Nach dieser auseinandersetzung wird nähere ein- sicht in das wesen des angels. ä möglich seyn, das in den übrigen deutschen sprachen kaum etwas analoges hat. Es unterscheidet sich 1) von dem e, dem umlaute des a, denn es wird nicht durch die endung e hervor- gebracht; die endung e, bei der es zuweilen eintritt, ist theils kein solches e, sondern ein unbetontes, abge- schwächtes, theils findet es häufig bei auslautendem oder dopp. cons., folglich ohne ein endungs-e statt. Wirklich vermischen auch die hss. ä und e selten mit- einander, man wird weder ber, meg für bär (tulit) mäg (valet) noch fäle, häre f. sele (aula) here (exerc.) finden. 2) von dem e, z. b. veg (via) regn, ren (pluvia) lautet anders als vägn, vän (currus) mägen (vis) etc. 3) von dem langen e, umlaute des o. 4) von dem lan- gen ae, denn wörter, die letzteres haben, behalten es durchaus bei, wenn schon a, o, u in der endung folgt; da es folglich mael (momentum) gen. u. dat. pl. maela, maelum heißt, so darf man nicht daeg (dies) sondern nur däg schreiben, gen. und dat. pl. daga, dagum. ä und ae verhalten sich genau zueinander, wie das alth. a: a, vgl. läg (jacebat) laegon (jacebant) alth. lag, lagun. Hier noch einige beispiele von dergleichen, in genauer screi- bung wohl unterschiedenen lauten: fefer (febris) frefer (solatium) fegan (jungere) fäger (pulcher) veg (via) ve- gan (eludere) praet. väg, pl. vaegon; vägen (plaustrum) vaeg (fluctus) vah, vages (paries). -- Ohne zweifel also muß ä als ein kurzer *), quantitativ dem a gleicher laut, nicht als ein umlaut, sondern als eine trübung des reinen a betrachtet werden, die sich am füglichsten der trübung des i in e, des u in o vergleichen läßt, welche ansicht dadurch bestätigung empfängt, daß neben dem ä ein ea, wie neben dem e ein eo aus a und i erwach- sen. Dies wurde schon vorhin s. 224. angedeutet, hier bemerke ich weiter a) das verhältniß zwischen i und e hat sich in mehrern deutschen zungen, das zwischen a und ä hauptsächlich in der angels. hervorgethan. b) je- nes ist schwankend, dieses dadurch gesicherter, daß es mehr von endungsvocalen abhängt. Denn auch im an- gels. behält veg (via) sein e überall bei und bekommt nicht im pl. etwa vigas, viga. g) das verhältniß i und e spricht sich besonders im sg. und pl. praes. starker
*) Es duldet gemination hinter sich.
I. angelſächſiſche vocale.
Nach dieſer auseinanderſetzung wird nähere ein- ſicht in das weſen des angelſ. ä möglich ſeyn, das in den übrigen deutſchen ſprachen kaum etwas analoges hat. Es unterſcheidet ſich 1) von dem e, dem umlaute des a, denn es wird nicht durch die endung ë hervor- gebracht; die endung e, bei der es zuweilen eintritt, iſt theils kein ſolches ë, ſondern ein unbetontes, abge- ſchwächtes, theils findet es häufig bei auslautendem oder dopp. conſ., folglich ohne ein endungs-ë ſtatt. Wirklich vermiſchen auch die hſſ. ä und e ſelten mit- einander, man wird weder ber, meg für bär (tulit) mäg (valet) noch fälë, härë f. ſelë (aula) herë (exerc.) finden. 2) von dem ë, z. b. vëg (via) rëgn, rën (pluvia) lautet anders als vägn, vän (currus) mägen (vis) etc. 3) von dem langen ê, umlaute des ô. 4) von dem lan- gen æ, denn wörter, die letzteres haben, behalten es durchaus bei, wenn ſchon a, o, u in der endung folgt; da es folglich mæl (momentum) gen. u. dat. pl. mæla, mælum heißt, ſo darf man nicht dæg (dies) ſondern nur däg ſchreiben, gen. und dat. pl. daga, dagum. ä und æ verhalten ſich genau zueinander, wie das alth. a: â, vgl. läg (jacebat) lægon (jacebant) alth. lag, lâgun. Hier noch einige beiſpiele von dergleichen, in genauer ſcrei- bung wohl unterſchiedenen lauten: fëfer (febris) frêfer (ſolatium) fêgan (jungere) fäger (pulcher) vëg (via) vë- gan (eludere) praet. väg, pl. vægon; vägen (plauſtrum) væg (fluctus) vâh, vâges (paries). — Ohne zweifel alſo muß ä als ein kurzer *), quantitativ dem a gleicher laut, nicht als ein umlaut, ſondern als eine trübung des reinen a betrachtet werden, die ſich am füglichſten der trübung des i in ë, des u in o vergleichen läßt, welche anſicht dadurch beſtätigung empfängt, daß neben dem ä ein ëa, wie neben dem ë ein ëo aus a und i erwach- ſen. Dies wurde ſchon vorhin ſ. 224. angedeutet, hier bemerke ich weiter α) das verhältniß zwiſchen i und ë hat ſich in mehrern deutſchen zungen, das zwiſchen a und ä hauptſächlich in der angelſ. hervorgethan. β) je- nes iſt ſchwankend, dieſes dadurch geſicherter, daß es mehr von endungsvocalen abhängt. Denn auch im an- gelſ. behält vëg (via) ſein ë überall bei und bekommt nicht im pl. etwa vigas, viga. γ) das verhältniß i und ë ſpricht ſich beſonders im ſg. und pl. praeſ. ſtarker
*) Es duldet gemination hinter ſich.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0260"n="234"/><fwplace="top"type="header">I. <hirendition="#i">angelſächſiſche vocale.</hi></fw><lb/><p>Nach dieſer auseinanderſetzung wird nähere ein-<lb/>ſicht in das weſen des angelſ. ä möglich ſeyn, das in<lb/>
den übrigen deutſchen ſprachen kaum etwas analoges<lb/>
hat. Es unterſcheidet ſich 1) von dem e, dem umlaute<lb/>
des a, denn es wird nicht durch die endung ë hervor-<lb/>
gebracht; die endung e, bei der es zuweilen eintritt,<lb/>
iſt theils kein ſolches ë, ſondern ein unbetontes, abge-<lb/>ſchwächtes, theils findet es häufig bei auslautendem<lb/>
oder dopp. conſ., folglich ohne ein endungs-ë ſtatt.<lb/>
Wirklich vermiſchen auch die hſſ. ä und e ſelten mit-<lb/>
einander, man wird weder ber, meg für bär (tulit)<lb/>
mäg (valet) noch fälë, härë f. ſelë (aula) herë (exerc.)<lb/>
finden. 2) von dem ë, z. b. vëg (via) rëgn, rën (pluvia)<lb/>
lautet anders als vägn, vän (currus) mägen (vis) etc.<lb/>
3) von dem langen ê, umlaute des ô. 4) von dem lan-<lb/>
gen æ, denn wörter, die letzteres haben, behalten es<lb/>
durchaus bei, wenn ſchon a, o, u in der endung folgt;<lb/>
da es folglich mæl (momentum) gen. u. dat. pl. mæla,<lb/>
mælum heißt, ſo darf man nicht dæg (dies) ſondern nur<lb/>
däg ſchreiben, gen. und dat. pl. daga, dagum. ä und<lb/>
æ verhalten ſich genau zueinander, wie das alth. a: â,<lb/>
vgl. läg (jacebat) lægon (jacebant) alth. lag, lâgun. Hier<lb/>
noch einige beiſpiele von dergleichen, in genauer ſcrei-<lb/>
bung wohl unterſchiedenen lauten: fëfer (febris) frêfer<lb/>
(ſolatium) fêgan (jungere) fäger (pulcher) vëg (via) vë-<lb/>
gan (eludere) praet. väg, pl. vægon; vägen (plauſtrum)<lb/>
væg (fluctus) vâh, vâges (paries). — Ohne zweifel alſo<lb/>
muß ä als ein kurzer <noteplace="foot"n="*)">Es duldet gemination hinter ſich.</note>, quantitativ dem a gleicher<lb/>
laut, nicht als ein umlaut, ſondern als eine trübung des<lb/>
reinen a betrachtet werden, die ſich am füglichſten der<lb/>
trübung des i in ë, des u in o vergleichen läßt, welche<lb/>
anſicht dadurch beſtätigung empfängt, daß neben dem<lb/>
ä ein ëa, wie neben dem ë ein ëo aus a und i erwach-<lb/>ſen. Dies wurde ſchon vorhin ſ. 224. angedeutet, hier<lb/>
bemerke ich weiter <hirendition="#i">α</hi>) das verhältniß zwiſchen i und ë<lb/>
hat ſich in mehrern deutſchen zungen, das zwiſchen a<lb/>
und ä hauptſächlich in der angelſ. hervorgethan. <hirendition="#i">β</hi>) je-<lb/>
nes iſt ſchwankend, dieſes dadurch geſicherter, daß es<lb/>
mehr von endungsvocalen abhängt. Denn auch im an-<lb/>
gelſ. behält vëg (via) ſein ë überall bei und bekommt<lb/>
nicht im pl. etwa vigas, viga. <hirendition="#i">γ</hi>) das verhältniß i und<lb/>
ë ſpricht ſich beſonders im ſg. und pl. praeſ. ſtarker<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[234/0260]
I. angelſächſiſche vocale.
Nach dieſer auseinanderſetzung wird nähere ein-
ſicht in das weſen des angelſ. ä möglich ſeyn, das in
den übrigen deutſchen ſprachen kaum etwas analoges
hat. Es unterſcheidet ſich 1) von dem e, dem umlaute
des a, denn es wird nicht durch die endung ë hervor-
gebracht; die endung e, bei der es zuweilen eintritt,
iſt theils kein ſolches ë, ſondern ein unbetontes, abge-
ſchwächtes, theils findet es häufig bei auslautendem
oder dopp. conſ., folglich ohne ein endungs-ë ſtatt.
Wirklich vermiſchen auch die hſſ. ä und e ſelten mit-
einander, man wird weder ber, meg für bär (tulit)
mäg (valet) noch fälë, härë f. ſelë (aula) herë (exerc.)
finden. 2) von dem ë, z. b. vëg (via) rëgn, rën (pluvia)
lautet anders als vägn, vän (currus) mägen (vis) etc.
3) von dem langen ê, umlaute des ô. 4) von dem lan-
gen æ, denn wörter, die letzteres haben, behalten es
durchaus bei, wenn ſchon a, o, u in der endung folgt;
da es folglich mæl (momentum) gen. u. dat. pl. mæla,
mælum heißt, ſo darf man nicht dæg (dies) ſondern nur
däg ſchreiben, gen. und dat. pl. daga, dagum. ä und
æ verhalten ſich genau zueinander, wie das alth. a: â,
vgl. läg (jacebat) lægon (jacebant) alth. lag, lâgun. Hier
noch einige beiſpiele von dergleichen, in genauer ſcrei-
bung wohl unterſchiedenen lauten: fëfer (febris) frêfer
(ſolatium) fêgan (jungere) fäger (pulcher) vëg (via) vë-
gan (eludere) praet. väg, pl. vægon; vägen (plauſtrum)
væg (fluctus) vâh, vâges (paries). — Ohne zweifel alſo
muß ä als ein kurzer *), quantitativ dem a gleicher
laut, nicht als ein umlaut, ſondern als eine trübung des
reinen a betrachtet werden, die ſich am füglichſten der
trübung des i in ë, des u in o vergleichen läßt, welche
anſicht dadurch beſtätigung empfängt, daß neben dem
ä ein ëa, wie neben dem ë ein ëo aus a und i erwach-
ſen. Dies wurde ſchon vorhin ſ. 224. angedeutet, hier
bemerke ich weiter α) das verhältniß zwiſchen i und ë
hat ſich in mehrern deutſchen zungen, das zwiſchen a
und ä hauptſächlich in der angelſ. hervorgethan. β) je-
nes iſt ſchwankend, dieſes dadurch geſicherter, daß es
mehr von endungsvocalen abhängt. Denn auch im an-
gelſ. behält vëg (via) ſein ë überall bei und bekommt
nicht im pl. etwa vigas, viga. γ) das verhältniß i und
ë ſpricht ſich beſonders im ſg. und pl. praeſ. ſtarker
*) Es duldet gemination hinter ſich.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/260>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.