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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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I. althochdeutsche consonanten. linguales.
Merkwürdige ähulichkeit dieser isidorischen orthogra-
phie z, tz, zs mit dem neuh. z, tz, ß; wiewohl sich
im mittelh. zwar kein unterschied im geschriebenen
z und ß, aber das einstimmende tz nachweisen läßt.
3) als einen andern beweis kann man ansehen, daß sich
zuweilen c für z (nicht für ß) bei folgendem e, e, ei, i, ei *),
also nur im an- und inlaut (nicht im auslaut) findet,
z. b. ceit K. 23b 26b 27b und in den gl. jun. ceit 245.
lucil 217. ceina (canistra) 175. celt (papilio) 176. ci
(praep.) 178. etc. cessod (fervor) gl. mons. 346. lohicent
(rutilant) gl. aug. 124b leidicit (detestatur) 122b 125a
ficisan (callere) 124b; selbst N. 34, 19. ficise (dolosi).
Auch dieser schreibung begegnet man nicht selten in
mittelh. hss. Sie ist aus dem latein. (seit man ce, ci
wie ze, zi sprach) entlehnt und entbehrlich, lehrt aber,
daß fuoßei nie fuozei gelautet hat, weil doch sonst ir-
gendwo ein fuocei vorkommen müste, wiewohl mir
hier das einzige crauci (crux) J. 373. 385. bedenken
macht, welches ich des vorausstehenden au halber für
craußi und nicht crauzi nehme (erst später entsprang die
aussprache creutz, wie weitzen st. weißi) und sollte
neben dem unlengbaren lucil = luzil ein schwankendes
liußil gegolten haben, weil bei J. 374. 405. liuzil, 372. 373.
sogar lyuzil steht? (aber nicht liuzsil; mehr über dies
wort unten beim adj.) Urk. des 8. 9. jahrh. zeigen
häufig c für z (Neng. index v. lucilaunawia, pacinwei-
da neben pazinweida etc.) doch in zoacinweilare möchte
man wieder ein ß vermuthen. -- Eigentlich beruht
die romanische vermischung der aussprache tia mit cia
auf einer tieferen berührung des lingual- und guttu-
ralsystems. die sich auch sonst spüren läßt, z. b. nux,
nucis entspricht dem deutschen nuß, nußei, also frü-
her nut, nutei; vielleicht ist selbst crux, crucis dem
angels. rod verwandt. Und das neuh. kauz (bubo)
war noch im mittelh. chouch (goth. kauks?)
4) an sich fällt die unterscheidung zwischen z und ß
auf, da beiden im goth. sächs. nord. die reine tenuis
parallel steht und keine abstusung dieser für in- und
auslant gespürt wird. Und da, nach dem vorhin
s. 152 ff. ausgeführten, auch im alth. eine anfängliche
ten. und allmähliger übergang derselben in den zisch-
*) Ein cu für zu (Benecke Wig. 628.) ist tadelnswerth und
sehr selten (gl. aug. 126b cuge, ductu.)
L 2
I. althochdeutſche conſonanten. linguales.
Merkwürdige ähulichkeit dieſer iſidoriſchen orthogra-
phie z, tz, zſ mit dem neuh. z, tz, ß; wiewohl ſich
im mittelh. zwar kein unterſchied im geſchriebenen
z und Ʒ, aber das einſtimmende tz nachweiſen läßt.
3) als einen andern beweis kann man anſehen, daß ſich
zuweilen c für z (nicht für Ʒ) bei folgendem e, ë, ei, i, î *),
alſo nur im an- und inlaut (nicht im auslaut) findet,
z. b. cît K. 23b 26b 27b und in den gl. jun. cît 245.
lucil 217. ceina (caniſtra) 175. cëlt (papilio) 176. ci
(praep.) 178. etc. cëſſôd (fervor) gl. monſ. 346. lôhicent
(rutilant) gl. aug. 124b leidicit (deteſtatur) 122b 125a
ficiſan (callere) 124b; ſelbſt N. 34, 19. ficiſe (doloſi).
Auch dieſer ſchreibung begegnet man nicht ſelten in
mittelh. hſſ. Sie iſt aus dem latein. (ſeit man ce, ci
wie ze, zi ſprach) entlehnt und entbehrlich, lehrt aber,
daß fuoƷî nie fuozî gelautet hat, weil doch ſonſt ir-
gendwo ein fuocî vorkommen müſte, wiewohl mir
hier das einzige crûci (crux) J. 373. 385. bedenken
macht, welches ich des vorausſtehenden û halber für
crûƷi und nicht crûzi nehme (erſt ſpäter entſprang die
ausſprache creutz, wie weitzen ſt. weiƷi) und ſollte
neben dem unlengbaren lucil = luzil ein ſchwankendes
liuƷil gegolten haben, weil bei J. 374. 405. liuzil, 372. 373.
ſogar lyuzil ſteht? (aber nicht liuzſil; mehr über dies
wort unten beim adj.) Urk. des 8. 9. jahrh. zeigen
häufig c für z (Neng. index v. lucilûnawia, pacinwei-
da neben pazinweida etc.) doch in zoacinwîlâre möchte
man wieder ein Ʒ vermuthen. — Eigentlich beruht
die romaniſche vermiſchung der ausſprache tia mit cia
auf einer tieferen berührung des lingual- und guttu-
ralſyſtems. die ſich auch ſonſt ſpüren läßt, z. b. nux,
nucis entſpricht dem deutſchen nuƷ, nuƷî, alſo frü-
her nut, nutî; vielleicht iſt ſelbſt crux, crucis dem
angelſ. rôd verwandt. Und das neuh. kauz (bubo)
war noch im mittelh. chouch (goth. kauks?)
4) an ſich fällt die unterſcheidung zwiſchen z und Ʒ
auf, da beiden im goth. ſächſ. nord. die reine tenuis
parallel ſteht und keine abſtuſung dieſer für in- und
auslant geſpürt wird. Und da, nach dem vorhin
ſ. 152 ff. ausgeführten, auch im alth. eine anfängliche
ten. und allmähliger übergang derſelben in den ziſch-
*) Ein cu für zu (Benecke Wig. 628.) iſt tadelnswerth und
ſehr ſelten (gl. aug. 126b cuge, ductu.)
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[163/0189] I. althochdeutſche conſonanten. linguales. Merkwürdige ähulichkeit dieſer iſidoriſchen orthogra- phie z, tz, zſ mit dem neuh. z, tz, ß; wiewohl ſich im mittelh. zwar kein unterſchied im geſchriebenen z und Ʒ, aber das einſtimmende tz nachweiſen läßt. 3) als einen andern beweis kann man anſehen, daß ſich zuweilen c für z (nicht für Ʒ) bei folgendem e, ë, ei, i, î *), alſo nur im an- und inlaut (nicht im auslaut) findet, z. b. cît K. 23b 26b 27b und in den gl. jun. cît 245. lucil 217. ceina (caniſtra) 175. cëlt (papilio) 176. ci (praep.) 178. etc. cëſſôd (fervor) gl. monſ. 346. lôhicent (rutilant) gl. aug. 124b leidicit (deteſtatur) 122b 125a ficiſan (callere) 124b; ſelbſt N. 34, 19. ficiſe (doloſi). Auch dieſer ſchreibung begegnet man nicht ſelten in mittelh. hſſ. Sie iſt aus dem latein. (ſeit man ce, ci wie ze, zi ſprach) entlehnt und entbehrlich, lehrt aber, daß fuoƷî nie fuozî gelautet hat, weil doch ſonſt ir- gendwo ein fuocî vorkommen müſte, wiewohl mir hier das einzige crûci (crux) J. 373. 385. bedenken macht, welches ich des vorausſtehenden û halber für crûƷi und nicht crûzi nehme (erſt ſpäter entſprang die ausſprache creutz, wie weitzen ſt. weiƷi) und ſollte neben dem unlengbaren lucil = luzil ein ſchwankendes liuƷil gegolten haben, weil bei J. 374. 405. liuzil, 372. 373. ſogar lyuzil ſteht? (aber nicht liuzſil; mehr über dies wort unten beim adj.) Urk. des 8. 9. jahrh. zeigen häufig c für z (Neng. index v. lucilûnawia, pacinwei- da neben pazinweida etc.) doch in zoacinwîlâre möchte man wieder ein Ʒ vermuthen. — Eigentlich beruht die romaniſche vermiſchung der ausſprache tia mit cia auf einer tieferen berührung des lingual- und guttu- ralſyſtems. die ſich auch ſonſt ſpüren läßt, z. b. nux, nucis entſpricht dem deutſchen nuƷ, nuƷî, alſo frü- her nut, nutî; vielleicht iſt ſelbſt crux, crucis dem angelſ. rôd verwandt. Und das neuh. kauz (bubo) war noch im mittelh. chouch (goth. kauks?) 4) an ſich fällt die unterſcheidung zwiſchen z und Ʒ auf, da beiden im goth. ſächſ. nord. die reine tenuis parallel ſteht und keine abſtuſung dieſer für in- und auslant geſpürt wird. Und da, nach dem vorhin ſ. 152 ff. ausgeführten, auch im alth. eine anfängliche ten. und allmähliger übergang derſelben in den ziſch- *) Ein cu für zu (Benecke Wig. 628.) iſt tadelnswerth und ſehr ſelten (gl. aug. 126b cuge, ductu.) L 2

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/189>, abgerufen am 02.05.2024.