Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.I. mittelhochdeutsche consonanten insgemein. im andern mac er, leit er, vant er natürlich nicht.Stellt sich hiernach auch vereinfachte gem. durch in- clination her? ein wanner, warrer f. wan er, war er zu belegen wüste ich nicht, wohl aber aßer:waßer (Wilh. 2, 184b) st. aß er. -- b) wo nicht eigentliche inclination stattfindet, aber im metrum den unorg. cons. auslaut ein tonloser vocalanlaut berührt, pflegt nicht selten die org. med. rückzukehren, z. b. halb an, sluog unde, lag under, tag erschein etc. (dergl. im Parc. al- lerseits). Hier sind die ältesten hss. zu erforschen, ob- gleich die besten zu schwanken scheinen. -- g) zus. setzung macht den auslaut des vordern worts nicht zum inlaut folglich bleibt die unorg. ten. vgl. weip- heit, weip-leich, tump heit, liep-leich, vleißec-leich, junc-fronwe, maget-leich, lant-grave, lant-herre, friunt-schaft, hoch-vart, wolf-hart etc. ja sie würde aus syncopen entspringen, z. b. lop-leich, kint-lein, lemp-lein st. des gewöhnlichern lobe-leich, kinde-lein, lembe-lein (desgl. hein-leich, hein-rich st. heime- leich, heime-reich, obgleich hier das m, wie im aus- laut, bleiben könnte) vgl. ert-stift (Parc. 97c f. erd- stift). Steht dieser grundsatz, so bieten sich unzählige berichtigungen unserer texte dar, z. b. Parc. 40c lese man entw. bade-lachen oder bat-lachen (40b richtig bat-standen) 112c mac-tuom oder mage-tuom (wie 47a) 128a chlac-haft oder chlage-haft (wie 128b) 118c tumpheit (wie 117c steht) M. S. 1, 126b mac-schaft und selp-wahsen (st. magschaft, selbwahsen vgl. selp- scouwet Parc. 36a selbander 106c) und sprachgemäß scheinen mir ap-got (deaster) ap-trunnic, ap-gründe, wie auch gute hss. lesen. Es thut nichts, daß einige dieser formen im wirklichen auslaut unapocopiert, mit tonlosem oder stummen e vorkommen. -- d) eine hier- von ganz verschiedene, wieder aber in der praxis nicht mehr lebendig gefühlte regel ist die nur noch spur- weise unlengbare neigung zu den verbindungen pt und ct statt bt, gt, insofern zwischen b und t, g und t ein vocal ausfällt. Beispiele: lepte, hapte st. lebete, habete; wipt st. wibet (M. S. 2, 20b: gibt) ampt (Parc. 12[ - 1 Zeichen fehlt]b st. ambet 127c a. Tit. 8: verklambet; früher wohl ambet alth. ambaht) houpt st. houbet, houpte:roupte (troj. 29a) apteie st. abeteie (vgl. abet:enthabet Georg 34b) erstapten:lapten (Reinfr. 44a 121b 194a) st. ersta- stabeten (obriguerunt), labeten; opt. gelopt (troj. 157c) verdarpte:erstarpte (Wilh. 3, 132b cass. Reinfr. 156b) I. mittelhochdeutſche conſonanten insgemein. im andern mac ër, leit ër, vant ër natürlich nicht.Stellt ſich hiernach auch vereinfachte gem. durch in- clination her? ein wanner, warrer f. wan ër, war ër zu belegen wüſte ich nicht, wohl aber aƷƷer:waƷƷer (Wilh. 2, 184b) ſt. aƷ ër. — β) wo nicht eigentliche inclination ſtattfindet, aber im metrum den unorg. conſ. auslaut ein tonloſer vocalanlaut berührt, pflegt nicht ſelten die org. med. rückzukehren, z. b. halb an, ſluog unde, lag under, tag erſchein etc. (dergl. im Parc. al- lerſeits). Hier ſind die älteſten hſſ. zu erforſchen, ob- gleich die beſten zu ſchwanken ſcheinen. — γ) zuſ. ſetzung macht den auslaut des vordern worts nicht zum inlaut folglich bleibt die unorg. ten. vgl. wîp- heit, wîp-lîch, tump heit, liep-lîch, vlîƷec-lîch, junc-fronwe, maget-lîch, lant-grâve, lant-hërre, friunt-ſchaft, hôch-vart, wolf-hart etc. ja ſie würde aus ſyncopen entſpringen, z. b. lop-lîch, kint-lîn, lemp-lîn ſt. des gewöhnlichern lobe-lîch, kinde-lîn, lembe-lîn (desgl. hein-lîch, hein-rich ſt. heime- lîch, heime-rîch, obgleich hier das m, wie im aus- laut, bleiben könnte) vgl. ërt-ſtift (Parc. 97c f. ërd- ſtift). Steht dieſer grundſatz, ſo bieten ſich unzählige berichtigungen unſerer texte dar, z. b. Parc. 40c leſe man entw. bade-lachen oder bat-lachen (40b richtig bat-ſtanden) 112c mac-tuom oder mage-tuom (wie 47a) 128a chlac-haft oder chlage-haft (wie 128b) 118c tumpheit (wie 117c ſteht) M. S. 1, 126b mâc-ſchaft und ſëlp-wahſen (ſt. mâgſchaft, ſëlbwahſen vgl. ſëlp- ſcouwet Parc. 36a ſëlbander 106c) und ſprachgemäß ſcheinen mir ap-got (deaſter) ap-trunnic, ap-gründe, wie auch gute hſſ. leſen. Es thut nichts, daß einige dieſer formen im wirklichen auslaut unapocopiert, mit tonloſem oder ſtummen e vorkommen. — δ) eine hier- von ganz verſchiedene, wieder aber in der praxis nicht mehr lebendig gefühlte regel iſt die nur noch ſpur- weiſe unlengbare neigung zu den verbindungen pt und ct ſtatt bt, gt, inſofern zwiſchen b und t, g und t ein vocal ausfällt. Beiſpiele: lëpte, hapte ſt. lëbete, habete; wipt ſt. wibet (M. S. 2, 20b: gibt) ampt (Parc. 12[ – 1 Zeichen fehlt]b ſt. ambet 127c a. Tit. 8: verklambet; früher wohl ambèt alth. ambaht) houpt ſt. houbet, houpte:roupte (troj. 29a) aptîe ſt. abetîe (vgl. abet:enthabet Georg 34b) erſtapten:lapten (Reinfr. 44a̱ 121b 194a) ſt. erſta- ſtabeten (obriguerunt), labeten; opt. gelopt (troj. 157c) verdarpte:erſtarpte (Wilh. 3, 132b caſſ. Reinfr. 156b) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <list> <item><pb facs="#f0405" n="379"/><fw place="top" type="header">I. <hi rendition="#i">mittelhochdeutſche conſonanten insgemein.</hi></fw><lb/> im andern mac ër, leit ër, vant ër natürlich nicht.<lb/> Stellt ſich hiernach auch vereinfachte gem. durch in-<lb/> clination her? ein wanner, warrer f. wan ër, war ër<lb/> zu belegen wüſte ich nicht, wohl aber aƷƷer:waƷƷer<lb/> (Wilh. 2, 184<hi rendition="#sup">b</hi>) ſt. aƷ ër. — <hi rendition="#i">β</hi>) wo nicht eigentliche<lb/> inclination ſtattfindet, aber im metrum den unorg. conſ.<lb/> auslaut ein tonloſer vocalanlaut berührt, pflegt nicht<lb/> ſelten die org. med. rückzukehren, z. b. halb an, ſluog<lb/> unde, lag under, tag erſchein etc. (dergl. im Parc. al-<lb/> lerſeits). Hier ſind die älteſten hſſ. zu erforſchen, ob-<lb/> gleich die beſten zu ſchwanken ſcheinen. — <hi rendition="#i">γ</hi>) zuſ.<lb/> ſetzung macht den auslaut des vordern worts nicht<lb/> zum inlaut folglich bleibt die unorg. ten. vgl. wîp-<lb/> heit, wîp-lîch, tump heit, liep-lîch, vlîƷec-lîch,<lb/> junc-fronwe, maget-lîch, lant-grâve, lant-hërre,<lb/> friunt-ſchaft, hôch-vart, wolf-hart etc. ja ſie würde<lb/> aus ſyncopen entſpringen, z. b. lop-lîch, kint-lîn,<lb/> lemp-lîn ſt. des gewöhnlichern lobe-lîch, kinde-lîn,<lb/> lembe-lîn (desgl. hein-lîch, hein-rich ſt. heime-<lb/> lîch, heime-rîch, obgleich hier das m, wie im aus-<lb/> laut, bleiben könnte) vgl. ërt-ſtift (Parc. 97<hi rendition="#sup">c</hi> f. ërd-<lb/> ſtift). Steht dieſer grundſatz, ſo bieten ſich unzählige<lb/> berichtigungen unſerer texte dar, z. b. Parc. 40<hi rendition="#sup">c</hi> leſe<lb/> man entw. bade-lachen oder bat-lachen (40<hi rendition="#sup">b</hi> richtig<lb/> bat-ſtanden) 112<hi rendition="#sup">c</hi> mac-tuom oder mage-tuom (wie<lb/> 47<hi rendition="#sup">a</hi>) 128<hi rendition="#sup">a</hi> chlac-haft oder chlage-haft (wie 128<hi rendition="#sup">b</hi>) 118<hi rendition="#sup">c</hi><lb/> tumpheit (wie 117<hi rendition="#sup">c</hi> ſteht) M. S. 1, 126<hi rendition="#sup">b</hi> mâc-ſchaft<lb/> und ſëlp-wahſen (ſt. mâgſchaft, ſëlbwahſen vgl. ſëlp-<lb/> ſcouwet Parc. 36<hi rendition="#sup">a</hi> ſëlbander 106<hi rendition="#sup">c</hi>) und ſprachgemäß<lb/> ſcheinen mir ap-got (deaſter) ap-trunnic, ap-gründe,<lb/> wie auch gute hſſ. leſen. Es thut nichts, daß einige<lb/> dieſer formen im wirklichen auslaut unapocopiert, mit<lb/> tonloſem oder ſtummen e vorkommen. — <hi rendition="#i">δ</hi>) eine hier-<lb/> von ganz verſchiedene, wieder aber in der praxis nicht<lb/> mehr lebendig gefühlte regel iſt die nur noch ſpur-<lb/> weiſe unlengbare neigung zu den verbindungen <hi rendition="#i">pt</hi><lb/> und <hi rendition="#i">ct</hi> ſtatt bt, gt, inſofern zwiſchen b und t, g und<lb/> t ein vocal ausfällt. Beiſpiele: lëpte, hapte ſt. lëbete,<lb/> habete; wipt ſt. wibet (M. S. 2, 20<hi rendition="#sup">b</hi>: gibt) ampt (Parc.<lb/> 12<gap unit="chars" quantity="1"/><hi rendition="#sup">b</hi> ſt. ambet 127<hi rendition="#sup">c</hi> a. Tit. 8: verklambet; früher wohl<lb/> ambèt alth. ambaht) houpt ſt. houbet, houpte:roupte<lb/> (troj. 29<hi rendition="#sup">a</hi>) aptîe ſt. abetîe (vgl. abet:enthabet Georg<lb/> 34<hi rendition="#sup">b</hi>) erſtapten:lapten (Reinfr. 44<hi rendition="#sup">a</hi>̱ 121<hi rendition="#sup">b</hi> 194<hi rendition="#sup">a</hi>) ſt. erſta-<lb/> ſtabeten (obriguerunt), labeten; opt. gelopt (troj. 157<hi rendition="#sup">c</hi>)<lb/> verdarpte:erſtarpte (Wilh. 3, 132<hi rendition="#sup">b</hi> caſſ. Reinfr. 156<hi rendition="#sup">b</hi>)<lb/></item> </list> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [379/0405]
I. mittelhochdeutſche conſonanten insgemein.
im andern mac ër, leit ër, vant ër natürlich nicht.
Stellt ſich hiernach auch vereinfachte gem. durch in-
clination her? ein wanner, warrer f. wan ër, war ër
zu belegen wüſte ich nicht, wohl aber aƷƷer:waƷƷer
(Wilh. 2, 184b) ſt. aƷ ër. — β) wo nicht eigentliche
inclination ſtattfindet, aber im metrum den unorg. conſ.
auslaut ein tonloſer vocalanlaut berührt, pflegt nicht
ſelten die org. med. rückzukehren, z. b. halb an, ſluog
unde, lag under, tag erſchein etc. (dergl. im Parc. al-
lerſeits). Hier ſind die älteſten hſſ. zu erforſchen, ob-
gleich die beſten zu ſchwanken ſcheinen. — γ) zuſ.
ſetzung macht den auslaut des vordern worts nicht
zum inlaut folglich bleibt die unorg. ten. vgl. wîp-
heit, wîp-lîch, tump heit, liep-lîch, vlîƷec-lîch,
junc-fronwe, maget-lîch, lant-grâve, lant-hërre,
friunt-ſchaft, hôch-vart, wolf-hart etc. ja ſie würde
aus ſyncopen entſpringen, z. b. lop-lîch, kint-lîn,
lemp-lîn ſt. des gewöhnlichern lobe-lîch, kinde-lîn,
lembe-lîn (desgl. hein-lîch, hein-rich ſt. heime-
lîch, heime-rîch, obgleich hier das m, wie im aus-
laut, bleiben könnte) vgl. ërt-ſtift (Parc. 97c f. ërd-
ſtift). Steht dieſer grundſatz, ſo bieten ſich unzählige
berichtigungen unſerer texte dar, z. b. Parc. 40c leſe
man entw. bade-lachen oder bat-lachen (40b richtig
bat-ſtanden) 112c mac-tuom oder mage-tuom (wie
47a) 128a chlac-haft oder chlage-haft (wie 128b) 118c
tumpheit (wie 117c ſteht) M. S. 1, 126b mâc-ſchaft
und ſëlp-wahſen (ſt. mâgſchaft, ſëlbwahſen vgl. ſëlp-
ſcouwet Parc. 36a ſëlbander 106c) und ſprachgemäß
ſcheinen mir ap-got (deaſter) ap-trunnic, ap-gründe,
wie auch gute hſſ. leſen. Es thut nichts, daß einige
dieſer formen im wirklichen auslaut unapocopiert, mit
tonloſem oder ſtummen e vorkommen. — δ) eine hier-
von ganz verſchiedene, wieder aber in der praxis nicht
mehr lebendig gefühlte regel iſt die nur noch ſpur-
weiſe unlengbare neigung zu den verbindungen pt
und ct ſtatt bt, gt, inſofern zwiſchen b und t, g und
t ein vocal ausfällt. Beiſpiele: lëpte, hapte ſt. lëbete,
habete; wipt ſt. wibet (M. S. 2, 20b: gibt) ampt (Parc.
12_b ſt. ambet 127c a. Tit. 8: verklambet; früher wohl
ambèt alth. ambaht) houpt ſt. houbet, houpte:roupte
(troj. 29a) aptîe ſt. abetîe (vgl. abet:enthabet Georg
34b) erſtapten:lapten (Reinfr. 44a̱ 121b 194a) ſt. erſta-
ſtabeten (obriguerunt), labeten; opt. gelopt (troj. 157c)
verdarpte:erſtarpte (Wilh. 3, 132b caſſ. Reinfr. 156b)
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |