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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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I. altnordische consonanten. liquidae.
tönn (dentes) nenna (niti, aggredi) enni (frons) sigr-linn
(n. pr.) sinn (momentum) finna (invenire) kinn (maxilla)
die praet unna, kunna. kunnr (notus) munur (os) gunn
(pugua) sunnr (auster) unn (fluctus) hlunnar (phalan-
gae) etc. Alle diese formen zeigen im schwed. zuwei-
len, im dän. gewöhnlich nd. Hierbei ist zu mer-
ken, daß oft mit auswurf des n das dh stehen bleibt,
folglich die nebenformen madhr. sadhr. adhrir, fidhr (in-
venit) etc. eintreten, zwar nicht ohne regel, sondern
bei folgenden r steht gerne die form dh, sonst die form
nn, als: madhr, gen. manns, acc. mann; annar, pl.
adhrir. Die erwägung dieser doppelform hat für das
part. praet. scheinbare wichtigkeit; Rask §. 91. 93. 193.
194 nimmt eine schwankende erklä ung der beiderlei
endungen an, so daß ihm galinn bald = galidhr, bald
= galinr; galit bald = neutr. von galidhr, bald = ga-
lint erscheint. Ich glaube, galinn (die starke form) ent-
springt nie aus galidhr (der schwachen) weil es sonst
galinnr heißen würde. da nach obigem nicht nr, son-
dern nur nnr zu dhr wird; hingegen kann galit aus
galint gedeutet werden, oder auch aus galidht, indem
es dann für galitt stünde. Man hat also eine starke
und schwache form galinn, galin, galint und galidhr,
galidh, galit theoretisch anzunehmen, deren fälle sich
practisch durchkreuzen. Obiger buchstabenwechsel nn:
dh (ndh) wirkt hier gar nicht mit und überhaupt wirkt
er nur in der wurzel nicht in flexionen, desgl. die
partic. sind. -- Die spätere aussprache vermischt (wie
ll mit dl. rl. lr) nn mit dn. rn. nr; seinn (tardus)
braunn (fuscus) wird gelesen seidn, seiddn, braudn
(Rask §. 43. 58.), doch geschieht es nur nach doppel-
vocal; für einn, steinn schreiben einige eirn, steirn,
weil auch rn in horn beinahe hodn, hordn; jarn
beinahe jardn, jadn klingt; aus nr wird nn in minn
(meus) hinn (ille) lesinn (lectus) lesinna (lectorum, f.
lesinra, alth. lesanero) -- rr. die aus rn. rs entstanden
sind, finde ich fiarri (aber stiarna, hiarni); verri (pejor)
thurr (aridus), wogegen andere rs in ss übertreten (s. her-
nach bei rs). Andere rr wird erst fortgesetzte unter-
suchung beurtheilen lehren, vgl. harri (rex) narri (scurra)
starri (accipenser) knörr, knarrar (navigium) korra (respi-
ra[r]e) knurra (murmurare) etc.

verbindungen. lm. lp. lf. lt. ld. ls. lk. lg. belege sind
s. 286. 290. 291. gegeben; ln. lr. keine organ. verbindung,
sondern stets aufzulösen in l'n, l'r als: holr (cavus) salr

U 2

I. altnordiſche conſonanten. liquidae.
tönn (dentes) nenna (niti, aggredi) enni (frons) ſigr-linn
(n. pr.) ſinn (momentum) finna (invenire) kinn (maxilla)
die praet unna, kunna. kunnr (notus) munur (os) gunn
(pugua) ſunnr (auſter) unn (fluctus) hlunnar (phalan-
gae) etc. Alle dieſe formen zeigen im ſchwed. zuwei-
len, im dän. gewöhnlich nd. Hierbei iſt zu mer-
ken, daß oft mit auswurf des n das dh ſtehen bleibt,
folglich die nebenformen madhr. ſadhr. adhrir, fidhr (in-
venit) etc. eintreten, zwar nicht ohne regel, ſondern
bei folgenden r ſteht gerne die form dh, ſonſt die form
nn, als: madhr, gen. manns, acc. mann; annar, pl.
adhrir. Die erwägung dieſer doppelform hat für das
part. praet. ſcheinbare wichtigkeit; Raſk §. 91. 93. 193.
194 nimmt eine ſchwankende erklä ung der beiderlei
endungen an, ſo daß ihm galinn bald = galidhr, bald
= galinr; galit bald = neutr. von galidhr, bald = ga-
lint erſcheint. Ich glaube, galinn (die ſtarke form) ent-
ſpringt nie aus galidhr (der ſchwachen) weil es ſonſt
galinnr heißen würde. da nach obigem nicht nr, ſon-
dern nur nnr zu dhr wird; hingegen kann galit aus
galint gedeutet werden, oder auch aus galidht, indem
es dann für galitt ſtünde. Man hat alſo eine ſtarke
und ſchwache form galinn, galin, galint und galidhr,
galidh, galit theoretiſch anzunehmen, deren fälle ſich
practiſch durchkreuzen. Obiger buchſtabenwechſel nn:
dh (ndh) wirkt hier gar nicht mit und überhaupt wirkt
er nur in der wurzel nicht in flexionen, desgl. die
partic. ſind. — Die ſpätere ausſprache vermiſcht (wie
ll mit dl. rl. lr) nn mit dn. rn. nr; ſeinn (tardus)
brûnn (fuſcus) wird geleſen ſeidn, ſeiddn, brûdn
(Raſk §. 43. 58.), doch geſchieht es nur nach doppel-
vocal; für einn, ſteinn ſchreiben einige eirn, ſteirn,
weil auch rn in horn beinahe hodn, hordn; jârn
beinahe jârdn, jâdn klingt; aus nr wird nn in minn
(meus) hinn (ille) lëſinn (lectus) lëſinna (lectorum, f.
lëſinra, alth. lëſanero) — rr. die aus rn. rs entſtanden
ſind, finde ich fiarri (aber ſtiarna, hiarni); vërri (pejor)
þurr (aridus), wogegen andere rs in ſſ übertreten (ſ. her-
nach bei rs). Andere rr wird erſt fortgeſetzte unter-
ſuchung beurtheilen lehren, vgl. harri (rex) narri (ſcurra)
ſtarri (accipenſer) knörr, knarrar (navigium) korra (reſpi-
ra[r]e) knurra (murmurare) etc.

verbindungen. lm. lp. lf. lt. ld. ls. lk. lg. belege ſind
ſ. 286. 290. 291. gegeben; ln. lr. keine organ. verbindung,
ſondern ſtets aufzulöſen in l’n, l’r als: holr (cavus) ſalr

U 2
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[307/0333] I. altnordiſche conſonanten. liquidae. tönn (dentes) nenna (niti, aggredi) enni (frons) ſigr-linn (n. pr.) ſinn (momentum) finna (invenire) kinn (maxilla) die praet unna, kunna. kunnr (notus) munur (os) gunn (pugua) ſunnr (auſter) unn (fluctus) hlunnar (phalan- gae) etc. Alle dieſe formen zeigen im ſchwed. zuwei- len, im dän. gewöhnlich nd. Hierbei iſt zu mer- ken, daß oft mit auswurf des n das dh ſtehen bleibt, folglich die nebenformen madhr. ſadhr. adhrir, fidhr (in- venit) etc. eintreten, zwar nicht ohne regel, ſondern bei folgenden r ſteht gerne die form dh, ſonſt die form nn, als: madhr, gen. manns, acc. mann; annar, pl. adhrir. Die erwägung dieſer doppelform hat für das part. praet. ſcheinbare wichtigkeit; Raſk §. 91. 93. 193. 194 nimmt eine ſchwankende erklä ung der beiderlei endungen an, ſo daß ihm galinn bald = galidhr, bald = galinr; galit bald = neutr. von galidhr, bald = ga- lint erſcheint. Ich glaube, galinn (die ſtarke form) ent- ſpringt nie aus galidhr (der ſchwachen) weil es ſonſt galinnr heißen würde. da nach obigem nicht nr, ſon- dern nur nnr zu dhr wird; hingegen kann galit aus galint gedeutet werden, oder auch aus galidht, indem es dann für galitt ſtünde. Man hat alſo eine ſtarke und ſchwache form galinn, galin, galint und galidhr, galidh, galit theoretiſch anzunehmen, deren fälle ſich practiſch durchkreuzen. Obiger buchſtabenwechſel nn: dh (ndh) wirkt hier gar nicht mit und überhaupt wirkt er nur in der wurzel nicht in flexionen, desgl. die partic. ſind. — Die ſpätere ausſprache vermiſcht (wie ll mit dl. rl. lr) nn mit dn. rn. nr; ſeinn (tardus) brûnn (fuſcus) wird geleſen ſeidn, ſeiddn, brûdn (Raſk §. 43. 58.), doch geſchieht es nur nach doppel- vocal; für einn, ſteinn ſchreiben einige eirn, ſteirn, weil auch rn in horn beinahe hodn, hordn; jârn beinahe jârdn, jâdn klingt; aus nr wird nn in minn (meus) hinn (ille) lëſinn (lectus) lëſinna (lectorum, f. lëſinra, alth. lëſanero) — rr. die aus rn. rs entſtanden ſind, finde ich fiarri (aber ſtiarna, hiarni); vërri (pejor) þurr (aridus), wogegen andere rs in ſſ übertreten (ſ. her- nach bei rs). Andere rr wird erſt fortgeſetzte unter- ſuchung beurtheilen lehren, vgl. harri (rex) narri (ſcurra) ſtarri (accipenſer) knörr, knarrar (navigium) korra (reſpi- rare) knurra (murmurare) etc. verbindungen. lm. lp. lf. lt. ld. ls. lk. lg. belege ſind ſ. 286. 290. 291. gegeben; ln. lr. keine organ. verbindung, ſondern ſtets aufzulöſen in l’n, l’r als: holr (cavus) ſalr U 2

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/333>, abgerufen am 22.11.2024.