Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

III. consonantische ableitungen. N.
-han (wie -m auf -ham) zurückzuführen, habe ich mir
nur in einigen entschiedenen fällen erlaubt, vgl. ahd. ra-
han mit altn. ran; ahd. lehan mit ags. laen. Vermuthet
wurden siuni aus sihani; dionon aus diowinon. Andere
uns noch verhüllte beispiele wird die zukunft ent-
decken. --

b) einigemahl scheint auch hier die hinzugetretene ab-
leitung für den sinn gleichgültig; so steht dem goth. ara,
ahd. aro, altn. ari (aquila) ein ags. ear-n, altn. ör-n
zur seite. Nicht anders verhalten sich ahd. pero (ursus)
und das frühere per-n, altn. biör-n; ahd. staro (sturnus)
und ags. stear-n. --

c) wechsel des -n mit -l und -m bereits oben s. 120.
154. berührt. Ersterer ist nicht allzuselten, wie auch
folgende beispiele lehren: goth. himins, altn. himinn,
ahd. himil (wurzel nr. 566.): ahd. tougan und tougal (oc-
cultus) jenes O. N. dieses T.; ahd. trunhan (ebrins) und
trunhal; goth. ahana, ahd. agana (palea) ags. egle; mhd.
samnen, smeichen (smeichenen), vorhene, nhd. sammeln,
schmeicheln, forelle (f. forchel). Finden in einem und dem-
selben dialect l und n statt, so weicht wohl die bedeutung
ab, vgl. ags. segen (vexillum) segel (velum). Zwischen n
und r (oben s. 144.) ist der auffallendste wechsel in altn. vatn.,
ahd. waßar; vielleicht auch altn. taf-n, ahd. zep-ar; neben
lung-ar (citus) scheint lung-an zu gelten, vgl. den eigen-
namen lungan bei Schannat 393; neben demar (crepuscu-
lum) findet sich demenunga doc. 208a, nhd. demmerung;
ags. glitnjan, nhd. glitzern. --

d) die a und i vor dem -n schwanken ungemein,
magan, megin; ragan, regin; eigan, eigin; irman, irmin
u. a. scheinen im ahd. beinahe gleich berechtigt. Einiges
mag für dialectisch erklärt werden, z. b. goth. maurgins,
ahd. morakan. Anderes halte ich für tadelhaft z. b. firan-
wuachar (usura) f. firin-wuachar. Es gibt aber auch
fälle, wo sich beide vocale nicht vermischen, z. b. die
verba auf inon, die subst. auf -inassus zeigen kein -anon,
anassus. Das u vor -n erscheint beinahe gar nicht mehr
und ahd. langes und kurzes i rinnen in ein ags. e und
altn. kurzes i zusammen, sind aber auch im ahd. nicht
für alle fälle sicher zu unterscheiden.

e) in der composition finden sich verschiedne -an, die
es ungewis laßen, ob sie von subst. oder adj. herrühren;
z. b. das angan- oder agan- in den eigennamen angan-
deo, angan-trud, agam-bert, agan-frid etc.; das canan-,

III. conſonantiſche ableitungen. N.
-han (wie -m auf -ham) zurückzuführen, habe ich mir
nur in einigen entſchiedenen fällen erlaubt, vgl. ahd. ra-
han mit altn. rân; ahd. lêhan mit agſ. læn. Vermuthet
wurden ſiuni aus ſihani; dionôn aus diowinôn. Andere
uns noch verhüllte beiſpiele wird die zukunft ent-
decken. —

b) einigemahl ſcheint auch hier die hinzugetretene ab-
leitung für den ſinn gleichgültig; ſo ſteht dem goth. ara,
ahd. aro, altn. ari (aquila) ein agſ. ëar-n, altn. ör-n
zur ſeite. Nicht anders verhalten ſich ahd. përo (urſus)
und das frühere për-n, altn. biör-n; ahd. ſtaro (ſturnus)
und agſ. ſtëar-n. —

c) wechſel des -n mit -l und -m bereits oben ſ. 120.
154. berührt. Erſterer iſt nicht allzuſelten, wie auch
folgende beiſpiele lehren: goth. himins, altn. himinn,
ahd. himil (wurzel nr. 566.): ahd. tougan und tougal (oc-
cultus) jenes O. N. dieſes T.; ahd. trunhan (ebrins) und
trunhal; goth. ahana, ahd. agana (palea) agſ. egle; mhd.
ſamnen, ſmeichen (ſmeichenen), vorhene, nhd. ſammeln,
ſchmeicheln, forelle (f. forchel). Finden in einem und dem-
ſelben dialect l und n ſtatt, ſo weicht wohl die bedeutung
ab, vgl. agſ. ſëgen (vexillum) ſëgel (velum). Zwiſchen n
und r (oben ſ. 144.) iſt der auffallendſte wechſel in altn. vatn.,
ahd. waƷar; vielleicht auch altn. taf-n, ahd. zëp-ar; neben
lung-ar (citus) ſcheint lung-an zu gelten, vgl. den eigen-
namen lungan bei Schannat 393; neben dëmar (crepuſcu-
lum) findet ſich dëmenunga doc. 208a, nhd. demmerung;
agſ. glitnjan, nhd. glitzern. —

d) die a und i vor dem -n ſchwanken ungemein,
magan, megin; ragan, regin; eigan, eigin; irman, irmin
u. a. ſcheinen im ahd. beinahe gleich berechtigt. Einiges
mag für dialectiſch erklärt werden, z. b. goth. maúrgins,
ahd. morakan. Anderes halte ich für tadelhaft z. b. firan-
wuachar (uſura) f. firin-wuachar. Es gibt aber auch
fälle, wo ſich beide vocale nicht vermiſchen, z. b. die
verba auf inôn, die ſubſt. auf -inaſſus zeigen kein -anôn,
anaſſus. Das u vor -n erſcheint beinahe gar nicht mehr
und ahd. langes und kurzes i rinnen in ein agſ. e und
altn. kurzes i zuſammen, ſind aber auch im ahd. nicht
für alle fälle ſicher zu unterſcheiden.

e) in der compoſition finden ſich verſchiedne -an, die
es ungewis laßen, ob ſie von ſubſt. oder adj. herrühren;
z. b. das angan- oder agan- in den eigennamen angan-
dëo, angan-trud, agam-bërt, agan-frid etc.; das canan-,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0200" n="182"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">III. <hi rendition="#i">con&#x017F;onanti&#x017F;che ableitungen. N.</hi></hi></fw><lb/><hi rendition="#i">-han</hi> (wie -m auf -ham) zurückzuführen, habe ich mir<lb/>
nur in einigen ent&#x017F;chiedenen fällen erlaubt, vgl. ahd. ra-<lb/>
han mit altn. rân; ahd. lêhan mit ag&#x017F;. læn. Vermuthet<lb/>
wurden &#x017F;iuni aus &#x017F;ihani; dionôn aus diowinôn. Andere<lb/>
uns noch verhüllte bei&#x017F;piele wird die zukunft ent-<lb/>
decken. &#x2014;</p><lb/>
                <p>b) einigemahl &#x017F;cheint auch hier die hinzugetretene ab-<lb/>
leitung für den &#x017F;inn gleichgültig; &#x017F;o &#x017F;teht dem goth. ara,<lb/>
ahd. aro, altn. ari (aquila) ein ag&#x017F;. ëar-n, altn. ör-n<lb/>
zur &#x017F;eite. Nicht anders verhalten &#x017F;ich ahd. përo (ur&#x017F;us)<lb/>
und das frühere për-n, altn. biör-n; ahd. &#x017F;taro (&#x017F;turnus)<lb/>
und ag&#x017F;. &#x017F;tëar-n. &#x2014;</p><lb/>
                <p>c) wech&#x017F;el des -n mit -l und -m bereits oben &#x017F;. 120.<lb/>
154. berührt. Er&#x017F;terer i&#x017F;t nicht allzu&#x017F;elten, wie auch<lb/>
folgende bei&#x017F;piele lehren: goth. himins, altn. himinn,<lb/>
ahd. himil (wurzel nr. 566.): ahd. tougan und tougal (oc-<lb/>
cultus) jenes O. N. die&#x017F;es T.; ahd. trunhan (ebrins) und<lb/>
trunhal; goth. ahana, ahd. agana (palea) ag&#x017F;. egle; mhd.<lb/>
&#x017F;amnen, &#x017F;meichen (&#x017F;meichenen), vorhene, nhd. &#x017F;ammeln,<lb/>
&#x017F;chmeicheln, forelle (f. forchel). Finden in einem und dem-<lb/>
&#x017F;elben dialect l und n &#x017F;tatt, &#x017F;o weicht wohl die bedeutung<lb/>
ab, vgl. ag&#x017F;. &#x017F;ëgen (vexillum) &#x017F;ëgel (velum). Zwi&#x017F;chen n<lb/>
und r (oben &#x017F;. 144.) i&#x017F;t der auffallend&#x017F;te wech&#x017F;el in altn. vatn.,<lb/>
ahd. wa&#x01B7;ar; vielleicht auch altn. taf-n, ahd. zëp-ar; neben<lb/>
lung-ar (citus) &#x017F;cheint lung-an zu gelten, vgl. den eigen-<lb/>
namen lungan bei Schannat 393; neben dëmar (crepu&#x017F;cu-<lb/>
lum) findet &#x017F;ich dëmenunga doc. 208<hi rendition="#sup">a</hi>, nhd. demmerung;<lb/>
ag&#x017F;. glitnjan, nhd. glitzern. &#x2014;</p><lb/>
                <p>d) die a und i vor dem -n &#x017F;chwanken ungemein,<lb/>
magan, megin; ragan, regin; eigan, eigin; irman, irmin<lb/>
u. a. &#x017F;cheinen im ahd. beinahe gleich berechtigt. Einiges<lb/>
mag für dialecti&#x017F;ch erklärt werden, z. b. goth. maúrgins,<lb/>
ahd. morakan. Anderes halte ich für tadelhaft z. b. firan-<lb/>
wuachar (u&#x017F;ura) f. firin-wuachar. Es gibt aber auch<lb/>
fälle, wo &#x017F;ich beide vocale nicht vermi&#x017F;chen, z. b. die<lb/>
verba auf inôn, die &#x017F;ub&#x017F;t. auf -ina&#x017F;&#x017F;us zeigen kein -anôn,<lb/>
ana&#x017F;&#x017F;us. Das u vor -n er&#x017F;cheint beinahe gar nicht mehr<lb/>
und ahd. langes und kurzes i rinnen in ein ag&#x017F;. e und<lb/>
altn. kurzes i zu&#x017F;ammen, &#x017F;ind aber auch im ahd. nicht<lb/>
für alle fälle &#x017F;icher zu unter&#x017F;cheiden.</p><lb/>
                <p>e) in der compo&#x017F;ition finden &#x017F;ich ver&#x017F;chiedne -an, die<lb/>
es ungewis laßen, ob &#x017F;ie von &#x017F;ub&#x017F;t. oder adj. herrühren;<lb/>
z. b. das angan- oder agan- in den eigennamen angan-<lb/>
dëo, angan-trud, agam-bërt, agan-frid etc.; das canan-,<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[182/0200] III. conſonantiſche ableitungen. N. -han (wie -m auf -ham) zurückzuführen, habe ich mir nur in einigen entſchiedenen fällen erlaubt, vgl. ahd. ra- han mit altn. rân; ahd. lêhan mit agſ. læn. Vermuthet wurden ſiuni aus ſihani; dionôn aus diowinôn. Andere uns noch verhüllte beiſpiele wird die zukunft ent- decken. — b) einigemahl ſcheint auch hier die hinzugetretene ab- leitung für den ſinn gleichgültig; ſo ſteht dem goth. ara, ahd. aro, altn. ari (aquila) ein agſ. ëar-n, altn. ör-n zur ſeite. Nicht anders verhalten ſich ahd. përo (urſus) und das frühere për-n, altn. biör-n; ahd. ſtaro (ſturnus) und agſ. ſtëar-n. — c) wechſel des -n mit -l und -m bereits oben ſ. 120. 154. berührt. Erſterer iſt nicht allzuſelten, wie auch folgende beiſpiele lehren: goth. himins, altn. himinn, ahd. himil (wurzel nr. 566.): ahd. tougan und tougal (oc- cultus) jenes O. N. dieſes T.; ahd. trunhan (ebrins) und trunhal; goth. ahana, ahd. agana (palea) agſ. egle; mhd. ſamnen, ſmeichen (ſmeichenen), vorhene, nhd. ſammeln, ſchmeicheln, forelle (f. forchel). Finden in einem und dem- ſelben dialect l und n ſtatt, ſo weicht wohl die bedeutung ab, vgl. agſ. ſëgen (vexillum) ſëgel (velum). Zwiſchen n und r (oben ſ. 144.) iſt der auffallendſte wechſel in altn. vatn., ahd. waƷar; vielleicht auch altn. taf-n, ahd. zëp-ar; neben lung-ar (citus) ſcheint lung-an zu gelten, vgl. den eigen- namen lungan bei Schannat 393; neben dëmar (crepuſcu- lum) findet ſich dëmenunga doc. 208a, nhd. demmerung; agſ. glitnjan, nhd. glitzern. — d) die a und i vor dem -n ſchwanken ungemein, magan, megin; ragan, regin; eigan, eigin; irman, irmin u. a. ſcheinen im ahd. beinahe gleich berechtigt. Einiges mag für dialectiſch erklärt werden, z. b. goth. maúrgins, ahd. morakan. Anderes halte ich für tadelhaft z. b. firan- wuachar (uſura) f. firin-wuachar. Es gibt aber auch fälle, wo ſich beide vocale nicht vermiſchen, z. b. die verba auf inôn, die ſubſt. auf -inaſſus zeigen kein -anôn, anaſſus. Das u vor -n erſcheint beinahe gar nicht mehr und ahd. langes und kurzes i rinnen in ein agſ. e und altn. kurzes i zuſammen, ſind aber auch im ahd. nicht für alle fälle ſicher zu unterſcheiden. e) in der compoſition finden ſich verſchiedne -an, die es ungewis laßen, ob ſie von ſubſt. oder adj. herrühren; z. b. das angan- oder agan- in den eigennamen angan- dëo, angan-trud, agam-bërt, agan-frid etc.; das canan-,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/200
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/200>, abgerufen am 03.12.2024.