-tum, sl. -ti (1, 1066.) an die seite zu stellen. Ueber- haupt, daß viele zweite consonanten nach dem wurzelvo- cal wirklich zur ableitung gehören, weist die vergleichung einzelner wörter mit fremden, z. b. des deutschen hun-d mit lat. can-is, gr. kuon, litth. ßu. Aus noch unvor- bereitetem tieferen studium der doppelten consonantan- laute deutscher wurzeln (oben s. 2.), das sich fast bloß auf die urverwandten sprachen zu stützen hat, wird dereinst auch hervorgehen können, wie manche erste consonan- ten nach dem vocal nicht der wurzel zufallen, sondern der ableitung. Der eigentliche wurzelvocal ist dann ausgeworfen. Man halte hraban zu corvus, es scheint bloß hr, cr wurzelhaft und b, v ableitend.
DRITTES CAPITEL. VON DER ZUSAMMENSETZUNG.
Vorbemerkungen: 1) zusammensetzung (compositio) ist das aneinanderfügen zweier deutlicher wörter. Wer- den mehr als zwei verbunden, so heißen sie decomposita. Es können einfache mit einfachen, einfache mit abgelei- teten und abgeleitete mit abgeleiteten componiert wer- den. Auch laßen sich nomen mit nomen, nomen mit verbum, partikel mit beiden, partikel mit partikel, nicht aber verbum mit verbum in composition ein. Nähere bedingungen ergibt die abhandlung.
2) in der regel setzen sich nur verschiedne wörter zusammen, verschiedenheit des begriffs ist nicht grade erforderlich, vielmehr dürfen nahverwandte oder gleiche miteinander verbunden werden, z. b. ahd. ampaht-scalc, nhd. dieb-stal. Ausnahmsweise componiert sich aber auch ein wort mit sich selber, welches ich bloß bei adj. wahr- genommen habe, z. b. ahd. selp-selpo, mhd. wilt-wilde. Man könnte das eine gemination des wortes nennen.
3) dem begriffe nach ist jedes compositum mindestens zweisilbig, oder bestimmter ausgedrückt, da, wo die an- fügung geschehen ist, spalten sich auch zwei silben. Es kommen inzwischen einsilbige composita und solche vor, deren zusammengefügte silben in eine verwachsen sind. Das setzt aphärefen und syncopen voraus. Das engl. lord und lady entspringen aus ags. hlas-ord, hlaf-dige;
III. zuſammenſetzung. vorbemerkungen.
-tum, ſl. -ti (1, 1066.) an die ſeite zu ſtellen. Ueber- haupt, daß viele zweite conſonanten nach dem wurzelvo- cal wirklich zur ableitung gehören, weiſt die vergleichung einzelner wörter mit fremden, z. b. des deutſchen hun-d mit lat. can-is, gr. κύων, litth. ſzů. Aus noch unvor- bereitetem tieferen ſtudium der doppelten conſonantan- laute deutſcher wurzeln (oben ſ. 2.), das ſich faſt bloß auf die urverwandten ſprachen zu ſtützen hat, wird dereinſt auch hervorgehen können, wie manche erſte conſonan- ten nach dem vocal nicht der wurzel zufallen, ſondern der ableitung. Der eigentliche wurzelvocal iſt dann ausgeworfen. Man halte hraban zu corvus, es ſcheint bloß hr, cr wurzelhaft und b, v ableitend.
DRITTES CAPITEL. VON DER ZUSAMMENSETZUNG.
Vorbemerkungen: 1) zuſammenſetzung (compoſitio) iſt das aneinanderfügen zweier deutlicher wörter. Wer- den mehr als zwei verbunden, ſo heißen ſie decompoſita. Es können einfache mit einfachen, einfache mit abgelei- teten und abgeleitete mit abgeleiteten componiert wer- den. Auch laßen ſich nomen mit nomen, nomen mit verbum, partikel mit beiden, partikel mit partikel, nicht aber verbum mit verbum in compoſition ein. Nähere bedingungen ergibt die abhandlung.
2) in der regel ſetzen ſich nur verſchiedne wörter zuſammen, verſchiedenheit des begriffs iſt nicht grade erforderlich, vielmehr dürfen nahverwandte oder gleiche miteinander verbunden werden, z. b. ahd. ampaht-ſcalc, nhd. dieb-ſtâl. Ausnahmsweiſe componiert ſich aber auch ein wort mit ſich ſelber, welches ich bloß bei adj. wahr- genommen habe, z. b. ahd. ſëlp-ſëlpo, mhd. wilt-wilde. Man könnte das eine gemination des wortes nennen.
3) dem begriffe nach iſt jedes compoſitum mindeſtens zweiſilbig, oder beſtimmter ausgedrückt, da, wo die an- fügung geſchehen iſt, ſpalten ſich auch zwei ſilben. Es kommen inzwiſchen einſilbige compoſita und ſolche vor, deren zuſammengefügte ſilben in eine verwachſen ſind. Das ſetzt aphärefen und ſyncopen voraus. Das engl. lord und lady entſpringen aus agſ. hlâſ-ord, hlâf-dige;
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III. zuſammenſetzung. vorbemerkungen.
-tum, ſl. -ti (1, 1066.) an die ſeite zu ſtellen. Ueber-
haupt, daß viele zweite conſonanten nach dem wurzelvo-
cal wirklich zur ableitung gehören, weiſt die vergleichung
einzelner wörter mit fremden, z. b. des deutſchen hun-d
mit lat. can-is, gr. κύων, litth. ſzů. Aus noch unvor-
bereitetem tieferen ſtudium der doppelten conſonantan-
laute deutſcher wurzeln (oben ſ. 2.), das ſich faſt bloß auf
die urverwandten ſprachen zu ſtützen hat, wird dereinſt
auch hervorgehen können, wie manche erſte conſonan-
ten nach dem vocal nicht der wurzel zufallen, ſondern
der ableitung. Der eigentliche wurzelvocal iſt dann
ausgeworfen. Man halte hraban zu corvus, es ſcheint
bloß hr, cr wurzelhaft und b, v ableitend.
DRITTES CAPITEL.
VON DER ZUSAMMENSETZUNG.
Vorbemerkungen: 1) zuſammenſetzung (compoſitio)
iſt das aneinanderfügen zweier deutlicher wörter. Wer-
den mehr als zwei verbunden, ſo heißen ſie decompoſita.
Es können einfache mit einfachen, einfache mit abgelei-
teten und abgeleitete mit abgeleiteten componiert wer-
den. Auch laßen ſich nomen mit nomen, nomen mit
verbum, partikel mit beiden, partikel mit partikel, nicht
aber verbum mit verbum in compoſition ein. Nähere
bedingungen ergibt die abhandlung.
2) in der regel ſetzen ſich nur verſchiedne wörter
zuſammen, verſchiedenheit des begriffs iſt nicht grade
erforderlich, vielmehr dürfen nahverwandte oder gleiche
miteinander verbunden werden, z. b. ahd. ampaht-ſcalc,
nhd. dieb-ſtâl. Ausnahmsweiſe componiert ſich aber auch
ein wort mit ſich ſelber, welches ich bloß bei adj. wahr-
genommen habe, z. b. ahd. ſëlp-ſëlpo, mhd. wilt-wilde.
Man könnte das eine gemination des wortes nennen.
3) dem begriffe nach iſt jedes compoſitum mindeſtens
zweiſilbig, oder beſtimmter ausgedrückt, da, wo die an-
fügung geſchehen iſt, ſpalten ſich auch zwei ſilben. Es
kommen inzwiſchen einſilbige compoſita und ſolche vor,
deren zuſammengefügte ſilben in eine verwachſen ſind.
Das ſetzt aphärefen und ſyncopen voraus. Das engl.
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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/423>, abgerufen am 22.11.2024.
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