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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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DRITTES BUCH.
VON DER WORTBILDUNG.

Einleitung: wortbildung geschieht entweder durch
innere änderung oder durch äußere mehrung der wurzel.
Innere wortbildung hebt die einfachheit des wortes nicht
auf; ein wort, dem außen etwas hinzuwächst, ist kein
einfaches mehr. Dieser zuwachs, nachdem er aus einer
anderen deutlichen wurzel besteht, oder aus bloßen dun-
kelen buchstaben, heißt zusammensetzung oder ableitung.
Zusammensetzung kann vornen oder hinten an der wur-
zel eintreten, ableitung nur hinten. Von der ableitung
unterscheidet sich die im vorigen buche verhandelte
flexion, d. h. das einfachen sowohl als abgeleiteten wör-
tern zuständige allgemeine.

Jede wurzel gründet sich auf vereinigung von con-
sonanten und vocalen, die consonanz gestaltet, der vocal
bestimmt und beleuchtet das wort. Durch wesentliche
änderung ihrer consonanz würde die wurzel zerstört
werden; unwesentliche consonanzübergänge (zumahl nach
der abstufung verwandter lautreihen) dergleichen das erste
buch lehrt, sind hiermit nicht gemeint, sie afficieren die
echte form des worts, ohne sie aufzuheben, noch we-
niger vermögen sie das wort fortzubilden. Alle innere
wortbildung kann demnach nur in dem vocalismus ge-
sucht werden. Wieder aber kommen hier umlaute und
andere unwesentliche vocalwechsel in keinen betracht,
sondern innere wortbildung beruhet auf dem verhältnisse
des lauts und ablauts. Die formeln starker conjugation
gewähren uns nicht allein die vocalleiter, sondern auch
den consonantenstand aller deutschen wurzeln.

Auf bloßem vocal beruhet keine; wo etwa langer
vocal das ganze wort zu machen scheint, ist er aus auf-
gelöften oder abgefallenen consonanten zu erklären, vgl.

A

DRITTES BUCH.
VON DER WORTBILDUNG.

Einleitung: wortbildung geſchieht entweder durch
innere änderung oder durch äußere mehrung der wurzel.
Innere wortbildung hebt die einfachheit des wortes nicht
auf; ein wort, dem außen etwas hinzuwächſt, iſt kein
einfaches mehr. Dieſer zuwachs, nachdem er aus einer
anderen deutlichen wurzel beſteht, oder aus bloßen dun-
kelen buchſtaben, heißt zuſammenſetzung oder ableitung.
Zuſammenſetzung kann vornen oder hinten an der wur-
zel eintreten, ableitung nur hinten. Von der ableitung
unterſcheidet ſich die im vorigen buche verhandelte
flexion, d. h. das einfachen ſowohl als abgeleiteten wör-
tern zuſtändige allgemeine.

Jede wurzel gründet ſich auf vereinigung von con-
ſonanten und vocalen, die conſonanz geſtaltet, der vocal
beſtimmt und beleuchtet das wort. Durch weſentliche
änderung ihrer conſonanz würde die wurzel zerſtört
werden; unweſentliche conſonanzübergänge (zumahl nach
der abſtufung verwandter lautreihen) dergleichen das erſte
buch lehrt, ſind hiermit nicht gemeint, ſie afficieren die
echte form des worts, ohne ſie aufzuheben, noch we-
niger vermögen ſie das wort fortzubilden. Alle innere
wortbildung kann demnach nur in dem vocaliſmus ge-
ſucht werden. Wieder aber kommen hier umlaute und
andere unweſentliche vocalwechſel in keinen betracht,
ſondern innere wortbildung beruhet auf dem verhältniſſe
des lauts und ablauts. Die formeln ſtarker conjugation
gewähren uns nicht allein die vocalleiter, ſondern auch
den conſonantenſtand aller deutſchen wurzeln.

Auf bloßem vocal beruhet keine; wo etwa langer
vocal das ganze wort zu machen ſcheint, iſt er aus auf-
gelöften oder abgefallenen conſonanten zu erklären, vgl.

A
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[[1]/0019] DRITTES BUCH. VON DER WORTBILDUNG. Einleitung: wortbildung geſchieht entweder durch innere änderung oder durch äußere mehrung der wurzel. Innere wortbildung hebt die einfachheit des wortes nicht auf; ein wort, dem außen etwas hinzuwächſt, iſt kein einfaches mehr. Dieſer zuwachs, nachdem er aus einer anderen deutlichen wurzel beſteht, oder aus bloßen dun- kelen buchſtaben, heißt zuſammenſetzung oder ableitung. Zuſammenſetzung kann vornen oder hinten an der wur- zel eintreten, ableitung nur hinten. Von der ableitung unterſcheidet ſich die im vorigen buche verhandelte flexion, d. h. das einfachen ſowohl als abgeleiteten wör- tern zuſtändige allgemeine. Jede wurzel gründet ſich auf vereinigung von con- ſonanten und vocalen, die conſonanz geſtaltet, der vocal beſtimmt und beleuchtet das wort. Durch weſentliche änderung ihrer conſonanz würde die wurzel zerſtört werden; unweſentliche conſonanzübergänge (zumahl nach der abſtufung verwandter lautreihen) dergleichen das erſte buch lehrt, ſind hiermit nicht gemeint, ſie afficieren die echte form des worts, ohne ſie aufzuheben, noch we- niger vermögen ſie das wort fortzubilden. Alle innere wortbildung kann demnach nur in dem vocaliſmus ge- ſucht werden. Wieder aber kommen hier umlaute und andere unweſentliche vocalwechſel in keinen betracht, ſondern innere wortbildung beruhet auf dem verhältniſſe des lauts und ablauts. Die formeln ſtarker conjugation gewähren uns nicht allein die vocalleiter, ſondern auch den conſonantenſtand aller deutſchen wurzeln. Auf bloßem vocal beruhet keine; wo etwa langer vocal das ganze wort zu machen ſcheint, iſt er aus auf- gelöften oder abgefallenen conſonanten zu erklären, vgl. A

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/19>, abgerufen am 23.11.2024.