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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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I. mittelhochdeutsche vocale.
lprache des ae, oe, ue, weil hier die reime nur jedes
mit gleichartigem verbinden, doch nie ae mit e oder oe.
Dem scheine nach würde auch ue beßer aus ua folgen,
als aus uo, doch letzteres herrscht im mittelh. zu ent-
schieden. Von den altn. umlauten stimmt ae zum
hochd. ae; ae und oe mischen sich in der späteren aus-
sprache (s. 301.); y scheint wirklich verlängertes y und
ey umlaut der beiden einzelnen vocale au. -- Es ist
natürliche regel, daß kein umlaut auslaute; ausnahme
machen göu, höu st. höuwe, göuwe, wo nicht nur
das e der endung sondern auch der vorausstchende
cons. abgeworfen ist. In den conj. ge, ste wird man
kaum das umgelautete a der wurzel gangen, standen
erkennen dürfen, da ihnen vielmehr die contraction
gen, sten zu grunde liegt.
6) Anßer dem i der flexion üben zuweilen auch die dem
wurzelvocal folgenden consonanten gewissen einfluß
über ihn aus. Sie scheinen ihn bald zu verlängern,
bald in einen andern zu verwandeln. Diese erschei-
nungen sind bereits bei den einzelnen vocalen erwähnt
worden; hier stelle ich sie nur zusammen. Haupt-
sächlich in betracht kommen h und r, deren einwir-
kung beim goth. ai, ai, au, au; alth. i, e; u, o (s. 44.
80.) und beim alth. e st. ei (s. 90.) hervortrat; damit
vergleiche man das mittelh. aht st. aht (s. 342.) eht
st. eht (s. 334.) ieht st. iht (s. 351.) auht st. iuht (s. 348.);
ar st. ar (s. 342.) e st. er (s. 344.) ort st. ort (s. 347.)
ier st. ir (s. 351.). Von den verbindungen nc. ng. nt.
nd. . ist vermuthlich das u st. ü (s. 337.); uo st. u
(s. 358.) und ue st. ü (s. 366.) abhängig, welches an
den nord. einfluß des nasallauts auf den vorstehenden
vocal erinnert. Im mittelh. sind jedoch fast nur spu-
ren des systems, bei einzelnen dichtern, ohne recht
bewuste durchführung, die spuren stehen daher wie
anomalien da; und diese nebst andern anomalien zei-
gen sich wieder zuweilen vor andern consonanzen
beinahe als nachläßigkeit, reimzwang (so vielleicht
die est st. est s. 334.) oder falsche analogie. Manches
wird erst weitere forschung im mittelh. und vertrau-
tere bekanntschaft mit den alth. mundarten an den tag
bringen. Geminierte consonanz fordert kurzen voc.
vor sich kürzt daher bisweilen den langen, z. b.
immer, nimmer st. iemer, niemer (s. unten bei den
geminat.)

I. mittelhochdeutſche vocale.
lprache des æ, œ, ue, weil hier die reime nur jedes
mit gleichartigem verbinden, doch nie æ mit ê oder œ.
Dem ſcheine nach würde auch ue beßer aus ua folgen,
als aus uo, doch letzteres herrſcht im mittelh. zu ent-
ſchieden. Von den altn. umlauten ſtimmt æ zum
hochd. æ; æ und œ miſchen ſich in der ſpäteren aus-
ſprache (ſ. 301.); ŷ ſcheint wirklich verlängertes y und
ey umlaut der beiden einzelnen vocale au. — Es iſt
natürliche regel, daß kein umlaut auslaute; ausnahme
machen göu, höu ſt. höuwe, göuwe, wo nicht nur
das e der endung ſondern auch der vorausſtchende
conſ. abgeworfen iſt. In den conj. gê, ſtè wird man
kaum das umgelautete a der wurzel gangen, ſtanden
erkennen dürfen, da ihnen vielmehr die contraction
gên, ſtên zu grunde liegt.
6) Anßer dem i der flexion üben zuweilen auch die dem
wurzelvocal folgenden conſonanten gewiſſen einfluß
über ihn aus. Sie ſcheinen ihn bald zu verlängern,
bald in einen andern zu verwandeln. Dieſe erſchei-
nungen ſind bereits bei den einzelnen vocalen erwähnt
worden; hier ſtelle ich ſie nur zuſammen. Haupt-
ſächlich in betracht kommen h und r, deren einwir-
kung beim goth. ái, aí, áu, aú; alth. i, ë; u, o (ſ. 44.
80.) und beim alth. ê ſt. ei (ſ. 90.) hervortrat; damit
vergleiche man das mittelh. âht ſt. aht (ſ. 342.) ëht
ſt. eht (ſ. 334.) ieht ſt. iht (ſ. 351.) ûht ſt. iuht (ſ. 348.);
âr ſt. ar (ſ. 342.) ê ſt. er (ſ. 344.) ôrt ſt. ort (ſ. 347.)
ier ſt. ir (ſ. 351.). Von den verbindungen nc. ng. nt.
nd. . iſt vermuthlich das u ſt. ü (ſ. 337.); uo ſt. u
(ſ. 358.) und ue ſt. ü (ſ. 366.) abhängig, welches an
den nord. einfluß des naſallauts auf den vorſtehenden
vocal erinnert. Im mittelh. ſind jedoch faſt nur ſpu-
ren des ſyſtems, bei einzelnen dichtern, ohne recht
bewuſte durchführung, die ſpuren ſtehen daher wie
anomalien da; und dieſe nebſt andern anomalien zei-
gen ſich wieder zuweilen vor andern conſonanzen
beinahe als nachläßigkeit, reimzwang (ſo vielleicht
die eſt ſt. ëſt ſ. 334.) oder falſche analogie. Manches
wird erſt weitere forſchung im mittelh. und vertrau-
tere bekanntſchaft mit den alth. mundarten an den tag
bringen. Geminierte conſonanz fordert kurzen voc.
vor ſich kürzt daher bisweilen den langen, z. b.
immer, nimmer ſt. iemer, niemer (ſ. unten bei den
geminat.)

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[366/0392] I. mittelhochdeutſche vocale. lprache des æ, œ, ue, weil hier die reime nur jedes mit gleichartigem verbinden, doch nie æ mit ê oder œ. Dem ſcheine nach würde auch ue beßer aus ua folgen, als aus uo, doch letzteres herrſcht im mittelh. zu ent- ſchieden. Von den altn. umlauten ſtimmt æ zum hochd. æ; æ und œ miſchen ſich in der ſpäteren aus- ſprache (ſ. 301.); ŷ ſcheint wirklich verlängertes y und ey umlaut der beiden einzelnen vocale au. — Es iſt natürliche regel, daß kein umlaut auslaute; ausnahme machen göu, höu ſt. höuwe, göuwe, wo nicht nur das e der endung ſondern auch der vorausſtchende conſ. abgeworfen iſt. In den conj. gê, ſtè wird man kaum das umgelautete a der wurzel gangen, ſtanden erkennen dürfen, da ihnen vielmehr die contraction gên, ſtên zu grunde liegt. 6) Anßer dem i der flexion üben zuweilen auch die dem wurzelvocal folgenden conſonanten gewiſſen einfluß über ihn aus. Sie ſcheinen ihn bald zu verlängern, bald in einen andern zu verwandeln. Dieſe erſchei- nungen ſind bereits bei den einzelnen vocalen erwähnt worden; hier ſtelle ich ſie nur zuſammen. Haupt- ſächlich in betracht kommen h und r, deren einwir- kung beim goth. ái, aí, áu, aú; alth. i, ë; u, o (ſ. 44. 80.) und beim alth. ê ſt. ei (ſ. 90.) hervortrat; damit vergleiche man das mittelh. âht ſt. aht (ſ. 342.) ëht ſt. eht (ſ. 334.) ieht ſt. iht (ſ. 351.) ûht ſt. iuht (ſ. 348.); âr ſt. ar (ſ. 342.) ê ſt. er (ſ. 344.) ôrt ſt. ort (ſ. 347.) ier ſt. ir (ſ. 351.). Von den verbindungen nc. ng. nt. nd. . iſt vermuthlich das u ſt. ü (ſ. 337.); uo ſt. u (ſ. 358.) und ue ſt. ü (ſ. 366.) abhängig, welches an den nord. einfluß des naſallauts auf den vorſtehenden vocal erinnert. Im mittelh. ſind jedoch faſt nur ſpu- ren des ſyſtems, bei einzelnen dichtern, ohne recht bewuſte durchführung, die ſpuren ſtehen daher wie anomalien da; und dieſe nebſt andern anomalien zei- gen ſich wieder zuweilen vor andern conſonanzen beinahe als nachläßigkeit, reimzwang (ſo vielleicht die eſt ſt. ëſt ſ. 334.) oder falſche analogie. Manches wird erſt weitere forſchung im mittelh. und vertrau- tere bekanntſchaft mit den alth. mundarten an den tag bringen. Geminierte conſonanz fordert kurzen voc. vor ſich kürzt daher bisweilen den langen, z. b. immer, nimmer ſt. iemer, niemer (ſ. unten bei den geminat.)

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/392>, abgerufen am 22.11.2024.