Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grillparzer, Franz: Sappho. Trauerspiel in fünf Aufzügen. Wien, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite
Phaon.
Wie? gehen soll ich?
Nur eines laß mich, Sappho, dir noch sagen --
Sappho (winkt noch einmahl.)
Phaon.
Du willst nicht hören? Ich soll gehn? -- Ich gehe!
(ab.)
Zweyter Auftritt.
Sappho allein,
(nach einer Pause.)
Der Bogen klang,
(die Hände über der Brust zusammenschlagend.)
es sitzt der Pfeil! --
Wer zweifelt länger noch? Klar ist es, klar!
Sie lebt in seinem schwurvergess'nen Herzen,
Sie schwebt vor seiner schamentblößten Stirn,
In ihre Hülle kleiden sich die Träume,
Die schmeichelnd sich des Falschen Lager nahn.
Sappho verschmäht, um ihrer Sklavinn willen?
Verschmähet! Wer? Beym Himmel! und von wem?
Bin ich dieselbe Sappho denn nicht mehr,
Die Könige zu ihren Füßen sah,
Und, spielend mit der dargebothnen Krone,
Die Stolzen sah und hörte, und -- entließ;
Dieselbe Sappho, die ganz Griechenland
Phaon.
Wie? gehen ſoll ich?
Nur eines laß mich, Sappho, dir noch ſagen —
Sappho (winkt noch einmahl.)
Phaon.
Du willſt nicht hören? Ich ſoll gehn? — Ich gehe!
(ab.)
Zweyter Auftritt.
Sappho allein,
(nach einer Pauſe.)
Der Bogen klang,
(die Hände über der Bruſt zuſammenſchlagend.)
es ſitzt der Pfeil! —
Wer zweifelt länger noch? Klar iſt es, klar!
Sie lebt in ſeinem ſchwurvergeſſ'nen Herzen,
Sie ſchwebt vor ſeiner ſchamentblößten Stirn,
In ihre Hülle kleiden ſich die Träume,
Die ſchmeichelnd ſich des Falſchen Lager nahn.
Sappho verſchmäht, um ihrer Sklavinn willen?
Verſchmähet! Wer? Beym Himmel! und von wem?
Bin ich dieſelbe Sappho denn nicht mehr,
Die Könige zu ihren Füßen ſah,
Und, ſpielend mit der dargebothnen Krone,
Die Stolzen ſah und hörte, und — entließ;
Dieſelbe Sappho, die ganz Griechenland
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0066" n="56"/>
          <sp who="#PHA">
            <speaker><hi rendition="#g">Phaon</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Wie? gehen &#x017F;oll ich?<lb/>
Nur eines laß mich, Sappho, dir noch &#x017F;agen &#x2014;</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#SAP">
            <speaker> <hi rendition="#g">Sappho</hi> </speaker>
            <stage>(winkt noch einmahl.)</stage>
          </sp><lb/>
          <sp who="#PHA">
            <speaker><hi rendition="#g">Phaon</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Du will&#x017F;t nicht hören? Ich &#x017F;oll gehn? &#x2014; Ich gehe!</p><lb/>
            <stage>(ab.)</stage>
          </sp>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Zweyter Auftritt</hi>.</head><lb/>
          <sp who="#SAP">
            <speaker> <hi rendition="#g">Sappho</hi> </speaker>
            <stage>allein,</stage><lb/>
            <stage>(nach einer Pau&#x017F;e.)</stage><lb/>
            <p>Der Bogen klang,</p><lb/>
            <stage>(die Hände über der Bru&#x017F;t zu&#x017F;ammen&#x017F;chlagend.)</stage><lb/>
            <p>es &#x017F;itzt der Pfeil! &#x2014;<lb/>
Wer zweifelt länger noch? Klar i&#x017F;t es, klar!<lb/><hi rendition="#g">Sie</hi> lebt in &#x017F;einem &#x017F;chwurverge&#x017F;&#x017F;'nen Herzen,<lb/><hi rendition="#g">Sie</hi> &#x017F;chwebt vor &#x017F;einer &#x017F;chamentblößten Stirn,<lb/>
In <hi rendition="#g">ihre</hi> Hülle kleiden &#x017F;ich die Träume,<lb/>
Die &#x017F;chmeichelnd &#x017F;ich des Fal&#x017F;chen Lager nahn.<lb/>
Sappho ver&#x017F;chmäht, um ihrer Sklavinn willen?<lb/>
Ver&#x017F;chmähet! Wer? Beym Himmel! und von wem?<lb/>
Bin ich die&#x017F;elbe Sappho denn nicht mehr,<lb/>
Die Könige zu ihren Füßen &#x017F;ah,<lb/>
Und, &#x017F;pielend mit der dargebothnen Krone,<lb/>
Die Stolzen &#x017F;ah und hörte, und &#x2014; entließ;<lb/>
Die&#x017F;elbe Sappho, die ganz Griechenland<lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[56/0066] Phaon. Wie? gehen ſoll ich? Nur eines laß mich, Sappho, dir noch ſagen — Sappho (winkt noch einmahl.) Phaon. Du willſt nicht hören? Ich ſoll gehn? — Ich gehe! (ab.) Zweyter Auftritt. Sappho allein, (nach einer Pauſe.) Der Bogen klang, (die Hände über der Bruſt zuſammenſchlagend.) es ſitzt der Pfeil! — Wer zweifelt länger noch? Klar iſt es, klar! Sie lebt in ſeinem ſchwurvergeſſ'nen Herzen, Sie ſchwebt vor ſeiner ſchamentblößten Stirn, In ihre Hülle kleiden ſich die Träume, Die ſchmeichelnd ſich des Falſchen Lager nahn. Sappho verſchmäht, um ihrer Sklavinn willen? Verſchmähet! Wer? Beym Himmel! und von wem? Bin ich dieſelbe Sappho denn nicht mehr, Die Könige zu ihren Füßen ſah, Und, ſpielend mit der dargebothnen Krone, Die Stolzen ſah und hörte, und — entließ; Dieſelbe Sappho, die ganz Griechenland

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grillparzer_sappho_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grillparzer_sappho_1819/66
Zitationshilfe: Grillparzer, Franz: Sappho. Trauerspiel in fünf Aufzügen. Wien, 1819, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grillparzer_sappho_1819/66>, abgerufen am 21.11.2024.