doppelte umlauten können, als a in ae, o in oe, ua in ue etc. Die nähere angabe bleibt der besondern abhandlung vorbehalten.
d) der umlaut überhaupt stellt sich nämlich dar, nicht als ein in der deutschen sprache ursprünglich und durch alle ihre stämme waltendes element, vielmehr als ein späterhin in steigender richtung und verschie- denartig entwickeltes. Gegen diese ansicht könnte sich die meinung erheben, daß der umlaut auch in den älteren deutschen sprachen vorhanden und bloß aus mangelhaftigkeit der schriftzeichen nicht geschrieben worden sey. Die erwägung dieser zweifel in der be- sondern abhandlung.
7) Genau von dem umlaut muß der ablaut unterschie- den werden, ein allen deutschen sprachen eigenes, we- sentliches verhältniß mannigfaltiger vocalabwechselung. Zufolge bestimmter, in den innersten bau unserer sprache verflochtener gesetze lösen sich in den wurzeln selbst und ohne daß dazu eine auf der endung beruhende ver- anlaßung nöthig wäre, vocallaute einander ab. Die da- bei auftretenden vocale sind einfache oder doppelte, nie- mahls aber trübe. Regeln und eingreifende folgen des ablauts können erst in dem abschnitt von der starken conjugation und von der wortbildung ins licht gesetzt werden. --
8) Die erste eintheilung der consonanten ist wiederum die in einfache und doppelte. Die einfachen zerfallen sodann in flußige (liquidae) und stumme (mutae). Jener sind viere: l, m, n, r. Die mutae theilen sich nach dem werkzeug ihrer hervorbringung lippe, zahn (zunge), kehle in drei reihen: labiales b, p, v; dentales (linguales) d, t, s; gutturales g, k, h. Die drei letzten jeder reihe, das wehende v, das sausende s und das hauchende h kann man schicklich spiranten heißen. Dem v aber steht noch ein eigener consonant das j zur seite; beide ver- mitteln den übertritt der vocale u und i in die con- sonantenreihe und verdienen deshalb den namen halber vocale. Sämmtliche deutsche sprachen besitzen alle diese einfachen consonanzen.
9) Die doppelten consonanten sind, gleich den voca- len entweder doppelt durch sich selbst (geminae) oder durch verbindung verschiedenartiger (compositae). In
I. von den buchſtaben insgemein.
doppelte umlauten können, als â in æ, ô in œ, ua in ue etc. Die nähere angabe bleibt der beſondern abhandlung vorbehalten.
d) der umlaut überhaupt ſtellt ſich nämlich dar, nicht als ein in der deutſchen ſprache urſprünglich und durch alle ihre ſtämme waltendes element, vielmehr als ein ſpäterhin in ſteigender richtung und verſchie- denartig entwickeltes. Gegen dieſe anſicht könnte ſich die meinung erheben, daß der umlaut auch in den älteren deutſchen ſprachen vorhanden und bloß aus mangelhaftigkeit der ſchriftzeichen nicht geſchrieben worden ſey. Die erwägung dieſer zweifel in der be- ſondern abhandlung.
7) Genau vòn dem umlaut muß der ablaut unterſchie- den werden, ein allen deutſchen ſprachen eigenes, we- ſentliches verhältniß mannigfaltiger vocalabwechſelung. Zufolge beſtimmter, in den innerſten bau unſerer ſprache verflochtener geſetze löſen ſich in den wurzeln ſelbſt und ohne daß dazu eine auf der endung beruhende ver- anlaßung nöthig wäre, vocallaute einander ab. Die da- bei auftretenden vocale ſind einfache oder doppelte, nie- mahls aber trübe. Regeln und eingreifende folgen des ablauts können erſt in dem abſchnitt von der ſtarken conjugation und von der wortbildung ins licht geſetzt werden. —
8) Die erſte eintheilung der conſonanten iſt wiederum die in einfache und doppelte. Die einfachen zerfallen ſodann in flußige (liquidae) und ſtumme (mutae). Jener ſind viere: l, m, n, r. Die mutae theilen ſich nach dem werkzeug ihrer hervorbringung lippe, zahn (zunge), kehle in drei reihen: labiales b, p, v; dentales (linguales) d, t, ſ; gutturales g, k, h. Die drei letzten jeder reihe, das wehende v, das ſauſende ſ und das hauchende h kann man ſchicklich ſpiranten heißen. Dem v aber ſteht noch ein eigener conſonant das j zur ſeite; beide ver- mitteln den übertritt der vocale u und i in die con- ſonantenreihe und verdienen deshalb den namen halber vocale. Sämmtliche deutſche ſprachen beſitzen alle dieſe einfachen conſonanzen.
9) Die doppelten conſonanten ſind, gleich den voca- len entweder doppelt durch ſich ſelbſt (geminae) oder durch verbindung verſchiedenartiger (compoſitae). In
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><list><item><pbfacs="#f0036"n="10"/><fwplace="top"type="header">I. <hirendition="#i">von den buchſtaben insgemein.</hi></fw><lb/>
doppelte umlauten können, als â in æ, ô in œ, <hirendition="#i">ua</hi><lb/>
in <hirendition="#i">ue</hi> etc. Die nähere angabe bleibt der beſondern<lb/>
abhandlung vorbehalten.</item><lb/><item>d) der umlaut überhaupt ſtellt ſich nämlich dar, nicht<lb/>
als ein in der deutſchen ſprache urſprünglich und<lb/>
durch alle ihre ſtämme waltendes element, vielmehr<lb/>
als ein ſpäterhin in ſteigender richtung und verſchie-<lb/>
denartig entwickeltes. Gegen dieſe anſicht könnte ſich<lb/>
die meinung erheben, daß der umlaut auch in den<lb/>
älteren deutſchen ſprachen vorhanden und bloß aus<lb/>
mangelhaftigkeit der ſchriftzeichen nicht geſchrieben<lb/>
worden ſey. Die erwägung dieſer zweifel in der be-<lb/>ſondern abhandlung.</item></list><lb/><p>7) Genau vòn dem umlaut muß der <hirendition="#i">ablaut</hi> unterſchie-<lb/>
den werden, ein allen deutſchen ſprachen eigenes, we-<lb/>ſentliches verhältniß mannigfaltiger vocalabwechſelung.<lb/>
Zufolge beſtimmter, in den innerſten bau unſerer ſprache<lb/>
verflochtener geſetze löſen ſich in den wurzeln ſelbſt<lb/>
und ohne daß dazu eine auf der endung beruhende ver-<lb/>
anlaßung nöthig wäre, vocallaute einander ab. Die da-<lb/>
bei auftretenden vocale ſind einfache oder doppelte, nie-<lb/>
mahls aber trübe. Regeln und eingreifende folgen des<lb/>
ablauts können erſt in dem abſchnitt von der ſtarken<lb/>
conjugation und von der wortbildung ins licht geſetzt<lb/>
werden. —</p><lb/><p>8) Die erſte eintheilung der <hirendition="#i">conſonanten</hi> iſt wiederum<lb/>
die in einfache und doppelte. Die <hirendition="#i">einfachen</hi> zerfallen<lb/>ſodann in <hirendition="#i">flußige</hi> (liquidae) und <hirendition="#i">ſtumme</hi> (mutae). Jener<lb/>ſind viere: l, m, n, r. Die mutae theilen ſich nach dem<lb/>
werkzeug ihrer hervorbringung lippe, zahn (zunge), kehle<lb/>
in drei reihen: <hirendition="#i">labiales</hi> b, p, v; <hirendition="#i">dentales</hi> (linguales) d, t,<lb/>ſ; <hirendition="#i">gutturales</hi> g, k, h. Die drei letzten jeder reihe, das<lb/>
wehende v, das ſauſende ſ und das hauchende h kann<lb/>
man ſchicklich <hirendition="#i">ſpiranten</hi> heißen. Dem <hirendition="#i">v</hi> aber ſteht<lb/>
noch ein eigener conſonant das <hirendition="#i">j</hi> zur ſeite; beide ver-<lb/>
mitteln den übertritt der vocale <hirendition="#i">u</hi> und <hirendition="#i">i</hi> in die con-<lb/>ſonantenreihe und verdienen deshalb den namen halber<lb/>
vocale. Sämmtliche deutſche ſprachen beſitzen alle dieſe<lb/>
einfachen conſonanzen.</p><lb/><p>9) Die doppelten conſonanten ſind, gleich den voca-<lb/>
len entweder doppelt durch ſich ſelbſt (<hirendition="#i">geminae</hi>) oder<lb/>
durch verbindung verſchiedenartiger (<hirendition="#i">compoſitae</hi>). In<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[10/0036]
I. von den buchſtaben insgemein.
doppelte umlauten können, als â in æ, ô in œ, ua
in ue etc. Die nähere angabe bleibt der beſondern
abhandlung vorbehalten.
d) der umlaut überhaupt ſtellt ſich nämlich dar, nicht
als ein in der deutſchen ſprache urſprünglich und
durch alle ihre ſtämme waltendes element, vielmehr
als ein ſpäterhin in ſteigender richtung und verſchie-
denartig entwickeltes. Gegen dieſe anſicht könnte ſich
die meinung erheben, daß der umlaut auch in den
älteren deutſchen ſprachen vorhanden und bloß aus
mangelhaftigkeit der ſchriftzeichen nicht geſchrieben
worden ſey. Die erwägung dieſer zweifel in der be-
ſondern abhandlung.
7) Genau vòn dem umlaut muß der ablaut unterſchie-
den werden, ein allen deutſchen ſprachen eigenes, we-
ſentliches verhältniß mannigfaltiger vocalabwechſelung.
Zufolge beſtimmter, in den innerſten bau unſerer ſprache
verflochtener geſetze löſen ſich in den wurzeln ſelbſt
und ohne daß dazu eine auf der endung beruhende ver-
anlaßung nöthig wäre, vocallaute einander ab. Die da-
bei auftretenden vocale ſind einfache oder doppelte, nie-
mahls aber trübe. Regeln und eingreifende folgen des
ablauts können erſt in dem abſchnitt von der ſtarken
conjugation und von der wortbildung ins licht geſetzt
werden. —
8) Die erſte eintheilung der conſonanten iſt wiederum
die in einfache und doppelte. Die einfachen zerfallen
ſodann in flußige (liquidae) und ſtumme (mutae). Jener
ſind viere: l, m, n, r. Die mutae theilen ſich nach dem
werkzeug ihrer hervorbringung lippe, zahn (zunge), kehle
in drei reihen: labiales b, p, v; dentales (linguales) d, t,
ſ; gutturales g, k, h. Die drei letzten jeder reihe, das
wehende v, das ſauſende ſ und das hauchende h kann
man ſchicklich ſpiranten heißen. Dem v aber ſteht
noch ein eigener conſonant das j zur ſeite; beide ver-
mitteln den übertritt der vocale u und i in die con-
ſonantenreihe und verdienen deshalb den namen halber
vocale. Sämmtliche deutſche ſprachen beſitzen alle dieſe
einfachen conſonanzen.
9) Die doppelten conſonanten ſind, gleich den voca-
len entweder doppelt durch ſich ſelbſt (geminae) oder
durch verbindung verſchiedenartiger (compoſitae). In
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/36>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.