Grillparzer, Franz: Der arme Spielmann. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 275–344. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.sprach ich, erinnern Sie mich auf einen Umstand, der schon früher meine Neugier rege machte! Ihre heutige Einnahme scheint nicht die beste gewesen zu sein, und doch entfernen Sie sich in einem Augenblicke, wo eben die eigentliche Ernte angeht. Das Fest dauert, wissen Sie wohl, die ganze Nacht, und Sie könnten da leicht mehr gewinnen als an acht gewöhnlichen Tagen. Wie soll ich mir das erklären? Wie Sie sich das erklären sollen? versetzte der Alte. Verzeihen Sie, ich weiß nicht, wer Sie sind, aber Sie müssen ein wohlthätiger Herr sein und ein Freund der Musik, dabei zog er das Silberstück noch einmal aus der Tasche und drückte es zwischen seine gegen die Brust gehobenen Hände. Ich will Ihnen daher nur die Ursachen angeben, obgleich ich oft deßhalb verlacht worden bin. Erstens war ich nie ein Nachtschwärmer und halte es auch nicht für recht, Andere durch Spiel und Gesang zu einem solchen widerlichen Vergehen anzureizen; zweitens muß sich der Mensch in allen Dingen eine gewisse Ordnung festsetzen, sonst geräth er ins Wilde und Unaufhaltsame. Drittens endlich -- Herr! ich spiele den ganzen Tag für die lärmenden Leute, und gewinne kaum kärglich Brod dabei; aber der Abend gehört mir und meiner armen Kunst. Abends halte ich mich zu Hause und -- dabei ward seine Rede immer leiser, Röthe überzog sein Gesicht, sein Auge suchte den Boden -- da spiele ich denn aus der sprach ich, erinnern Sie mich auf einen Umstand, der schon früher meine Neugier rege machte! Ihre heutige Einnahme scheint nicht die beste gewesen zu sein, und doch entfernen Sie sich in einem Augenblicke, wo eben die eigentliche Ernte angeht. Das Fest dauert, wissen Sie wohl, die ganze Nacht, und Sie könnten da leicht mehr gewinnen als an acht gewöhnlichen Tagen. Wie soll ich mir das erklären? Wie Sie sich das erklären sollen? versetzte der Alte. Verzeihen Sie, ich weiß nicht, wer Sie sind, aber Sie müssen ein wohlthätiger Herr sein und ein Freund der Musik, dabei zog er das Silberstück noch einmal aus der Tasche und drückte es zwischen seine gegen die Brust gehobenen Hände. Ich will Ihnen daher nur die Ursachen angeben, obgleich ich oft deßhalb verlacht worden bin. Erstens war ich nie ein Nachtschwärmer und halte es auch nicht für recht, Andere durch Spiel und Gesang zu einem solchen widerlichen Vergehen anzureizen; zweitens muß sich der Mensch in allen Dingen eine gewisse Ordnung festsetzen, sonst geräth er ins Wilde und Unaufhaltsame. Drittens endlich — Herr! ich spiele den ganzen Tag für die lärmenden Leute, und gewinne kaum kärglich Brod dabei; aber der Abend gehört mir und meiner armen Kunst. Abends halte ich mich zu Hause und — dabei ward seine Rede immer leiser, Röthe überzog sein Gesicht, sein Auge suchte den Boden — da spiele ich denn aus der <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="0"> <p><pb facs="#f0016"/> sprach ich, erinnern Sie mich auf einen Umstand, der schon früher meine Neugier rege machte! Ihre heutige Einnahme scheint nicht die beste gewesen zu sein, und doch entfernen Sie sich in einem Augenblicke, wo eben die eigentliche Ernte angeht. Das Fest dauert, wissen Sie wohl, die ganze Nacht, und Sie könnten da leicht mehr gewinnen als an acht gewöhnlichen Tagen. Wie soll ich mir das erklären?</p><lb/> <p>Wie Sie sich das erklären sollen? versetzte der Alte. Verzeihen Sie, ich weiß nicht, wer Sie sind, aber Sie müssen ein wohlthätiger Herr sein und ein Freund der Musik, dabei zog er das Silberstück noch einmal aus der Tasche und drückte es zwischen seine gegen die Brust gehobenen Hände. Ich will Ihnen daher nur die Ursachen angeben, obgleich ich oft deßhalb verlacht worden bin. Erstens war ich nie ein Nachtschwärmer und halte es auch nicht für recht, Andere durch Spiel und Gesang zu einem solchen widerlichen Vergehen anzureizen; zweitens muß sich der Mensch in allen Dingen eine gewisse Ordnung festsetzen, sonst geräth er ins Wilde und Unaufhaltsame. Drittens endlich — Herr! ich spiele den ganzen Tag für die lärmenden Leute, und gewinne kaum kärglich Brod dabei; aber der Abend gehört mir und meiner armen Kunst.</p><lb/> <p>Abends halte ich mich zu Hause und — dabei ward seine Rede immer leiser, Röthe überzog sein Gesicht, sein Auge suchte den Boden — da spiele ich denn aus der<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0016]
sprach ich, erinnern Sie mich auf einen Umstand, der schon früher meine Neugier rege machte! Ihre heutige Einnahme scheint nicht die beste gewesen zu sein, und doch entfernen Sie sich in einem Augenblicke, wo eben die eigentliche Ernte angeht. Das Fest dauert, wissen Sie wohl, die ganze Nacht, und Sie könnten da leicht mehr gewinnen als an acht gewöhnlichen Tagen. Wie soll ich mir das erklären?
Wie Sie sich das erklären sollen? versetzte der Alte. Verzeihen Sie, ich weiß nicht, wer Sie sind, aber Sie müssen ein wohlthätiger Herr sein und ein Freund der Musik, dabei zog er das Silberstück noch einmal aus der Tasche und drückte es zwischen seine gegen die Brust gehobenen Hände. Ich will Ihnen daher nur die Ursachen angeben, obgleich ich oft deßhalb verlacht worden bin. Erstens war ich nie ein Nachtschwärmer und halte es auch nicht für recht, Andere durch Spiel und Gesang zu einem solchen widerlichen Vergehen anzureizen; zweitens muß sich der Mensch in allen Dingen eine gewisse Ordnung festsetzen, sonst geräth er ins Wilde und Unaufhaltsame. Drittens endlich — Herr! ich spiele den ganzen Tag für die lärmenden Leute, und gewinne kaum kärglich Brod dabei; aber der Abend gehört mir und meiner armen Kunst.
Abends halte ich mich zu Hause und — dabei ward seine Rede immer leiser, Röthe überzog sein Gesicht, sein Auge suchte den Boden — da spiele ich denn aus der
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/grillparzer_spielmann_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/grillparzer_spielmann_1910/16 |
Zitationshilfe: | Grillparzer, Franz: Der arme Spielmann. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 275–344. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grillparzer_spielmann_1910/16>, abgerufen am 16.02.2025. |