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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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I. mittelhochdeutsche consonanten insgemein.
rührt übergänge in die ten. erleidet *) Dies ist notke-
rische regel, der ich oben s. 131. zu voreilig alle an-
wendung aufs mittelh. abgesprochen hatte. Sorgfälti-
gere betrachtung des s. galler Parc. und des münchner
bruchstücks (Docen 2, 111. 112.) lehrt das gegentheil.
a) am deutlichsten beim lippenlaut; auf vocal und liq.
folgt die med. vgl. do bat (40a) ane bart (108b 12[ - 1 Zeichen fehlt]a)
zorne balt (88b) ditze bort (46a) seine brust (9a) du bist
(34a) sol brechen (38c) mueßen bauwen (68b) han-boum
(46c) ein bette (46a) er bat (39c) der burgaere (46a) etc.
auf die übrigen cons. aber ten. vgl. zwelf prot (45c)
quecprunne (147c) niht paß (40a) niht pauwen (39b)
wart palt (88a) wuestet pürge (47a) ganz offenbar zie-
hen die auslaute s und ch (vgl. s. 335.) ten. nach sich:
des part (108a) sus pant (107b) pfades pan (67c) hal-
sperc (62c 138a) eß prach (46b) daß pin ich (132b)
daß prot (40a) ich pin (6c 36c 63c 78a 106c 126c 131c 161a)
durch peißen (67c) noch paß (58a) noch prot (44c) mich
pat (39b) etc. Und im münchn. Parc. sich paß (wo s.
gall. 39a sich baß) naher baß, ein bloß, waere breit. --
b) beim zungenlaut größere unsicherheit, der s. gall. Parc.
bietet wohl gar keine übergänge, der münchn. in dem
kleinen stück nachstehende: verlos ten, erß to, eß
ter, unt tes, unt taß, auf ter, wo s. gall. 39a. b. jedes-
mahl med. zeigt; mit ten, mit tiu f. mit den, mit
diu auch zuweilen in andern hss. mit ter hant. mit
ten armen, (Iw. heidelb. 4446. mit ten) wo man auch
inclination mitter hant etc. annehmen könnte (vorhin
s. 378.), nur daß sie dann keine inlautende med. son-
dern vielmehr assimilierte ten. hervorbringt. Ein an-
deres beispiel M. S. 1, 101a mit treiunge (st. dreiunge).
Auch kann man die fälle des sich der zweiten pers.
anlehnenden dau (bistu, hastu, mahtu, soltu etc. wor-
über mehr bei der conj.) hierher rechnen. -- g) noch
seltner scheint die gutt. med. umzulauten, selbst jenes
münchn. bruchstück schreibt parzivales ger, keines
gürtens, turns gupfen, nicht ker, kürtens, kupfen
und da sich unten beim kehllaut zeigen wird, daß
die ten. im mittelh. gewöhnlich die stelle der strengalth.
asp. einnimmt (was sich beim lippen und zungenlaut
unanalog verhält) so kann auch nicht wohl k für g
*) Der einfluß des auslauts auf den anlaut fleht dem des an-
lauts auf den auslaut (wovon eben ß, b. die rede war) ge-
genüber; doch mögen beide grundsätze zus. gelten.
I. mittelhochdeutſche conſonanten insgemein.
rührt übergänge in die ten. erleidet *) Dies iſt notke-
riſche regel, der ich oben ſ. 131. zu voreilig alle an-
wendung aufs mittelh. abgeſprochen hatte. Sorgfälti-
gere betrachtung des ſ. galler Parc. und des münchner
bruchſtücks (Docen 2, 111. 112.) lehrt das gegentheil.
α) am deutlichſten beim lippenlaut; auf vocal und liq.
folgt die med. vgl. dô bat (40a) âne bart (108b 12[ – 1 Zeichen fehlt]a)
zorne balt (88b) ditze bort (46a) ſîne bruſt (9a) du biſt
(34a) ſol brëchen (38c) mueƷen bûwen (68b) han-boum
(46c) ein bette (46a) er bat (39c) der burgære (46a) etc.
auf die übrigen conſ. aber ten. vgl. zwelf prôt (45c)
quëcprunne (147c) niht paƷ (40a) niht pûwen (39b)
wart palt (88a) wueſtet pürge (47a) ganz offenbar zie-
hen die auslaute ſ und ch (vgl. ſ. 335.) ten. nach ſich:
des part (108a) ſus pant (107b) pfades pan (67c) hal-
ſpërc (62c 138a) ëƷ prach (46b) daƷ pin ich (132b)
daƷ prôt (40a) ich pin (6c 36c 63c 78a 106c 126c 131c 161a)
durch peiƷen (67c) noch paƷ (58a) noch prôt (44c) mich
pat (39b) etc. Und im münchn. Parc. ſich paƷ (wo ſ.
gall. 39a ſich baƷ) nâher baƷ, ein blôƷ, wære breit. —
β) beim zungenlaut größere unſicherheit, der ſ. gall. Parc.
bietet wohl gar keine übergänge, der münchn. in dem
kleinen ſtück nachſtehende: verlôs ten, ërƷ tô, ëƷ
ter, unt tës, unt taƷ, ûf tër, wo ſ. gall. 39a. b. jedes-
mahl med. zeigt; mit ten, mit tiu f. mit den, mit
diu auch zuweilen in andern hſſ. mit ter hant. mit
ten armen, (Iw. heidelb. 4446. mit ten) wo man auch
inclination mitter hant etc. annehmen könnte (vorhin
ſ. 378.), nur daß ſie dann keine inlautende med. ſon-
dern vielmehr aſſimilierte ten. hervorbringt. Ein an-
deres beiſpiel M. S. 1, 101a mit trîunge (ſt. drîunge).
Auch kann man die fälle des ſich der zweiten perſ.
anlehnenden dû (biſtu, hâſtu, mahtu, ſoltu etc. wor-
über mehr bei der conj.) hierher rechnen. — γ) noch
ſeltner ſcheint die gutt. med. umzulauten, ſelbſt jenes
münchn. bruchſtück ſchreibt parzivâles gër, keines
gürtens, turns gupfen, nicht kër, kürtens, kupfen
und da ſich unten beim kehllaut zeigen wird, daß
die ten. im mittelh. gewöhnlich die ſtelle der ſtrengalth.
aſp. einnimmt (was ſich beim lippen und zungenlaut
unanalog verhält) ſo kann auch nicht wohl k für g
*) Der einfluß des auslauts auf den anlaut fleht dem des an-
lauts auf den auslaut (wovon eben Ʒ, β. die rede war) ge-
genüber; doch mögen beide grundſätze zuſ. gelten.
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[381/0407] I. mittelhochdeutſche conſonanten insgemein. rührt übergänge in die ten. erleidet *) Dies iſt notke- riſche regel, der ich oben ſ. 131. zu voreilig alle an- wendung aufs mittelh. abgeſprochen hatte. Sorgfälti- gere betrachtung des ſ. galler Parc. und des münchner bruchſtücks (Docen 2, 111. 112.) lehrt das gegentheil. α) am deutlichſten beim lippenlaut; auf vocal und liq. folgt die med. vgl. dô bat (40a) âne bart (108b 12_a) zorne balt (88b) ditze bort (46a) ſîne bruſt (9a) du biſt (34a) ſol brëchen (38c) mueƷen bûwen (68b) han-boum (46c) ein bette (46a) er bat (39c) der burgære (46a) etc. auf die übrigen conſ. aber ten. vgl. zwelf prôt (45c) quëcprunne (147c) niht paƷ (40a) niht pûwen (39b) wart palt (88a) wueſtet pürge (47a) ganz offenbar zie- hen die auslaute ſ und ch (vgl. ſ. 335.) ten. nach ſich: des part (108a) ſus pant (107b) pfades pan (67c) hal- ſpërc (62c 138a) ëƷ prach (46b) daƷ pin ich (132b) daƷ prôt (40a) ich pin (6c 36c 63c 78a 106c 126c 131c 161a) durch peiƷen (67c) noch paƷ (58a) noch prôt (44c) mich pat (39b) etc. Und im münchn. Parc. ſich paƷ (wo ſ. gall. 39a ſich baƷ) nâher baƷ, ein blôƷ, wære breit. — β) beim zungenlaut größere unſicherheit, der ſ. gall. Parc. bietet wohl gar keine übergänge, der münchn. in dem kleinen ſtück nachſtehende: verlôs ten, ërƷ tô, ëƷ ter, unt tës, unt taƷ, ûf tër, wo ſ. gall. 39a. b. jedes- mahl med. zeigt; mit ten, mit tiu f. mit den, mit diu auch zuweilen in andern hſſ. mit ter hant. mit ten armen, (Iw. heidelb. 4446. mit ten) wo man auch inclination mitter hant etc. annehmen könnte (vorhin ſ. 378.), nur daß ſie dann keine inlautende med. ſon- dern vielmehr aſſimilierte ten. hervorbringt. Ein an- deres beiſpiel M. S. 1, 101a mit trîunge (ſt. drîunge). Auch kann man die fälle des ſich der zweiten perſ. anlehnenden dû (biſtu, hâſtu, mahtu, ſoltu etc. wor- über mehr bei der conj.) hierher rechnen. — γ) noch ſeltner ſcheint die gutt. med. umzulauten, ſelbſt jenes münchn. bruchſtück ſchreibt parzivâles gër, keines gürtens, turns gupfen, nicht kër, kürtens, kupfen und da ſich unten beim kehllaut zeigen wird, daß die ten. im mittelh. gewöhnlich die ſtelle der ſtrengalth. aſp. einnimmt (was ſich beim lippen und zungenlaut unanalog verhält) ſo kann auch nicht wohl k für g *) Der einfluß des auslauts auf den anlaut fleht dem des an- lauts auf den auslaut (wovon eben Ʒ, β. die rede war) ge- genüber; doch mögen beide grundſätze zuſ. gelten.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/407>, abgerufen am 28.05.2024.