Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grillparzer, Franz: Sappho. Trauerspiel in fünf Aufzügen. Wien, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite
Rhamnes.
Du magst es nicht? Ei doch! Als ob du's könntest!
Hoch an den Sternen hat sie ihren Nahmen
Mit diamant'nen Lettern angeschrieben,
Und mit den Sternen nur wird er verlöschen!
In fernen Zeiten, unter fremden Menschen,
Wenn längst zerfallen diese morschen Hüllen
Und selber unsre Gräber nicht mehr sind,
Wird Sappho's Lied noch von den Lippen tönen,
Wird leben noch ihr Nahme -- und der deine.
Der deine, ja! Sey stolz auf die Unsterblichkeit,
Die dir der Frevel gibt an ihrem Haupt!
In fremdem Land', bey kommenden Geschlechtern,
Wenn schon Jahrhunderte, noch ungeboren,
Hinabgestiegen in das Grab der Zeit,
Wird es erschallen noch aus jedem Munde:
Sappho hieß die, die dieses Lied gesungen,
Und Phaon heißt er, der sie hat getödtet!
Melitta.
O Phaon!
Phaon.
Ruhig! Ruhig!
Rhamnes.
Armer Tröster
Gebeutst du Ruh' mit unruhvoller Stimme?
Sie kenne ihr Verbrechen und erzitt're,
Die Rache wenigstens vermisse Sappho nicht!
Du magst der Dichtung Ruhm ihr nicht bestreiten!
Rhamnes.
Du magſt es nicht? Ei doch! Als ob du's könnteſt!
Hoch an den Sternen hat ſie ihren Nahmen
Mit diamant'nen Lettern angeſchrieben,
Und mit den Sternen nur wird er verlöſchen!
In fernen Zeiten, unter fremden Menſchen,
Wenn längſt zerfallen dieſe morſchen Hüllen
Und ſelber unſre Gräber nicht mehr ſind,
Wird Sappho's Lied noch von den Lippen tönen,
Wird leben noch ihr Nahme — und der deine.
Der deine, ja! Sey ſtolz auf die Unſterblichkeit,
Die dir der Frevel gibt an ihrem Haupt!
In fremdem Land', bey kommenden Geſchlechtern,
Wenn ſchon Jahrhunderte, noch ungeboren,
Hinabgeſtiegen in das Grab der Zeit,
Wird es erſchallen noch aus jedem Munde:
Sappho hieß die, die dieſes Lied geſungen,
Und Phaon heißt er, der ſie hat getödtet!
Melitta.
O Phaon!
Phaon.
Ruhig! Ruhig!
Rhamnes.
Armer Tröſter
Gebeutſt du Ruh' mit unruhvoller Stimme?
Sie kenne ihr Verbrechen und erzitt're,
Die Rache wenigſtens vermiſſe Sappho nicht!
Du magſt der Dichtung Ruhm ihr nicht beſtreiten!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0126" n="116"/>
          <sp who="#RHA">
            <speaker><hi rendition="#g">Rhamnes</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Du mag&#x017F;t es nicht? Ei doch! Als ob du's könnte&#x017F;t!<lb/>
Hoch an den Sternen hat &#x017F;ie ihren Nahmen<lb/>
Mit diamant'nen Lettern ange&#x017F;chrieben,<lb/>
Und mit den Sternen nur wird er verlö&#x017F;chen!<lb/>
In fernen Zeiten, unter fremden Men&#x017F;chen,<lb/>
Wenn läng&#x017F;t zerfallen die&#x017F;e mor&#x017F;chen Hüllen<lb/>
Und &#x017F;elber un&#x017F;re Gräber nicht mehr &#x017F;ind,<lb/>
Wird Sappho's Lied noch von den Lippen tönen,<lb/>
Wird leben noch ihr Nahme &#x2014; und der deine.<lb/>
Der deine, ja! Sey &#x017F;tolz auf die Un&#x017F;terblichkeit,<lb/>
Die dir der Frevel gibt an ihrem Haupt!<lb/>
In fremdem Land', bey kommenden Ge&#x017F;chlechtern,<lb/>
Wenn &#x017F;chon Jahrhunderte, noch ungeboren,<lb/>
Hinabge&#x017F;tiegen in das Grab der Zeit,<lb/>
Wird es er&#x017F;challen noch aus jedem Munde:<lb/>
Sappho hieß die, die die&#x017F;es Lied ge&#x017F;ungen,<lb/>
Und Phaon heißt er, der &#x017F;ie hat getödtet!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MEL">
            <speaker><hi rendition="#g">Melitta</hi>.</speaker><lb/>
            <p>O Phaon!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#PHA">
            <speaker><hi rendition="#g">Phaon</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Ruhig! Ruhig!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#RHA">
            <speaker><hi rendition="#g">Rhamnes</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Armer Trö&#x017F;ter<lb/>
Gebeut&#x017F;t du Ruh' mit unruhvoller Stimme?<lb/>
Sie kenne ihr Verbrechen und erzitt're,<lb/><hi rendition="#g">Die</hi> Rache wenig&#x017F;tens vermi&#x017F;&#x017F;e Sappho nicht!<lb/>
Du mag&#x017F;t der Dichtung Ruhm ihr nicht be&#x017F;treiten!<lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[116/0126] Rhamnes. Du magſt es nicht? Ei doch! Als ob du's könnteſt! Hoch an den Sternen hat ſie ihren Nahmen Mit diamant'nen Lettern angeſchrieben, Und mit den Sternen nur wird er verlöſchen! In fernen Zeiten, unter fremden Menſchen, Wenn längſt zerfallen dieſe morſchen Hüllen Und ſelber unſre Gräber nicht mehr ſind, Wird Sappho's Lied noch von den Lippen tönen, Wird leben noch ihr Nahme — und der deine. Der deine, ja! Sey ſtolz auf die Unſterblichkeit, Die dir der Frevel gibt an ihrem Haupt! In fremdem Land', bey kommenden Geſchlechtern, Wenn ſchon Jahrhunderte, noch ungeboren, Hinabgeſtiegen in das Grab der Zeit, Wird es erſchallen noch aus jedem Munde: Sappho hieß die, die dieſes Lied geſungen, Und Phaon heißt er, der ſie hat getödtet! Melitta. O Phaon! Phaon. Ruhig! Ruhig! Rhamnes. Armer Tröſter Gebeutſt du Ruh' mit unruhvoller Stimme? Sie kenne ihr Verbrechen und erzitt're, Die Rache wenigſtens vermiſſe Sappho nicht! Du magſt der Dichtung Ruhm ihr nicht beſtreiten!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grillparzer_sappho_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grillparzer_sappho_1819/126
Zitationshilfe: Grillparzer, Franz: Sappho. Trauerspiel in fünf Aufzügen. Wien, 1819, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grillparzer_sappho_1819/126>, abgerufen am 03.05.2024.