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Grillparzer, Franz: Sappho. Trauerspiel in fünf Aufzügen. Wien, 1819.

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Sappho (zurückstürzend.)
Ha!
Phaon.
Ah! Wer hat mich geweckt? Wer scheuchte neidisch
Des süßen Traumes Bilder von der Stirn? --
Du, Sappho? Sey gegrüßt! Ich wußt' es wohl,
Daß Holdes mir zur Seite stand, darum
War auch so hold' des Traumes Angesicht.
Du bist so trüb! Was fehlt dir? Ich bin froh!
Was mir den Busen ängstigend belastet,
Fast wunderähnlich ist's von mir gesunken,
Ich athme wieder unbeklemmt und frey;
Und gleich dem Armen, den ein jäher Sturz
Ins dunkle Reich der See hinabgeschleudert,
Wo Grausen herrscht und ängstlich dumpfes Bangen,
Wenn ihn empor nun hebt der Wellen Arm,
Und jetzt das heit're gold'ne Sonnenlicht,
Der Kuß der Luft, des Klanges freud'ge Stimme
Mit einemmahl um seine Sinne spielen:
So steh' ich freudetrunken, glücklich, selig,
Und wünsche mir, erliegend all' der Wonne,
Mehr Sinne, oder weniger Genuß.
Sappho (vor sich hin.)
Melitta!
Phaon.
Fröhlich, Liebe, sey und heiter!
Es ist so schön hier, o, so himmlisch schön!
Mit weichen Flügeln senkt der Sommer-Abend
Sappho (zurückſtürzend.)
Ha!
Phaon.
Ah! Wer hat mich geweckt? Wer ſcheuchte neidiſch
Des ſüßen Traumes Bilder von der Stirn? —
Du, Sappho? Sey gegrüßt! Ich wußt' es wohl,
Daß Holdes mir zur Seite ſtand, darum
War auch ſo hold' des Traumes Angeſicht.
Du biſt ſo trüb! Was fehlt dir? Ich bin froh!
Was mir den Buſen ängſtigend belaſtet,
Faſt wunderähnlich iſt's von mir geſunken,
Ich athme wieder unbeklemmt und frey;
Und gleich dem Armen, den ein jäher Sturz
Ins dunkle Reich der See hinabgeſchleudert,
Wo Grauſen herrſcht und ängſtlich dumpfes Bangen,
Wenn ihn empor nun hebt der Wellen Arm,
Und jetzt das heit're gold'ne Sonnenlicht,
Der Kuß der Luft, des Klanges freud'ge Stimme
Mit einemmahl um ſeine Sinne ſpielen:
So ſteh' ich freudetrunken, glücklich, ſelig,
Und wünſche mir, erliegend all' der Wonne,
Mehr Sinne, oder weniger Genuß.
Sappho (vor ſich hin.)
Melitta!
Phaon.
Fröhlich, Liebe, ſey und heiter!
Es iſt ſo ſchön hier, o, ſo himmliſch ſchön!
Mit weichen Flügeln ſenkt der Sommer-Abend
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[53/0063] Sappho (zurückſtürzend.) Ha! Phaon. Ah! Wer hat mich geweckt? Wer ſcheuchte neidiſch Des ſüßen Traumes Bilder von der Stirn? — Du, Sappho? Sey gegrüßt! Ich wußt' es wohl, Daß Holdes mir zur Seite ſtand, darum War auch ſo hold' des Traumes Angeſicht. Du biſt ſo trüb! Was fehlt dir? Ich bin froh! Was mir den Buſen ängſtigend belaſtet, Faſt wunderähnlich iſt's von mir geſunken, Ich athme wieder unbeklemmt und frey; Und gleich dem Armen, den ein jäher Sturz Ins dunkle Reich der See hinabgeſchleudert, Wo Grauſen herrſcht und ängſtlich dumpfes Bangen, Wenn ihn empor nun hebt der Wellen Arm, Und jetzt das heit're gold'ne Sonnenlicht, Der Kuß der Luft, des Klanges freud'ge Stimme Mit einemmahl um ſeine Sinne ſpielen: So ſteh' ich freudetrunken, glücklich, ſelig, Und wünſche mir, erliegend all' der Wonne, Mehr Sinne, oder weniger Genuß. Sappho (vor ſich hin.) Melitta! Phaon. Fröhlich, Liebe, ſey und heiter! Es iſt ſo ſchön hier, o, ſo himmliſch ſchön! Mit weichen Flügeln ſenkt der Sommer-Abend

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Zitationshilfe: Grillparzer, Franz: Sappho. Trauerspiel in fünf Aufzügen. Wien, 1819, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grillparzer_sappho_1819/63>, abgerufen am 02.05.2024.