Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

I. schwedische vocale.
quere) hemna (vindicare) etc. heute: häst, rätt, lämna,
hämna. Beide laute näherten sich also in der aussprache
und die meisten der noch üblichen e dürften, ohne ihr
zu schaden, mit ä geschrieben werden, eller (aut) engel
(angelus) klingen sicher wie äller, ängel, auch alle dich-
ter reimen unbedenklich berg (mons) tempel auf dvärg
(nanus) stämpel (sigillum) früher dwerg, stempel ge-
schrieben. Hiernach scheinen mir Botins unterscheidun-
gen des e und ä vollends in unbetonten flexionen (sv.
spraket p. 36. 53.) allzu spitz und ich meine, daß man
sogar in wurzeln durchgängig ä schreiben könne. An-
fänglich lief wohl der unterschied zwischen e und ä auf
die begründete unterscheidung zwischen e (= i) und e
(umlaut des a) hinaus, man schrieb verld (mundus) herre
(herus) herde (pastor), hingegen hand, händer, ände
(finis) etc. d. i. nach mittelh. bezeichnung verld, herre,
hender, ende. Seitdem aber der gebrauch träffa (attin-
gere) svärd (ensis) rätt (jus) etc. einführte, und umge-
kehrt e für das umgelautete a galt, z. b. in menniska,
engel, efter, ist die organ. verschiedenheit verwischt.
Vgl. unten e, ae, je, jä.

(I) beispiele: himmel (coelum) minne (memoria) stilla
(sedare) stinga (pungere) mild (lenis) mista (perdere).

(O) beispiele: troll (spectrum) torr (siccus) folk (po-
pulus) morgon (mane) borg (arx) ord (verbum).

(U) beispiele: udd (cuspis) full (plenus) gull (au-
rum) gunga (oscillare) bunden (ligatus).

(Y) umlaut des u: fylla (implere) gyllen (aureus)

(AA) a, unbezeichnet wie kurzes a geschrieben; bei-
spiele: fader (pater) tala (loqui) draga (ferre) dag, pl.
dagar (dies) fara (ire) etc. lautet gleich dem hochd. a,
ohne beimischung des o, daher ganz verschieden von a.
Das a ist stets unorganisch, das a stets organisch lang.

(EE) 1) organisch, d. h. bald dem altnord. e parallel
als bref (epistola); bald (und häufiger) dem altn. ei, als:
heder (honor) hel (totus) heta (vocari) grep (prehendit)
ben (os) etc. 2) unorg. statt des altn. e oder i, als lefva
(vivere) veta (scire) grepo (prehenderunt) seder (mores)
bedja (orare) etc.; in eder (vos) vertritt es sogar das
altn. ydhr. -- Beiderlei e schwankt zuweilen in ae, so
lautet das altn. eiga (habere) eiginn (proprius) hier aega
und egen; andere beispiele unten beim ae.

(II) 1) organisch in mein (meus) greipa (prehendere)
beita (mordere) bleifva (manere) etc. 2) unorg. seltner (we-
gen der übergänge des i in e) z. b. in freid (pax) geifva

M m 2

I. ſchwediſche vocale.
quere) hemna (vindicare) etc. heute: häſt, rätt, lämna,
hämna. Beide laute näherten ſich alſo in der ausſprache
und die meiſten der noch üblichen e dürften, ohne ihr
zu ſchaden, mit ä geſchrieben werden, eller (aut) engel
(angelus) klingen ſicher wie äller, ängel, auch alle dich-
ter reimen unbedenklich berg (mons) tempel auf dvärg
(nanus) ſtämpel (ſigillum) früher dwerg, ſtempel ge-
ſchrieben. Hiernach ſcheinen mir Botins unterſcheidun-
gen des e und ä vollends in unbetonten flexionen (ſv.
ſpråket p. 36. 53.) allzu ſpitz und ich meine, daß man
ſogar in wurzeln durchgängig ä ſchreiben könne. An-
fänglich lief wohl der unterſchied zwiſchen e und ä auf
die begründete unterſcheidung zwiſchen ë (= i) und e
(umlaut des a) hinaus, man ſchrieb verld (mundus) herre
(herus) herde (paſtor), hingegen hand, händer, ände
(finis) etc. d. i. nach mittelh. bezeichnung vërld, hërre,
hender, ende. Seitdem aber der gebrauch träffa (attin-
gere) ſvärd (enſis) rätt (jus) etc. einführte, und umge-
kehrt e für das umgelautete a galt, z. b. in menniſka,
engel, efter, iſt die organ. verſchiedenheit verwiſcht.
Vgl. unten ê, æ, je, jä.

(I) beiſpiele: himmel (coelum) minne (memoria) ſtilla
(ſedare) ſtinga (pungere) mild (lenis) miſta (perdere).

(O) beiſpiele: troll (ſpectrum) torr (ſiccus) folk (po-
pulus) morgon (mane) borg (arx) ord (verbum).

(U) beiſpiele: udd (cuſpis) full (plenus) gull (au-
rum) gunga (oſcillare) bunden (ligatus).

(Y) umlaut des u: fylla (implere) gyllen (aureus)

(AA) â, unbezeichnet wie kurzes a geſchrieben; bei-
ſpiele: fâder (pater) tâla (loqui) drâga (ferre) dâg, pl.
dâgar (dies) fâra (ire) etc. lautet gleich dem hochd. â,
ohne beimiſchung des o, daher ganz verſchieden von å.
Das â iſt ſtets unorganiſch, das å ſtets organiſch lang.

(EE) 1) organiſch, d. h. bald dem altnord. ê parallel
als brêf (epiſtola); bald (und häufiger) dem altn. ei, als:
hêder (honor) hêl (totus) hêta (vocari) grêp (prehendit)
bên (os) etc. 2) unorg. ſtatt des altn. ë oder i, als lêfva
(vivere) vêta (ſcire) grêpo (prehenderunt) ſêder (mores)
bêdja (orare) etc.; in êder (vos) vertritt es ſogar das
altn. ydhr. — Beiderlei ê ſchwankt zuweilen in æ, ſo
lautet das altn. eiga (habere) eiginn (proprius) hier æga
und êgen; andere beiſpiele unten beim æ.

(II) 1) organiſch in mîn (meus) grîpa (prehendere)
bîta (mordere) blîfva (manere) etc. 2) unorg. ſeltner (we-
gen der übergänge des i in ë) z. b. in frîd (pax) gîfva

M m 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0573" n="547"/><fw place="top" type="header">I. <hi rendition="#i">&#x017F;chwedi&#x017F;che vocale.</hi></fw><lb/>
quere) hemna (vindicare) etc. heute: hä&#x017F;t, rätt, lämna,<lb/>
hämna. Beide laute näherten &#x017F;ich al&#x017F;o in der aus&#x017F;prache<lb/>
und die mei&#x017F;ten der noch üblichen e dürften, ohne ihr<lb/>
zu &#x017F;chaden, mit ä ge&#x017F;chrieben werden, eller (aut) engel<lb/>
(angelus) klingen &#x017F;icher wie äller, ängel, auch alle dich-<lb/>
ter reimen unbedenklich berg (mons) tempel auf dvärg<lb/>
(nanus) &#x017F;tämpel (&#x017F;igillum) früher dwerg, &#x017F;tempel ge-<lb/>
&#x017F;chrieben. Hiernach &#x017F;cheinen mir Botins unter&#x017F;cheidun-<lb/>
gen des e und ä vollends in unbetonten flexionen (&#x017F;v.<lb/>
&#x017F;pråket p. 36. 53.) allzu &#x017F;pitz und ich meine, daß man<lb/>
&#x017F;ogar in wurzeln durchgängig ä &#x017F;chreiben könne. An-<lb/>
fänglich lief wohl der unter&#x017F;chied zwi&#x017F;chen e und ä auf<lb/>
die begründete unter&#x017F;cheidung zwi&#x017F;chen ë (= i) und e<lb/>
(umlaut des a) hinaus, man &#x017F;chrieb verld (mundus) herre<lb/>
(herus) herde (pa&#x017F;tor), hingegen hand, händer, ände<lb/>
(finis) etc. d. i. nach mittelh. bezeichnung vërld, hërre,<lb/>
hender, ende. Seitdem aber der gebrauch träffa (attin-<lb/>
gere) &#x017F;värd (en&#x017F;is) rätt (jus) etc. einführte, und umge-<lb/>
kehrt e für das umgelautete a galt, z. b. in menni&#x017F;ka,<lb/>
engel, efter, i&#x017F;t die organ. ver&#x017F;chiedenheit verwi&#x017F;cht.<lb/>
Vgl. unten ê, æ, je, jä.</p><lb/>
            <p>(I) bei&#x017F;piele: himmel (coelum) minne (memoria) &#x017F;tilla<lb/>
(&#x017F;edare) &#x017F;tinga (pungere) mild (lenis) mi&#x017F;ta (perdere).</p><lb/>
            <p>(O) bei&#x017F;piele: troll (&#x017F;pectrum) torr (&#x017F;iccus) folk (po-<lb/>
pulus) morgon (mane) borg (arx) ord (verbum).</p><lb/>
            <p>(U) bei&#x017F;piele: udd (cu&#x017F;pis) full (plenus) gull (au-<lb/>
rum) gunga (o&#x017F;cillare) bunden (ligatus).</p><lb/>
            <p>(Y) umlaut des u: fylla (implere) gyllen (aureus)</p><lb/>
            <p>(AA) â, unbezeichnet wie kurzes a ge&#x017F;chrieben; bei-<lb/>
&#x017F;piele: fâder (pater) tâla (loqui) drâga (ferre) dâg, pl.<lb/>
dâgar (dies) fâra (ire) etc. lautet gleich dem hochd. â,<lb/>
ohne beimi&#x017F;chung des o, daher ganz ver&#x017F;chieden von å.<lb/>
Das â i&#x017F;t &#x017F;tets unorgani&#x017F;ch, das å &#x017F;tets organi&#x017F;ch lang.</p><lb/>
            <p>(EE) 1) organi&#x017F;ch, d. h. bald dem altnord. ê parallel<lb/>
als brêf (epi&#x017F;tola); bald (und häufiger) dem altn. <hi rendition="#i">ei</hi>, als:<lb/>
hêder (honor) hêl (totus) hêta (vocari) grêp (prehendit)<lb/>
bên (os) etc. 2) unorg. &#x017F;tatt des altn. ë oder i, als lêfva<lb/>
(vivere) vêta (&#x017F;cire) grêpo (prehenderunt) &#x017F;êder (mores)<lb/>
bêdja (orare) etc.; in êder (vos) vertritt es &#x017F;ogar das<lb/>
altn. ydhr. &#x2014; Beiderlei ê &#x017F;chwankt zuweilen in æ, &#x017F;o<lb/>
lautet das altn. eiga (habere) eiginn (proprius) hier æga<lb/>
und êgen; andere bei&#x017F;piele unten beim æ.</p><lb/>
            <p>(II) 1) organi&#x017F;ch in mîn (meus) grîpa (prehendere)<lb/>
bîta (mordere) blîfva (manere) etc. 2) unorg. &#x017F;eltner (we-<lb/>
gen der übergänge des i in ë) z. b. in frîd (pax) gîfva<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">M m 2</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[547/0573] I. ſchwediſche vocale. quere) hemna (vindicare) etc. heute: häſt, rätt, lämna, hämna. Beide laute näherten ſich alſo in der ausſprache und die meiſten der noch üblichen e dürften, ohne ihr zu ſchaden, mit ä geſchrieben werden, eller (aut) engel (angelus) klingen ſicher wie äller, ängel, auch alle dich- ter reimen unbedenklich berg (mons) tempel auf dvärg (nanus) ſtämpel (ſigillum) früher dwerg, ſtempel ge- ſchrieben. Hiernach ſcheinen mir Botins unterſcheidun- gen des e und ä vollends in unbetonten flexionen (ſv. ſpråket p. 36. 53.) allzu ſpitz und ich meine, daß man ſogar in wurzeln durchgängig ä ſchreiben könne. An- fänglich lief wohl der unterſchied zwiſchen e und ä auf die begründete unterſcheidung zwiſchen ë (= i) und e (umlaut des a) hinaus, man ſchrieb verld (mundus) herre (herus) herde (paſtor), hingegen hand, händer, ände (finis) etc. d. i. nach mittelh. bezeichnung vërld, hërre, hender, ende. Seitdem aber der gebrauch träffa (attin- gere) ſvärd (enſis) rätt (jus) etc. einführte, und umge- kehrt e für das umgelautete a galt, z. b. in menniſka, engel, efter, iſt die organ. verſchiedenheit verwiſcht. Vgl. unten ê, æ, je, jä. (I) beiſpiele: himmel (coelum) minne (memoria) ſtilla (ſedare) ſtinga (pungere) mild (lenis) miſta (perdere). (O) beiſpiele: troll (ſpectrum) torr (ſiccus) folk (po- pulus) morgon (mane) borg (arx) ord (verbum). (U) beiſpiele: udd (cuſpis) full (plenus) gull (au- rum) gunga (oſcillare) bunden (ligatus). (Y) umlaut des u: fylla (implere) gyllen (aureus) (AA) â, unbezeichnet wie kurzes a geſchrieben; bei- ſpiele: fâder (pater) tâla (loqui) drâga (ferre) dâg, pl. dâgar (dies) fâra (ire) etc. lautet gleich dem hochd. â, ohne beimiſchung des o, daher ganz verſchieden von å. Das â iſt ſtets unorganiſch, das å ſtets organiſch lang. (EE) 1) organiſch, d. h. bald dem altnord. ê parallel als brêf (epiſtola); bald (und häufiger) dem altn. ei, als: hêder (honor) hêl (totus) hêta (vocari) grêp (prehendit) bên (os) etc. 2) unorg. ſtatt des altn. ë oder i, als lêfva (vivere) vêta (ſcire) grêpo (prehenderunt) ſêder (mores) bêdja (orare) etc.; in êder (vos) vertritt es ſogar das altn. ydhr. — Beiderlei ê ſchwankt zuweilen in æ, ſo lautet das altn. eiga (habere) eiginn (proprius) hier æga und êgen; andere beiſpiele unten beim æ. (II) 1) organiſch in mîn (meus) grîpa (prehendere) bîta (mordere) blîfva (manere) etc. 2) unorg. ſeltner (we- gen der übergänge des i in ë) z. b. in frîd (pax) gîfva M m 2

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/573
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 547. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/573>, abgerufen am 02.06.2024.