Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

Bild:
<< vorherige Seite
I. angelsächsische vocale.
2) der umlaut. welcher im goth. völlig mangelt und im
alth. nur bei a in e sichtbar war, erscheint weit aus-
gebildeter, indem auch u in y, a in ae, o in e, au in y,
ea in y umlauten. Man bemerke aber theils die häu-
fige apocope und syncope des den umlaut bedingen-
den e oder i (bec, lys, ben, thencan, lysan, st. bece,
lyse, bene, thencean, lysean), theils das dadurch wohl
veranlaßte umgreifen des umlauts in formen, denen
kein solches e zugeschrieben werden kann, z. b. bryd
(sponsa) st. braud, benc st. banc, est (amor) st. ast. Für
keinen (von der endung i, e, abhäugigen) umlaut halte
ich den wechsel zwischen a, ä, ea, ie; i, e, eo, io;
u, o, y.
3) dem goth. steht das angels. näher als das alth. in o,
in a für ai, in ae für e; in au oder ou ist das alth.
verwandter, als ea.
4) die vocale der endungen schwächen sich nach ähnlichen
stufen, wie im alth. und statt der früheren a, u dringen
allmählig o und e, endlich letzteres allein vor; i ist
schon in den frühsten quellen als endung unerhört und
durch e vertreten, das ich nach seinem ursprung und
der wirkung des umlauts leicht bestimmen konnte;
ob es aber in der aussprache von dem das a und o
ersetzenden e zu unterscheiden sey, laße ich dahin-
gestellt. Von einer assimilation der vocale (oben s. 117.)
finde ich nichts gewisses (vgl. z. b. ofost mit efest?);
alle diese untersuchungen der unbetonten laute for-
dern zunächst critische bestimmung der zeiten und
mundarten, deren die angels. denkmähler noch ent-
behren. Die ältesten darunter scheinen von diplomen
des 9ten und 10ten jahrh. in dieser hinsicht nicht be-
deutend abzuweichen.


Angelsächsische consonanten.

Hier ist in der hauptsache entschiedene überein-
kunft mit dem goth. organismus und die alth. lautver-
schiebungen bleiben der angels. sprache fremd.

(L. M. N. R.) liquidae.

Die anlaute l. n. r. sind von den anlauten hl. hn. hr.
und vl. vr. genau verschieden und noch lange zeit, zu-
mahl letztere, da wr. sogar im engl. fortdauert. -- Der
auslaut m schwächt sich nirgends in n und nur schein-

Q 2
I. angelſächſiſche vocale.
2) der umlaut. welcher im goth. völlig mangelt und im
alth. nur bei a in e ſichtbar war, erſcheint weit aus-
gebildeter, indem auch u in y, â in æ, ô in ê, û in ŷ,
eá in ŷ umlauten. Man bemerke aber theils die häu-
fige apocope und ſyncope des den umlaut bedingen-
den ë oder i (bêc, lŷs, ben, þencan, lŷſan, ſt. bècë,
lŷſë, benë, þencëan, lŷſëan), theils das dadurch wohl
veranlaßte umgreifen des umlauts in formen, denen
kein ſolches ë zugeſchrieben werden kann, z. b. brŷd
(ſponſa) ſt. brûd, benc ſt. banc, eſt (amor) ſt. aſt. Für
keinen (von der endung i, ë, abhäugigen) umlaut halte
ich den wechſel zwiſchen a, ä, ëa, ie; i, ë, ëo, io;
u, o, y.
3) dem goth. ſteht das angelſ. näher als das alth. in ô,
in â für ai, in æ für ê; in au oder ou iſt das alth.
verwandter, als eá.
4) die vocale der endungen ſchwächen ſich nach ähnlichen
ſtufen, wie im alth. und ſtatt der früheren a, u dringen
allmählig o und e, endlich letzteres allein vor; i iſt
ſchon in den frühſten quellen als endung unerhört und
durch ë vertreten, das ich nach ſeinem urſprung und
der wirkung des umlauts leicht beſtimmen konnte;
ob es aber in der ausſprache von dem das a und o
erſetzenden e zu unterſcheiden ſey, laße ich dahin-
geſtellt. Von einer aſſimilation der vocale (oben ſ. 117.)
finde ich nichts gewiſſes (vgl. z. b. ôfoſt mit êfeſt?);
alle dieſe unterſuchungen der unbetonten laute for-
dern zunächſt critiſche beſtimmung der zeiten und
mundarten, deren die angelſ. denkmähler noch ent-
behren. Die älteſten darunter ſcheinen von diplomen
des 9ten und 10ten jahrh. in dieſer hinſicht nicht be-
deutend abzuweichen.


Angelſächſiſche conſonanten.

Hier iſt in der hauptſache entſchiedene überein-
kunft mit dem goth. organiſmus und die alth. lautver-
ſchiebungen bleiben der angelſ. ſprache fremd.

(L. M. N. R.) liquidae.

Die anlaute l. n. r. ſind von den anlauten hl. hn. hr.
und vl. vr. genau verſchieden und noch lange zeit, zu-
mahl letztere, da wr. ſogar im engl. fortdauert. — Der
auslaut m ſchwächt ſich nirgends in n und nur ſchein-

Q 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <list>
                <pb facs="#f0269" n="243"/>
                <fw place="top" type="header">I. <hi rendition="#i">angel&#x017F;äch&#x017F;i&#x017F;che vocale.</hi></fw><lb/>
                <item>2) der umlaut. welcher im goth. völlig mangelt und im<lb/>
alth. nur bei a in e &#x017F;ichtbar war, er&#x017F;cheint weit aus-<lb/>
gebildeter, indem auch u in y, â in æ, ô in ê, û in &#x0177;,<lb/>
eá in &#x0177; umlauten. Man bemerke aber theils die häu-<lb/>
fige apocope und &#x017F;yncope des den umlaut bedingen-<lb/>
den ë oder i (bêc, l&#x0177;s, ben, þencan, l&#x0177;&#x017F;an, &#x017F;t. bècë,<lb/>
l&#x0177;&#x017F;ë, benë, þencëan, l&#x0177;&#x017F;ëan), theils das dadurch wohl<lb/>
veranlaßte umgreifen des umlauts in formen, denen<lb/>
kein &#x017F;olches ë zuge&#x017F;chrieben werden kann, z. b. br&#x0177;d<lb/>
(&#x017F;pon&#x017F;a) &#x017F;t. brûd, benc &#x017F;t. banc, e&#x017F;t (amor) &#x017F;t. a&#x017F;t. Für<lb/>
keinen (von der endung i, ë, abhäugigen) umlaut halte<lb/>
ich den wech&#x017F;el zwi&#x017F;chen a, ä, ëa, ie; i, ë, ëo, io;<lb/>
u, o, y.</item><lb/>
                <item>3) dem goth. &#x017F;teht das angel&#x017F;. näher als das alth. in ô,<lb/>
in â für ai, in æ für ê; in au oder ou i&#x017F;t das alth.<lb/>
verwandter, als eá.</item><lb/>
                <item>4) die vocale der endungen &#x017F;chwächen &#x017F;ich nach ähnlichen<lb/>
&#x017F;tufen, wie im alth. und &#x017F;tatt der früheren a, u dringen<lb/>
allmählig o und e, endlich letzteres allein vor; i i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;chon in den früh&#x017F;ten quellen als endung unerhört und<lb/>
durch ë vertreten, das ich nach &#x017F;einem ur&#x017F;prung und<lb/>
der wirkung des umlauts leicht be&#x017F;timmen konnte;<lb/>
ob es aber in der aus&#x017F;prache von dem das a und o<lb/>
er&#x017F;etzenden e zu unter&#x017F;cheiden &#x017F;ey, laße ich dahin-<lb/>
ge&#x017F;tellt. Von einer a&#x017F;&#x017F;imilation der vocale (oben &#x017F;. 117.)<lb/>
finde ich nichts gewi&#x017F;&#x017F;es (vgl. z. b. ôfo&#x017F;t mit êfe&#x017F;t?);<lb/>
alle die&#x017F;e unter&#x017F;uchungen der unbetonten laute for-<lb/>
dern zunäch&#x017F;t criti&#x017F;che be&#x017F;timmung der zeiten und<lb/>
mundarten, deren die angel&#x017F;. denkmähler noch ent-<lb/>
behren. Die älte&#x017F;ten darunter &#x017F;cheinen von diplomen<lb/>
des 9ten und 10ten jahrh. in die&#x017F;er hin&#x017F;icht nicht be-<lb/>
deutend abzuweichen.</item>
              </list>
            </div>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#i">Angel&#x017F;äch&#x017F;i&#x017F;che con&#x017F;onanten.</hi> </head><lb/>
            <p>Hier i&#x017F;t in der haupt&#x017F;ache ent&#x017F;chiedene überein-<lb/>
kunft mit dem goth. organi&#x017F;mus und die alth. lautver-<lb/>
&#x017F;chiebungen bleiben der angel&#x017F;. &#x017F;prache fremd.</p><lb/>
            <div n="4">
              <head>(L. M. N. R.) <hi rendition="#i">liquidae.</hi></head><lb/>
              <p>Die anlaute l. n. r. &#x017F;ind von den anlauten hl. hn. hr.<lb/>
und vl. vr. genau ver&#x017F;chieden und noch lange zeit, zu-<lb/>
mahl letztere, da wr. &#x017F;ogar im engl. fortdauert. &#x2014; Der<lb/>
auslaut m &#x017F;chwächt &#x017F;ich nirgends in n und nur &#x017F;chein-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Q 2</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[243/0269] I. angelſächſiſche vocale. 2) der umlaut. welcher im goth. völlig mangelt und im alth. nur bei a in e ſichtbar war, erſcheint weit aus- gebildeter, indem auch u in y, â in æ, ô in ê, û in ŷ, eá in ŷ umlauten. Man bemerke aber theils die häu- fige apocope und ſyncope des den umlaut bedingen- den ë oder i (bêc, lŷs, ben, þencan, lŷſan, ſt. bècë, lŷſë, benë, þencëan, lŷſëan), theils das dadurch wohl veranlaßte umgreifen des umlauts in formen, denen kein ſolches ë zugeſchrieben werden kann, z. b. brŷd (ſponſa) ſt. brûd, benc ſt. banc, eſt (amor) ſt. aſt. Für keinen (von der endung i, ë, abhäugigen) umlaut halte ich den wechſel zwiſchen a, ä, ëa, ie; i, ë, ëo, io; u, o, y. 3) dem goth. ſteht das angelſ. näher als das alth. in ô, in â für ai, in æ für ê; in au oder ou iſt das alth. verwandter, als eá. 4) die vocale der endungen ſchwächen ſich nach ähnlichen ſtufen, wie im alth. und ſtatt der früheren a, u dringen allmählig o und e, endlich letzteres allein vor; i iſt ſchon in den frühſten quellen als endung unerhört und durch ë vertreten, das ich nach ſeinem urſprung und der wirkung des umlauts leicht beſtimmen konnte; ob es aber in der ausſprache von dem das a und o erſetzenden e zu unterſcheiden ſey, laße ich dahin- geſtellt. Von einer aſſimilation der vocale (oben ſ. 117.) finde ich nichts gewiſſes (vgl. z. b. ôfoſt mit êfeſt?); alle dieſe unterſuchungen der unbetonten laute for- dern zunächſt critiſche beſtimmung der zeiten und mundarten, deren die angelſ. denkmähler noch ent- behren. Die älteſten darunter ſcheinen von diplomen des 9ten und 10ten jahrh. in dieſer hinſicht nicht be- deutend abzuweichen. Angelſächſiſche conſonanten. Hier iſt in der hauptſache entſchiedene überein- kunft mit dem goth. organiſmus und die alth. lautver- ſchiebungen bleiben der angelſ. ſprache fremd. (L. M. N. R.) liquidae. Die anlaute l. n. r. ſind von den anlauten hl. hn. hr. und vl. vr. genau verſchieden und noch lange zeit, zu- mahl letztere, da wr. ſogar im engl. fortdauert. — Der auslaut m ſchwächt ſich nirgends in n und nur ſchein- Q 2

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/269
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/269>, abgerufen am 18.12.2024.