Grillparzer, Franz: Sappho. Trauerspiel in fünf Aufzügen. Wien, 1819.
Der Saum, von grünen Palm- und Lorbeerzweigen, Sprach, Ruhm und Frieden sinnig zart bezeichnend, Aus, was der Dichter braucht und was ihn lohnt. Wie rothe Morgenwolken um die Sonne Floß rings ein Purpurmantel um sie her, Und durch der Locken rabenschwarze Nacht, Erglänzt, ein Mond, das helle Diadem, Der Herrschaft weithinleuchtend hohes Zeichen. Da rief's in mir: die ist es, und du warst's. Eh die Vermuthung ich noch ausgesprochen, Rief tausendstimmig mir des Volkes Jubel Bestätigung der süßen Ahnung zu. Wie du nun sangst, wie du nun siegtest, wie, Geschmückt mit der Vollendung hoher Krone, Nun in des Siegs Begeisterung die Leyer Der Hand entfällt, ich durch das Volk mich stürze, Und, von dem Blick der Siegerinn getroffen, Der blöde Jüngling scham-entgeistert steht, Das weißt du, Hohe, besser ja als ich, Der ich, kaum halberwacht, noch sinnend forsche, Wie viel davon geschehn, wie viel ich nur geträumt! Sappho. Wohl weiß ich's, wie du stumm und schüchtern standst, Das ganze Leben schien im Auge nur zu wohnen, Das, sparsam aufgehoben von dem Grund, Den nicht verlöschten Funken laut genug bezeugte. Ich hieß dich folgen und du folgtest mir, In ungewisses Staunen tief versenkt.
Der Saum, von grünen Palm- und Lorbeerzweigen, Sprach, Ruhm und Frieden ſinnig zart bezeichnend, Aus, was der Dichter braucht und was ihn lohnt. Wie rothe Morgenwolken um die Sonne Floß rings ein Purpurmantel um ſie her, Und durch der Locken rabenſchwarze Nacht, Erglänzt, ein Mond, das helle Diadem, Der Herrſchaft weithinleuchtend hohes Zeichen. Da rief's in mir: die iſt es, und du warſt's. Eh die Vermuthung ich noch ausgeſprochen, Rief tauſendſtimmig mir des Volkes Jubel Beſtätigung der ſüßen Ahnung zu. Wie du nun ſangſt, wie du nun ſiegteſt, wie, Geſchmückt mit der Vollendung hoher Krone, Nun in des Siegs Begeiſterung die Leyer Der Hand entfällt, ich durch das Volk mich ſtürze, Und, von dem Blick der Siegerinn getroffen, Der blöde Jüngling ſcham-entgeiſtert ſteht, Das weißt du, Hohe, beſſer ja als ich, Der ich, kaum halberwacht, noch ſinnend forſche, Wie viel davon geſchehn, wie viel ich nur geträumt! Sappho. Wohl weiß ich's, wie du ſtumm und ſchüchtern ſtandſt, Das ganze Leben ſchien im Auge nur zu wohnen, Das, ſparſam aufgehoben von dem Grund, Den nicht verlöſchten Funken laut genug bezeugte. Ich hieß dich folgen und du folgteſt mir, In ungewiſſes Staunen tief verſenkt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#PHA"> <p><pb facs="#f0025" n="15"/> Der Saum, von grünen Palm- und Lorbeerzweigen,<lb/> Sprach, Ruhm und Frieden ſinnig zart bezeichnend,<lb/> Aus, was der Dichter braucht und was ihn lohnt.<lb/> Wie rothe Morgenwolken um die Sonne<lb/> Floß rings ein Purpurmantel um ſie her,<lb/> Und durch der Locken rabenſchwarze Nacht,<lb/> Erglänzt, ein Mond, das helle Diadem,<lb/> Der Herrſchaft weithinleuchtend hohes Zeichen.<lb/> Da rief's in mir: die iſt es, und du warſt's.<lb/> Eh die Vermuthung ich noch ausgeſprochen,<lb/> Rief tauſendſtimmig mir des Volkes Jubel<lb/> Beſtätigung der ſüßen Ahnung zu.<lb/> Wie du nun ſangſt, wie du nun ſiegteſt, wie,<lb/> Geſchmückt mit der Vollendung hoher Krone,<lb/> Nun in des Siegs Begeiſterung die Leyer<lb/> Der Hand entfällt, ich durch das Volk mich ſtürze,<lb/> Und, von dem Blick der Siegerinn getroffen,<lb/> Der blöde Jüngling ſcham-entgeiſtert ſteht,<lb/> Das weißt du, Hohe, beſſer ja als ich,<lb/> Der ich, kaum halberwacht, noch ſinnend forſche,<lb/> Wie viel davon geſchehn, wie viel ich nur geträumt!</p> </sp><lb/> <sp who="#SAP"> <speaker><hi rendition="#g">Sappho</hi>.</speaker><lb/> <p>Wohl weiß ich's, wie du ſtumm und ſchüchtern ſtandſt,<lb/> Das ganze Leben ſchien im Auge nur zu wohnen,<lb/> Das, ſparſam aufgehoben von dem Grund,<lb/> Den nicht verlöſchten Funken laut genug bezeugte.<lb/> Ich hieß dich folgen und du folgteſt mir,<lb/> In ungewiſſes Staunen tief verſenkt.</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [15/0025]
Der Saum, von grünen Palm- und Lorbeerzweigen,
Sprach, Ruhm und Frieden ſinnig zart bezeichnend,
Aus, was der Dichter braucht und was ihn lohnt.
Wie rothe Morgenwolken um die Sonne
Floß rings ein Purpurmantel um ſie her,
Und durch der Locken rabenſchwarze Nacht,
Erglänzt, ein Mond, das helle Diadem,
Der Herrſchaft weithinleuchtend hohes Zeichen.
Da rief's in mir: die iſt es, und du warſt's.
Eh die Vermuthung ich noch ausgeſprochen,
Rief tauſendſtimmig mir des Volkes Jubel
Beſtätigung der ſüßen Ahnung zu.
Wie du nun ſangſt, wie du nun ſiegteſt, wie,
Geſchmückt mit der Vollendung hoher Krone,
Nun in des Siegs Begeiſterung die Leyer
Der Hand entfällt, ich durch das Volk mich ſtürze,
Und, von dem Blick der Siegerinn getroffen,
Der blöde Jüngling ſcham-entgeiſtert ſteht,
Das weißt du, Hohe, beſſer ja als ich,
Der ich, kaum halberwacht, noch ſinnend forſche,
Wie viel davon geſchehn, wie viel ich nur geträumt!
Sappho.
Wohl weiß ich's, wie du ſtumm und ſchüchtern ſtandſt,
Das ganze Leben ſchien im Auge nur zu wohnen,
Das, ſparſam aufgehoben von dem Grund,
Den nicht verlöſchten Funken laut genug bezeugte.
Ich hieß dich folgen und du folgteſt mir,
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