sprache zwischen der änderung und dem alten zustand, in letzteren hat sich die änderung befestigt und des alten zustandes ist vergeßen. Beispiele dieser art wären das goth. fugls statt des gar nicht mehr vorkommenden fu- gals oder noch höher hinauf etwa fugalus, ferner, der nord. inf. -a statt -an. Zu jener art gehört aber wenn das mittel[l]. zwic in zwei, das nord. drog in dro apoco- piert wird. Sagt man daher zwei steht für zweic, so ist die veränderung esoterisch; sagt man: fugls steht für fugals, so ist sie exoterisch, d. h. aus der goth. sprache an sich nicht zu erweisen. Ich glaube daß ich mich durch diese ausdrücke einigemahl kürzer und bestimmter faßen kann. Mit der zeit freilich verwandeln sich die anfänglich esoterischen in exoterische wegwerfungen. Das neuh. lobte besteht schon fest und lobete nicht mehr daneben, oder, in hahn fühlen wir das frühere hane jetzt gar nicht mehr.
Der allgemeinen angabe der verschiedenen arten und namen füge ich einige bemerkungen und wenige bei- spiele zu, reichlichere folgen in der buchstabenlehre selbst. Die buchstaben werden weggeworfen entw. an einem worte oder zwischen zweien sich berührenden. Jener fall macht drei arten
1) wegwerfen des anlauts, aphärese. Von vocalen wüste ich kein beispiel (vgl. odontes mit tunthjus, Schnei- der p. 13. 179.) Von consonanten zwei wichtige fälle, der spirant h. vor l. n. r. v, hlahan, hneigan, hrains, hveits heutzutage: lachen, neigen, rein, weiß; der spi- rant v. häufig im nord. (vada, od esoterisch und aulfr, wulfs exoterisch)*); g vor n im nord. (gnogt, nogt).
2) wegwerfen des inlauts (zusammenziehung). Diese ist häufig und mannigfaltig
a) ausstoß eines vocals doch stets aus der bildung und endung, kaum aus der wahren wurzel (vergl. jedoch praht neben peraht, clarus) und zwar
a) vor einem andern vocal, elision. Nicht gemeint wird hier der fall, daß ein diphthong in einen ein-
*) Alles zeugniß für das gesetz der alliteration. u alliteriert mit dem halbvocal v. und hl. hu etc. gelten für einen buchstab.
I. von den buchſtaben insgemein.
ſprache zwiſchen der änderung und dem alten zuſtand, in letzteren hat ſich die änderung befeſtigt und des alten zuſtandes iſt vergeßen. Beiſpiele dieſer art wären das goth. fugls ſtatt des gar nicht mehr vorkommenden fu- gals oder noch höher hinauf etwa fugalus, ferner, der nord. inf. -a ſtatt -an. Zu jener art gehört aber wenn das mittel[l]. zwìc in zwî, das nord. drôg in drô apoco- piert wird. Sagt man daher zwî ſteht für zwîc, ſo iſt die veränderung eſoteriſch; ſagt man: fugls ſteht für fugals, ſo iſt ſie exoteriſch, d. h. aus der goth. ſprache an ſich nicht zu erweiſen. Ich glaube daß ich mich durch dieſe ausdrücke einigemahl kürzer und beſtimmter faßen kann. Mit der zeit freilich verwandeln ſich die anfänglich eſoteriſchen in exoteriſche wegwerfungen. Das neuh. lobte beſteht ſchon feſt und lobete nicht mehr daneben, oder, in hahn fühlen wir das frühere hane jetzt gar nicht mehr.
Der allgemeinen angabe der verſchiedenen arten und namen füge ich einige bemerkungen und wenige bei- ſpiele zu, reichlichere folgen in der buchſtabenlehre ſelbſt. Die buchſtaben werden weggeworfen entw. an einem worte oder zwiſchen zweien ſich berührenden. Jener fall macht drei arten
1) wegwerfen des anlauts, aphäreſe. Von vocalen wüſte ich kein beiſpiel (vgl. ὀδόντες mit tunþjus, Schnei- der p. 13. 179.) Von conſonanten zwei wichtige fälle, der ſpirant h. vor l. n. r. v, hlahan, hneigan, hráins, hveits heutzutage: lachen, neigen, rein, weiß; der ſpi- rant v. häufig im nord. (vada, ôd eſoteriſch und ûlfr, wulfs exoteriſch)*); g vor n im nord. (gnôgt, nôgt).
2) wegwerfen des inlauts (zuſammenziehung). Dieſe iſt häufig und mannigfaltig
a) ausſtoß eines vocals doch ſtets aus der bildung und endung, kaum aus der wahren wurzel (vergl. jedoch praht neben përaht, clarus) und zwar
α) vor einem andern vocal, eliſion. Nicht gemeint wird hier der fall, daß ein diphthong in einen ein-
*) Alles zeugniß für das geſetz der alliteration. u alliteriert mit dem halbvocal v. und hl. hu etc. gelten für einen buchſtab.
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[26/0052]
I. von den buchſtaben insgemein.
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in letzteren hat ſich die änderung befeſtigt und des alten
zuſtandes iſt vergeßen. Beiſpiele dieſer art wären das
goth. fugls ſtatt des gar nicht mehr vorkommenden fu-
gals oder noch höher hinauf etwa fugalus, ferner, der
nord. inf. -a ſtatt -an. Zu jener art gehört aber wenn
das mittell. zwìc in zwî, das nord. drôg in drô apoco-
piert wird. Sagt man daher zwî ſteht für zwîc, ſo iſt
die veränderung eſoteriſch; ſagt man: fugls ſteht für
fugals, ſo iſt ſie exoteriſch, d. h. aus der goth. ſprache
an ſich nicht zu erweiſen. Ich glaube daß ich mich
durch dieſe ausdrücke einigemahl kürzer und beſtimmter
faßen kann. Mit der zeit freilich verwandeln ſich die
anfänglich eſoteriſchen in exoteriſche wegwerfungen.
Das neuh. lobte beſteht ſchon feſt und lobete nicht mehr
daneben, oder, in hahn fühlen wir das frühere hane
jetzt gar nicht mehr.
Der allgemeinen angabe der verſchiedenen arten und
namen füge ich einige bemerkungen und wenige bei-
ſpiele zu, reichlichere folgen in der buchſtabenlehre
ſelbſt. Die buchſtaben werden weggeworfen entw. an
einem worte oder zwiſchen zweien ſich berührenden.
Jener fall macht drei arten
1) wegwerfen des anlauts, aphäreſe. Von vocalen
wüſte ich kein beiſpiel (vgl. ὀδόντες mit tunþjus, Schnei-
der p. 13. 179.) Von conſonanten zwei wichtige fälle,
der ſpirant h. vor l. n. r. v, hlahan, hneigan, hráins,
hveits heutzutage: lachen, neigen, rein, weiß; der ſpi-
rant v. häufig im nord. (vada, ôd eſoteriſch und ûlfr,
wulfs exoteriſch) *); g vor n im nord. (gnôgt, nôgt).
2) wegwerfen des inlauts (zuſammenziehung). Dieſe
iſt häufig und mannigfaltig
a) ausſtoß eines vocals doch ſtets aus der bildung und
endung, kaum aus der wahren wurzel (vergl. jedoch
praht neben përaht, clarus) und zwar
α) vor einem andern vocal, eliſion. Nicht gemeint
wird hier der fall, daß ein diphthong in einen ein-
*) Alles zeugniß für das geſetz der alliteration. u alliteriert
mit dem halbvocal v. und hl. hu etc. gelten für einen
buchſtab.
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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/52>, abgerufen am 29.11.2024.
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