Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

I. mittelniederländische vocale.
tisch auf alle und jede fälle anwendbar, wo ein hochd.
alt, ald, alz in die niederl. mundart übersetzt werden
soll. Theoretisch muß man aber einen früheren über-
gang der formen alt, ald in olt, old annehmen und erst
diese sich in out, oud schmelzen laßen. Denn auch die
organischen olt, old, z. b. holt (fidus) holden (fidelibus)
holt (lignum) golt (aurum) zerschmelzen ebenso und
woude (silva) reimt allerwärts auf goude (auro). Vor
den übrigen verbindungen lm, ls, lf, lg etc. bleibt a
ungekränkt:halm, palme, hals, half, balg etc wesha b
kein französ. einfluß anzunehmen ist, indem franz. zwar
esmeraud f. esmerald, aber auch paume, baube, maux
f. palme, balbe, mals gelten. Außerdem bleibt im franz.
a bestehen, obgleich ich hin und wieder ebenfalls caut,
autare (Reinaert 342. 361.) f. cout, outare antreffe, und
ein solcher unterschied einzelne wörter gehörig sondern
würde, z. b. scaude (scaldis) von gescouden (gescholten)
hauden (tenere) von houde (favor). Den dichtern aber
reimen, wie gemeldet, beiderlei ou Bei contractionen
entspringt weder oude noch alde, vielmehr aelde, z. b.
in haelde, taelde, praet. von halen. talen. -- 2) vor den
verbindungen mit r. besteht kein a, also kein arm, arp,
arb, arf, arw, art, ard, ars, arc, arg, welche sich in
aerm, aerp etc. wandeln. Sobald jedoch zwischen r und
dem weitern cons. ein alter ausgestoßener voc. zuweilen
vortaucht, stellt sich das kurze und einf. a in der wurzel
her, z. b. arem (brachium) warem (calidus) svarem (turba)
ontfaremde (misertus est) arechste (pessimus) neben aerm,
waerm, ontfaermde, aergste. Übrigens ist es gleichgültig,
ob jene verbindungen rm, rp etc. organisch sind, oder
durch syncope entspringen, letzteres z. b. in spaert par-
cit) st. sparet, ersteres in haert (durus) aert (genus). Un-
richtig schreiben die meisten hss. harde (duriter) f. haerde,
welches z. b. Rein. 276.:reinaerde reimt; das umge-
setzte trat (calcavit) finde ich nur tart geschrieben (Maerl.
1, 242. 392. 2, 244. Rein. 291.) freilich immer anßer
reim; beßer schiene taert. -- 3) jedes kurze, wurzel-
hafte a wird in ae verlängert, wenn durch contr. oder
composition der auf es folgende cons. mit einem andern
cons. der endung zusammenrückt, z. b. halen (arcessere)
manen (monere) spanen (lactare) scraven (radere) maken
(agere) raken (attingere) naket (nudus) saden (satiare)
begaden (instruere) scapen (creare) claghen (queri) im
praet. haelde, maende, spaende, scraefde, maecte, raecte,
saedde, begaedde, claechde st. halede, spanede, scravede,

G g 2

I. mittelniederländiſche vocale.
tiſch auf alle und jede fälle anwendbar, wo ein hochd.
alt, ald, alz in die niederl. mundart überſetzt werden
ſoll. Theoretiſch muß man aber einen früheren über-
gang der formen alt, ald in olt, old annehmen und erſt
dieſe ſich in out, oud ſchmelzen laßen. Denn auch die
organiſchen olt, old, z. b. holt (fidus) holden (fidelibus)
holt (lignum) golt (aurum) zerſchmelzen ebenſo und
woude (ſilvâ) reimt allerwärts auf goude (auro). Vor
den übrigen verbindungen lm, ls, lf, lg etc. bleibt a
ungekränkt:halm, palme, hals, half, balg etc wesha b
kein franzöſ. einfluß anzunehmen iſt, indem franz. zwar
eſmeraud f. eſmerald, aber auch paume, baube, maux
f. palme, balbe, mals gelten. Außerdem bleibt im franz.
a beſtehen, obgleich ich hin und wieder ebenfalls caut,
autare (Reinaert 342. 361.) f. cout, outare antreffe, und
ein ſolcher unterſchied einzelne wörter gehörig ſondern
würde, z. b. ſcaude (ſcaldis) von geſcouden (geſcholten)
hauden (tenere) von houde (favor). Den dichtern aber
reimen, wie gemeldet, beiderlei ou Bei contractionen
entſpringt weder oude noch alde, vielmehr aelde, z. b.
in haelde, taelde, praet. von halen. talen. — 2) vor den
verbindungen mit r. beſteht kein a, alſo kein arm, arp,
arb, arf, arw, art, ard, ars, arc, arg, welche ſich in
aerm, aerp etc. wandeln. Sobald jedoch zwiſchen r und
dem weitern conſ. ein alter ausgeſtoßener voc. zuweilen
vortaucht, ſtellt ſich das kurze und einf. a in der wurzel
her, z. b. arem (brachium) warem (calidus) ſvarem (turba)
ontfaremde (miſertus eſt) arechſte (peſſimus) neben aerm,
waerm, ontfaermde, aergſte. Übrigens iſt es gleichgültig,
ob jene verbindungen rm, rp etc. organiſch ſind, oder
durch ſyncope entſpringen, letzteres z. b. in ſpaert par-
cit) ſt. ſparet, erſteres in haert (durus) aert (genus). Un-
richtig ſchreiben die meiſten hſſ. harde (duriter) f. haerde,
welches z. b. Rein. 276.:reinaerde reimt; das umge-
ſetzte trat (calcavit) finde ich nur tart geſchrieben (Maerl.
1, 242. 392. 2, 244. Rein. 291.) freilich immer anßer
reim; beßer ſchiene taert. — 3) jedes kurze, wurzel-
hafte a wird in ae verlängert, wenn durch contr. oder
compoſition der auf es folgende conſ. mit einem andern
conſ. der endung zuſammenrückt, z. b. halen (arceſſere)
manen (monere) ſpanen (lactare) ſcraven (radere) maken
(agere) raken (attingere) naket (nudus) ſaden (ſatiare)
begaden (inſtruere) ſcapen (creare) claghen (queri) im
praet. haelde, maende, ſpaende, ſcraefde, maecte, raecte,
ſaedde, begaedde, claechde ſt. halede, ſpanede, ſcravede,

G g 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0493" n="467"/><fw place="top" type="header">I. <hi rendition="#i">mittelniederländi&#x017F;che vocale.</hi></fw><lb/>
ti&#x017F;ch auf alle und jede fälle anwendbar, wo ein hochd.<lb/>
alt, ald, alz in die niederl. mundart über&#x017F;etzt werden<lb/>
&#x017F;oll. Theoreti&#x017F;ch muß man aber einen früheren über-<lb/>
gang der formen alt, ald in olt, old annehmen und er&#x017F;t<lb/>
die&#x017F;e &#x017F;ich in out, oud &#x017F;chmelzen laßen. Denn auch die<lb/>
organi&#x017F;chen olt, old, z. b. holt (fidus) holden (fidelibus)<lb/>
holt (lignum) golt (aurum) zer&#x017F;chmelzen eben&#x017F;o und<lb/>
woude (&#x017F;ilvâ) reimt allerwärts auf goude (auro). Vor<lb/>
den übrigen verbindungen lm, ls, lf, lg etc. bleibt a<lb/>
ungekränkt:halm, palme, hals, half, balg etc wesha b<lb/>
kein franzö&#x017F;. einfluß anzunehmen i&#x017F;t, indem franz. zwar<lb/>
e&#x017F;meraud f. e&#x017F;merald, aber auch paume, baube, maux<lb/>
f. palme, balbe, mals gelten. Außerdem bleibt im franz.<lb/>
a be&#x017F;tehen, obgleich ich hin und wieder ebenfalls caut,<lb/>
autare (Reinaert 342. 361.) f. cout, outare antreffe, und<lb/>
ein &#x017F;olcher unter&#x017F;chied einzelne wörter gehörig &#x017F;ondern<lb/>
würde, z. b. &#x017F;caude (&#x017F;caldis) von ge&#x017F;couden (ge&#x017F;cholten)<lb/>
hauden (tenere) von houde (favor). Den dichtern aber<lb/>
reimen, wie gemeldet, beiderlei ou Bei contractionen<lb/>
ent&#x017F;pringt weder oude noch alde, vielmehr aelde, z. b.<lb/>
in haelde, taelde, praet. von halen. talen. &#x2014; 2) vor den<lb/>
verbindungen mit r. be&#x017F;teht kein a, al&#x017F;o kein arm, arp,<lb/>
arb, arf, arw, art, ard, ars, arc, arg, welche &#x017F;ich in<lb/>
aerm, aerp etc. wandeln. Sobald jedoch zwi&#x017F;chen r und<lb/>
dem weitern con&#x017F;. ein alter ausge&#x017F;toßener voc. zuweilen<lb/>
vortaucht, &#x017F;tellt &#x017F;ich das kurze und einf. a in der wurzel<lb/>
her, z. b. arem (brachium) warem (calidus) &#x017F;varem (turba)<lb/>
ontfaremde (mi&#x017F;ertus e&#x017F;t) arech&#x017F;te (pe&#x017F;&#x017F;imus) neben aerm,<lb/>
waerm, ontfaermde, aerg&#x017F;te. Übrigens i&#x017F;t es gleichgültig,<lb/>
ob jene verbindungen rm, rp etc. organi&#x017F;ch &#x017F;ind, oder<lb/>
durch &#x017F;yncope ent&#x017F;pringen, letzteres z. b. in &#x017F;paert par-<lb/>
cit) &#x017F;t. &#x017F;paret, er&#x017F;teres in haert (durus) aert (genus). Un-<lb/>
richtig &#x017F;chreiben die mei&#x017F;ten h&#x017F;&#x017F;. harde (duriter) f. haerde,<lb/>
welches z. b. Rein. 276.:reinaerde reimt; das umge-<lb/>
&#x017F;etzte trat (calcavit) finde ich nur tart ge&#x017F;chrieben (Maerl.<lb/>
1, 242. 392. 2, 244. Rein. 291.) freilich immer anßer<lb/>
reim; beßer &#x017F;chiene taert. &#x2014; 3) jedes kurze, wurzel-<lb/>
hafte a wird in ae verlängert, wenn durch contr. oder<lb/>
compo&#x017F;ition der auf es folgende con&#x017F;. mit einem andern<lb/>
con&#x017F;. der endung zu&#x017F;ammenrückt, z. b. halen (arce&#x017F;&#x017F;ere)<lb/>
manen (monere) &#x017F;panen (lactare) &#x017F;craven (radere) maken<lb/>
(agere) raken (attingere) naket (nudus) &#x017F;aden (&#x017F;atiare)<lb/>
begaden (in&#x017F;truere) &#x017F;capen (creare) claghen (queri) im<lb/>
praet. haelde, maende, &#x017F;paende, &#x017F;craefde, maecte, raecte,<lb/>
&#x017F;aedde, begaedde, claechde &#x017F;t. halede, &#x017F;panede, &#x017F;cravede,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G g 2</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[467/0493] I. mittelniederländiſche vocale. tiſch auf alle und jede fälle anwendbar, wo ein hochd. alt, ald, alz in die niederl. mundart überſetzt werden ſoll. Theoretiſch muß man aber einen früheren über- gang der formen alt, ald in olt, old annehmen und erſt dieſe ſich in out, oud ſchmelzen laßen. Denn auch die organiſchen olt, old, z. b. holt (fidus) holden (fidelibus) holt (lignum) golt (aurum) zerſchmelzen ebenſo und woude (ſilvâ) reimt allerwärts auf goude (auro). Vor den übrigen verbindungen lm, ls, lf, lg etc. bleibt a ungekränkt:halm, palme, hals, half, balg etc wesha b kein franzöſ. einfluß anzunehmen iſt, indem franz. zwar eſmeraud f. eſmerald, aber auch paume, baube, maux f. palme, balbe, mals gelten. Außerdem bleibt im franz. a beſtehen, obgleich ich hin und wieder ebenfalls caut, autare (Reinaert 342. 361.) f. cout, outare antreffe, und ein ſolcher unterſchied einzelne wörter gehörig ſondern würde, z. b. ſcaude (ſcaldis) von geſcouden (geſcholten) hauden (tenere) von houde (favor). Den dichtern aber reimen, wie gemeldet, beiderlei ou Bei contractionen entſpringt weder oude noch alde, vielmehr aelde, z. b. in haelde, taelde, praet. von halen. talen. — 2) vor den verbindungen mit r. beſteht kein a, alſo kein arm, arp, arb, arf, arw, art, ard, ars, arc, arg, welche ſich in aerm, aerp etc. wandeln. Sobald jedoch zwiſchen r und dem weitern conſ. ein alter ausgeſtoßener voc. zuweilen vortaucht, ſtellt ſich das kurze und einf. a in der wurzel her, z. b. arem (brachium) warem (calidus) ſvarem (turba) ontfaremde (miſertus eſt) arechſte (peſſimus) neben aerm, waerm, ontfaermde, aergſte. Übrigens iſt es gleichgültig, ob jene verbindungen rm, rp etc. organiſch ſind, oder durch ſyncope entſpringen, letzteres z. b. in ſpaert par- cit) ſt. ſparet, erſteres in haert (durus) aert (genus). Un- richtig ſchreiben die meiſten hſſ. harde (duriter) f. haerde, welches z. b. Rein. 276.:reinaerde reimt; das umge- ſetzte trat (calcavit) finde ich nur tart geſchrieben (Maerl. 1, 242. 392. 2, 244. Rein. 291.) freilich immer anßer reim; beßer ſchiene taert. — 3) jedes kurze, wurzel- hafte a wird in ae verlängert, wenn durch contr. oder compoſition der auf es folgende conſ. mit einem andern conſ. der endung zuſammenrückt, z. b. halen (arceſſere) manen (monere) ſpanen (lactare) ſcraven (radere) maken (agere) raken (attingere) naket (nudus) ſaden (ſatiare) begaden (inſtruere) ſcapen (creare) claghen (queri) im praet. haelde, maende, ſpaende, ſcraefde, maecte, raecte, ſaedde, begaedde, claechde ſt. halede, ſpanede, ſcravede, G g 2

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/493
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 467. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/493>, abgerufen am 26.06.2024.