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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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I. mittelhochdeutsche buchstaben. schlußbem.
spirans nicht (volleiste:geistes; liuten:diute; flehen:
ere) theils vertragen sich inlautend verschiedenartige
consonanten, wo nicht überhaupt, doch nach ver-
wandtschaften. Namentlich liq. untereinander (leicha-
men:waren, heile:steine Mar. 173.) liq. und spiranten
(bluome:ruowe Mar. 8. 14. flehen:ere) spiranten un-
tereinander (flehen:ewen Mar. 3. 42.) liq. und mediae
(heime:leide; schone:brode; meinen:neigen; taube:
saume Mar. 24. 15. 163. 120. bilide:himile; samene:
menige; brennen:senden; kunne:entsprungen) am
allerhäufigsten mediae untereinander (haben:sagen;
ougen:glouben; magen:gaben; juden:lugen; swei-
gen:meiden; engel:wandel; werde:herberge; getri-
ben:liden; verdürbe:würde etc. Mar. 5. 21. 160. 150.
91. 36. 172. 155. 215.). Nie aber lind ten. oder asp.
mit andern reihen zuläßig; untereinander höchstens
auslautend, nicht inlautend, z. b. kein reim bindet
greifen:beißen:sweichen, keiner gerte:werke, wiste:
krispe; die einfachen p und k fehlen bekanntlich in-
lautend; geminierte tenues reimen wohl unbedenklich.
Ich will hier nicht die reimkunst des 12ten jahrh., die
verglichen mit der früheren Otfrieds mancher feinen
entwickelung fähig seyn wird, abhandeln, sondern
nur eine bemerkung für die eigentlich mittelh. sprache
einleiten. Jene ausnahmsweisen reime werden mit
dem 13ten jahrh. immer seltner, verschwinden aber
noch nicht ganz; Wolfr. Flecke, Stricker, Rudolf brau-
chen sie hin und wieder, außerdem einzelne andere.
Parc. 11b steht sogar raßaleik:weip (10c: weic) 181b ver-
decket : gesteppet (?gestecket) M. S. 1, 99a weip : leit
kolocz 392. 413. sit:wip, gnuoc:huot; kaum liq. un-
tereinander, denn Spervogels ere:sele 229b scheint
den s. 370. 371. besprochenen stumpfen reimen beizu-
rechnen und ere:sele, wie in demselben liede lange:
manne, tage:grabe, waldes:goldes anzunehmen. Ein
beßeres beispiel lieder:friedel ist s. 386. angeführt.
Aber die drei mediae verbinden sich unleugbar noch
öfter, zumeist b:g, seltner g:d, noch seltner b:d.
Belege sind ougen:rouben:gelouben; gabe:mage;
flugen:stuben (Parc. 3b 101a 13a 63b) gegeben:segen
(Karl 9a) habeten:klageten (Flore 24c) siget:gibet
(Frig. 3b) geben:segen; truogen:gruoben; geschriben:
ligen (weltchr. cass. 57c 62d 106b 256c) knaben:sagen;
schieben:biegen; arget:darbet; leben:pflegen (M. S.
2, 74a 80a 228a) swiger:nider (Wilh. 2, 65a) einander:
I. mittelhochdeutſche buchſtaben. ſchlußbem.
ſpirans nicht (volleiſte:geiſtes; liuten:diute; flêhen:
êre) theils vertragen ſich inlautend verſchiedenartige
conſonanten, wo nicht überhaupt, doch nach ver-
wandtſchaften. Namentlich liq. untereinander (lîchâ-
men:wâren, heile:ſteine Mar. 173.) liq. und ſpiranten
(bluome:ruowe Mar. 8. 14. flêhen:êre) ſpiranten un-
tereinander (flêhen:êwen Mar. 3. 42.) liq. und mediae
(heime:leide; ſchône:brôde; meinen:neigen; tûbe:
ſûme Mar. 24. 15. 163. 120. bilide:himile; ſamene:
menige; brennen:ſenden; kunne:entſprungen) am
allerhäufigſten mediae untereinander (haben:ſagen;
ougen:glouben; mâgen:gâben; juden:lugen; ſwî-
gen:mîden; engel:wandel; wërde:herbërge; getri-
ben:liden; verdürbe:würde etc. Mar. 5. 21. 160. 150.
91. 36. 172. 155. 215.). Nie aber lind ten. oder aſp.
mit andern reihen zuläßig; untereinander höchſtens
auslautend, nicht inlautend, z. b. kein reim bindet
grîfen:bîƷen:ſwîchen, keiner gerte:wërke, wiſte:
kriſpe; die einfachen p und k fehlen bekanntlich in-
lautend; geminierte tenues reimen wohl unbedenklich.
Ich will hier nicht die reimkunſt des 12ten jahrh., die
verglichen mit der früheren Otfrieds mancher feinen
entwickelung fähig ſeyn wird, abhandeln, ſondern
nur eine bemerkung für die eigentlich mittelh. ſprache
einleiten. Jene ausnahmsweiſen reime werden mit
dem 13ten jahrh. immer ſeltner, verſchwinden aber
noch nicht ganz; Wolfr. Flecke, Stricker, Rudolf brau-
chen ſie hin und wieder, außerdem einzelne andere.
Parc. 11b ſteht ſogar râƷâlîk:wîp (10c: wîc) 181b ver-
decket : geſteppet (?geſtecket) M. S. 1, 99a wîp : lît
kolocz 392. 413. ſìt:wìp, gnuoc:huot; kaum liq. un-
tereinander, denn Spërvogels êre:ſêle 229b ſcheint
den ſ. 370. 371. beſprochenen ſtumpfen reimen beizu-
rechnen und êrè:ſêlè, wie in demſelben liede langè:
mannè, tagè:grabè, waldès:goldès anzunehmen. Ein
beßeres beiſpiel lieder:friedel iſt ſ. 386. angeführt.
Aber die drei mediae verbinden ſich unleugbar noch
öfter, zumeiſt b:g, ſeltner g:d, noch ſeltner b:d.
Belege ſind ougen:rouben:gelouben; gâbe:mâge;
flugen:ſtuben (Parc. 3b 101a 13a 63b) gegëben:ſëgen
(Karl 9a) habeten:klageten (Flore 24c) ſiget:gibet
(Frig. 3b) gëben:ſëgen; truogen:gruoben; geſchriben:
ligen (weltchr. caſſ. 57c 62d 106b 256c) knaben:ſagen;
ſchieben:biegen; arget:darbet; lëben:pflëgen (M. S.
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[445/0471] I. mittelhochdeutſche buchſtaben. ſchlußbem. ſpirans nicht (volleiſte:geiſtes; liuten:diute; flêhen: êre) theils vertragen ſich inlautend verſchiedenartige conſonanten, wo nicht überhaupt, doch nach ver- wandtſchaften. Namentlich liq. untereinander (lîchâ- men:wâren, heile:ſteine Mar. 173.) liq. und ſpiranten (bluome:ruowe Mar. 8. 14. flêhen:êre) ſpiranten un- tereinander (flêhen:êwen Mar. 3. 42.) liq. und mediae (heime:leide; ſchône:brôde; meinen:neigen; tûbe: ſûme Mar. 24. 15. 163. 120. bilide:himile; ſamene: menige; brennen:ſenden; kunne:entſprungen) am allerhäufigſten mediae untereinander (haben:ſagen; ougen:glouben; mâgen:gâben; juden:lugen; ſwî- gen:mîden; engel:wandel; wërde:herbërge; getri- ben:liden; verdürbe:würde etc. Mar. 5. 21. 160. 150. 91. 36. 172. 155. 215.). Nie aber lind ten. oder aſp. mit andern reihen zuläßig; untereinander höchſtens auslautend, nicht inlautend, z. b. kein reim bindet grîfen:bîƷen:ſwîchen, keiner gerte:wërke, wiſte: kriſpe; die einfachen p und k fehlen bekanntlich in- lautend; geminierte tenues reimen wohl unbedenklich. Ich will hier nicht die reimkunſt des 12ten jahrh., die verglichen mit der früheren Otfrieds mancher feinen entwickelung fähig ſeyn wird, abhandeln, ſondern nur eine bemerkung für die eigentlich mittelh. ſprache einleiten. Jene ausnahmsweiſen reime werden mit dem 13ten jahrh. immer ſeltner, verſchwinden aber noch nicht ganz; Wolfr. Flecke, Stricker, Rudolf brau- chen ſie hin und wieder, außerdem einzelne andere. Parc. 11b ſteht ſogar râƷâlîk:wîp (10c: wîc) 181b ver- decket : geſteppet (?geſtecket) M. S. 1, 99a wîp : lît kolocz 392. 413. ſìt:wìp, gnuoc:huot; kaum liq. un- tereinander, denn Spërvogels êre:ſêle 229b ſcheint den ſ. 370. 371. beſprochenen ſtumpfen reimen beizu- rechnen und êrè:ſêlè, wie in demſelben liede langè: mannè, tagè:grabè, waldès:goldès anzunehmen. Ein beßeres beiſpiel lieder:friedel iſt ſ. 386. angeführt. Aber die drei mediae verbinden ſich unleugbar noch öfter, zumeiſt b:g, ſeltner g:d, noch ſeltner b:d. Belege ſind ougen:rouben:gelouben; gâbe:mâge; flugen:ſtuben (Parc. 3b 101a 13a 63b) gegëben:ſëgen (Karl 9a) habeten:klageten (Flore 24c) ſiget:gibet (Frig. 3b) gëben:ſëgen; truogen:gruoben; geſchriben: ligen (weltchr. caſſ. 57c 62d 106b 256c) knaben:ſagen; ſchieben:biegen; arget:darbet; lëben:pflëgen (M. S. 2, 74a 80a 228a) ſwiger:nider (Wilh. 2, 65a) einander:

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/471>, abgerufen am 22.11.2024.