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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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II. alth. subst. anomalien.
6) der anomalie des im pl. neutr. eingeschobenen -ir
ist s. 621. gedacht.
7) nicht unähnlich diesem -ir sind einschiebungen der
silbe -in, welchen man vorzüglich bei N. begegnet;
sie scheinen der schweizerischen mundart gemäß und
haben sich auch in ihr bis auf heute erhalten, ja wei-
ter ausgebreitet (vgl. Stalder dial. p. 209. 210. 212. 213.)
Nämlich a) aus adj. gebildete fem. zweiter starker
decl. läßt auch N. im sing. unverändert, fügt ihnen
aber im pl. in zu und decliniert sie nach der ersten,
also: heilei (salus) heilei, heilei, heilei; pl. heilina, hei-
linon, heilinon, heilina und gleicherweise: weitei (am-
plitudo) wiolichei (qualitas) breitei (latitudo) finsterei
(caligo) hohei (altitudo) armherzei (misericordia) waß-
ßermichelei (abyssus) liebsamei (affectio) etc. pl. weitina,
wiolichina etc. Diese declinationsform ist ihm ganz
geläufig, weder findet ein pl. weitei, noch ein sg. wei-
tina statt. Da solche wörter im goth. zur dritten
schw. gehörten, so wird das n begreiflich und ferner,
warum andere, auch im alth. der dritten schwachen
beigezählte sich in diese weise verirren. Wenigstens
haben die mons. gl. neben dem nom. purdei (onus)
334. 351. den dat. pl. purdinum, purdinom 405. gl.
jun. 227. Muthmaßlich setzt N. purdei, pl. purdina;
menigei (manigei) pl. menigina (weder manigei nach
2. st., noch manigein nach 3 schw.) -- b) die movier-
ten fem. behandelt N. wiederum verschieden, er gibt
ihnen im nom. sing. -en oder -in, im gen. und pl.
aber enn mit starker decl. als: guten (dea) gen. gu-
tenno, dat. gutenno, plur. gutenna, gen. gutennon.
So gehen wirten (conjux) herzogen (ducissa) manen
(luna) etc., die mischung der beiden bildungsformen
-ein und inna ist bei N. zur decl. form geworden. --
g) neutra auf -ei mit dem begriffe der verkleinerung
schieben im gen. dat. sing. und pl. ein solches n ein,
so decliniert: fugelei (avicula) fugelines, fugeline,
fugelei; fugelju, fugelino, fugelinen, fugelju -- eimberei
(urnula, vom einfachen eimpar, urna, sicla st. einpar,
wie zueipar gerula; neuh. eimer, zuber) eimberines,
eimberine; eimberju, eimberino etc. -- becchei (pelvis)
becchines etc. -- magetei (puella) magetines etc. Ich
bin zweifelhaft, ob nicht auch bei eingeschaltetem n
langes ei bleibe? andern wörtern zweiter schw. decl.
gibt N. durchgängig schon -e (chunne, reiche, pere,
stubbe; gen. chunnes, reiches etc.); nicht unwahrschein-
II. alth. ſubſt. anomalien.
6) der anomalie des im pl. neutr. eingeſchobenen -ir
iſt ſ. 621. gedacht.
7) nicht unähnlich dieſem -ir ſind einſchiebungen der
ſilbe -in, welchen man vorzüglich bei N. begegnet;
ſie ſcheinen der ſchweizeriſchen mundart gemäß und
haben ſich auch in ihr bis auf heute erhalten, ja wei-
ter ausgebreitet (vgl. Stalder dial. p. 209. 210. 212. 213.)
Nämlich α) aus adj. gebildete fem. zweiter ſtarker
decl. läßt auch N. im ſing. unverändert, fügt ihnen
aber im pl. in zu und decliniert ſie nach der erſten,
alſo: heilî (ſalus) heilî, heilî, heilî; pl. heilinâ, hei-
linôn, heilinôn, heilinâ und gleicherweiſe: wîtî (am-
plitudo) wiolichî (qualitas) breitî (latitudo) finſterî
(caligo) hôhî (altitudo) armhërzî (miſericordia) waƷ-
Ʒermichelî (abyſſus) liebſâmî (affectio) etc. pl. wîtinâ,
wiolichinâ etc. Dieſe declinationsform iſt ihm ganz
geläufig, weder findet ein pl. wîtî, noch ein ſg. wî-
tina ſtatt. Da ſolche wörter im goth. zur dritten
ſchw. gehörten, ſo wird das n begreiflich und ferner,
warum andere, auch im alth. der dritten ſchwachen
beigezählte ſich in dieſe weiſe verirren. Wenigſtens
haben die monſ. gl. neben dem nom. purdî (onus)
334. 351. den dat. pl. purdinum, purdinôm 405. gl.
jun. 227. Muthmaßlich ſetzt N. purdî, pl. purdinâ;
menigî (manigî) pl. meniginâ (weder manigî nach
2. ſt., noch manigîn nach 3 ſchw.) — β) die movier-
ten fem. behandelt N. wiederum verſchieden, er gibt
ihnen im nom. ſing. -en oder -in, im gen. und pl.
aber enn mit ſtarker decl. als: guten (dea) gen. gu-
tennô, dat. gutennô, plur. gutennâ, gen. gutennôn.
So gehen wirten (conjux) herzogen (duciſſa) mânen
(luna) etc., die miſchung der beiden bildungsformen
-în und inna iſt bei N. zur decl. form geworden. —
γ) neutra auf -î mit dem begriffe der verkleinerung
ſchieben im gen. dat. ſing. und pl. ein ſolches n ein,
ſo decliniert: fugelî (avicula) fugelines, fugeline,
fugelî; fugelju, fugelinô, fugelinen, fugelju — eimberî
(urnula, vom einfachen eimpar, urna, ſicla ſt. einpar,
wie zuîpar gerula; neuh. eimer, zuber) eimberines,
eimberine; eimberju, eimberinô etc. — becchî (pelvis)
becchines etc. — magetî (puella) magetines etc. Ich
bin zweifelhaft, ob nicht auch bei eingeſchaltetem n
langes î bleibe? andern wörtern zweiter ſchw. decl.
gibt N. durchgängig ſchon -e (chunne, rîche, pere,
ſtubbe; gen. chunnes, rîches etc.); nicht unwahrſchein-
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[631/0657] II. alth. ſubſt. anomalien. 6) der anomalie des im pl. neutr. eingeſchobenen -ir iſt ſ. 621. gedacht. 7) nicht unähnlich dieſem -ir ſind einſchiebungen der ſilbe -in, welchen man vorzüglich bei N. begegnet; ſie ſcheinen der ſchweizeriſchen mundart gemäß und haben ſich auch in ihr bis auf heute erhalten, ja wei- ter ausgebreitet (vgl. Stalder dial. p. 209. 210. 212. 213.) Nämlich α) aus adj. gebildete fem. zweiter ſtarker decl. läßt auch N. im ſing. unverändert, fügt ihnen aber im pl. in zu und decliniert ſie nach der erſten, alſo: heilî (ſalus) heilî, heilî, heilî; pl. heilinâ, hei- linôn, heilinôn, heilinâ und gleicherweiſe: wîtî (am- plitudo) wiolichî (qualitas) breitî (latitudo) finſterî (caligo) hôhî (altitudo) armhërzî (miſericordia) waƷ- Ʒermichelî (abyſſus) liebſâmî (affectio) etc. pl. wîtinâ, wiolichinâ etc. Dieſe declinationsform iſt ihm ganz geläufig, weder findet ein pl. wîtî, noch ein ſg. wî- tina ſtatt. Da ſolche wörter im goth. zur dritten ſchw. gehörten, ſo wird das n begreiflich und ferner, warum andere, auch im alth. der dritten ſchwachen beigezählte ſich in dieſe weiſe verirren. Wenigſtens haben die monſ. gl. neben dem nom. purdî (onus) 334. 351. den dat. pl. purdinum, purdinôm 405. gl. jun. 227. Muthmaßlich ſetzt N. purdî, pl. purdinâ; menigî (manigî) pl. meniginâ (weder manigî nach 2. ſt., noch manigîn nach 3 ſchw.) — β) die movier- ten fem. behandelt N. wiederum verſchieden, er gibt ihnen im nom. ſing. -en oder -in, im gen. und pl. aber enn mit ſtarker decl. als: guten (dea) gen. gu- tennô, dat. gutennô, plur. gutennâ, gen. gutennôn. So gehen wirten (conjux) herzogen (duciſſa) mânen (luna) etc., die miſchung der beiden bildungsformen -în und inna iſt bei N. zur decl. form geworden. — γ) neutra auf -î mit dem begriffe der verkleinerung ſchieben im gen. dat. ſing. und pl. ein ſolches n ein, ſo decliniert: fugelî (avicula) fugelines, fugeline, fugelî; fugelju, fugelinô, fugelinen, fugelju — eimberî (urnula, vom einfachen eimpar, urna, ſicla ſt. einpar, wie zuîpar gerula; neuh. eimer, zuber) eimberines, eimberine; eimberju, eimberinô etc. — becchî (pelvis) becchines etc. — magetî (puella) magetines etc. Ich bin zweifelhaft, ob nicht auch bei eingeſchaltetem n langes î bleibe? andern wörtern zweiter ſchw. decl. gibt N. durchgängig ſchon -e (chunne, rîche, pere, ſtubbe; gen. chunnes, rîches etc.); nicht unwahrſchein-

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 631. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/657>, abgerufen am 22.07.2024.