daraus abgeleiteten worte, z. b. die adj. an-
goht und poumoht ſind eins wie das andere gebildet, obſchon je-
nes aus dem ſchw. ango, angin, dieſes aus dem ſt. poum, poumes
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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 538. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/556>, abgerufen am 22.11.2024.
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