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Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845.

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ihrer Bauart weit mehr den englischen, als den Esquirol'schen. Die
neueren Anstalten werden meist so eingerichtet, dass in einem oder
einigen 2--3stöckigen Mittelgebäuden die gemeinschaftlichen Räume,
die Kanzlei, die Capelle, die Küche, die Waschanstalten, die Vorraths-
räume, die Wohnungen der Beamten beisammen sind, und dass von
hier nach beiden Seiten je ein, oder bei relativ verbundenen An-
stalten zwei zweistöckige Seitenflügel, gerade oder gebrochen, aus-
laufen, welche die verschiedenen Abtheilungen der Reconvalescenten,
Pensionäre, ruhigen Kranken der mittlern und untern Stände, nebst
Gelassen für ihr Wartpersonal, für Bäder etc. enthalten; an diese
schliessen sich endlich, möglichst weit vom Centrum entfernt, kleinere
einstöckige Gebäude, welche die Zellen für unruhige, überhaupt zu
isolirende Kranke enthalten, an. Jede Abtheilung des Hauses muss
einen eigenen Garten oder Spazierplatz für ihre Kranken haben; an
allen Treppen, Fenstern, Thüren ist nicht nur auf gehörige Solidität,
sondern auch auf möglichst einfache Mechanismen und genügende
Garantieen zum Schutze des Kranken zu sehen; die innere Einrich-
tung der Wohn- und Schlafräume ist auf der Abtheilung der Unru-
higen und Tobsüchtigen die einfachste und zugleich festeste; überall
sonst je nach Stand und Bedürfnissen der Kranken einfacher oder
reichlicher ausgestattet.

Ein Hauptgrundsatz des Baues und der ganzen inneren Einrich-
tung, gegen welchen freilich am meisten gefehlt wird, sollte immer
sein, dass die ganze häusliche Einrichtung sich, soweit es sich mit
seiner eigenthümlichen Bestimmung verträgt, möglichst wenig von
der jedes anderen grossen Privathauses unterscheide, sich möglichst
wenig von der der Wohnung und Einrichtung der Geistesgesunden
entferne. Desshalb sind alle Bauplane verwerflich, welche schon in
bizarren, ganz aussergewöhnlichen (thurm-sternförmigen etc.) äusseren
Formen gleichsam auf etwas Närrisches in der Bestimmung des Ge-
bäudes hindeuten, es ist auch ebenso alles gefängnissartige Zellen-
wesen, und wiederum wäre ein zu grosser Luxus mit hohen Hallen,
Säulengängen etc. verwerflich. Das Ganze muss den Eindruck eines
ärztlichen Zwecken, der Gesundheitspflege gewidmeten Bauwesens,
den Eindruck der Wohnlichkeit, Behaglichkeit, Solidität machen und
nicht genug kann auf Geschmack und Freundlichkeit in der Erschei-
nung, wiewohl ohne luxuriösen Schmuck, besonders aber auf die
scrupulöseste Sauberkeit, welche hier wahrhaft ängstlich betrieben
werden muss, gesehen werden.

Die Anstalt muss dabei in einer gesunden, und wo möglich an

der Irren-Anstalten.
ihrer Bauart weit mehr den englischen, als den Esquirol’schen. Die
neueren Anstalten werden meist so eingerichtet, dass in einem oder
einigen 2—3stöckigen Mittelgebäuden die gemeinschaftlichen Räume,
die Kanzlei, die Capelle, die Küche, die Waschanstalten, die Vorraths-
räume, die Wohnungen der Beamten beisammen sind, und dass von
hier nach beiden Seiten je ein, oder bei relativ verbundenen An-
stalten zwei zweistöckige Seitenflügel, gerade oder gebrochen, aus-
laufen, welche die verschiedenen Abtheilungen der Reconvalescenten,
Pensionäre, ruhigen Kranken der mittlern und untern Stände, nebst
Gelassen für ihr Wartpersonal, für Bäder etc. enthalten; an diese
schliessen sich endlich, möglichst weit vom Centrum entfernt, kleinere
einstöckige Gebäude, welche die Zellen für unruhige, überhaupt zu
isolirende Kranke enthalten, an. Jede Abtheilung des Hauses muss
einen eigenen Garten oder Spazierplatz für ihre Kranken haben; an
allen Treppen, Fenstern, Thüren ist nicht nur auf gehörige Solidität,
sondern auch auf möglichst einfache Mechanismen und genügende
Garantieen zum Schutze des Kranken zu sehen; die innere Einrich-
tung der Wohn- und Schlafräume ist auf der Abtheilung der Unru-
higen und Tobsüchtigen die einfachste und zugleich festeste; überall
sonst je nach Stand und Bedürfnissen der Kranken einfacher oder
reichlicher ausgestattet.

Ein Hauptgrundsatz des Baues und der ganzen inneren Einrich-
tung, gegen welchen freilich am meisten gefehlt wird, sollte immer
sein, dass die ganze häusliche Einrichtung sich, soweit es sich mit
seiner eigenthümlichen Bestimmung verträgt, möglichst wenig von
der jedes anderen grossen Privathauses unterscheide, sich möglichst
wenig von der der Wohnung und Einrichtung der Geistesgesunden
entferne. Desshalb sind alle Bauplane verwerflich, welche schon in
bizarren, ganz aussergewöhnlichen (thurm-sternförmigen etc.) äusseren
Formen gleichsam auf etwas Närrisches in der Bestimmung des Ge-
bäudes hindeuten, es ist auch ebenso alles gefängnissartige Zellen-
wesen, und wiederum wäre ein zu grosser Luxus mit hohen Hallen,
Säulengängen etc. verwerflich. Das Ganze muss den Eindruck eines
ärztlichen Zwecken, der Gesundheitspflege gewidmeten Bauwesens,
den Eindruck der Wohnlichkeit, Behaglichkeit, Solidität machen und
nicht genug kann auf Geschmack und Freundlichkeit in der Erschei-
nung, wiewohl ohne luxuriösen Schmuck, besonders aber auf die
scrupulöseste Sauberkeit, welche hier wahrhaft ängstlich betrieben
werden muss, gesehen werden.

Die Anstalt muss dabei in einer gesunden, und wo möglich an

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[391/0405] der Irren-Anstalten. ihrer Bauart weit mehr den englischen, als den Esquirol’schen. Die neueren Anstalten werden meist so eingerichtet, dass in einem oder einigen 2—3stöckigen Mittelgebäuden die gemeinschaftlichen Räume, die Kanzlei, die Capelle, die Küche, die Waschanstalten, die Vorraths- räume, die Wohnungen der Beamten beisammen sind, und dass von hier nach beiden Seiten je ein, oder bei relativ verbundenen An- stalten zwei zweistöckige Seitenflügel, gerade oder gebrochen, aus- laufen, welche die verschiedenen Abtheilungen der Reconvalescenten, Pensionäre, ruhigen Kranken der mittlern und untern Stände, nebst Gelassen für ihr Wartpersonal, für Bäder etc. enthalten; an diese schliessen sich endlich, möglichst weit vom Centrum entfernt, kleinere einstöckige Gebäude, welche die Zellen für unruhige, überhaupt zu isolirende Kranke enthalten, an. Jede Abtheilung des Hauses muss einen eigenen Garten oder Spazierplatz für ihre Kranken haben; an allen Treppen, Fenstern, Thüren ist nicht nur auf gehörige Solidität, sondern auch auf möglichst einfache Mechanismen und genügende Garantieen zum Schutze des Kranken zu sehen; die innere Einrich- tung der Wohn- und Schlafräume ist auf der Abtheilung der Unru- higen und Tobsüchtigen die einfachste und zugleich festeste; überall sonst je nach Stand und Bedürfnissen der Kranken einfacher oder reichlicher ausgestattet. Ein Hauptgrundsatz des Baues und der ganzen inneren Einrich- tung, gegen welchen freilich am meisten gefehlt wird, sollte immer sein, dass die ganze häusliche Einrichtung sich, soweit es sich mit seiner eigenthümlichen Bestimmung verträgt, möglichst wenig von der jedes anderen grossen Privathauses unterscheide, sich möglichst wenig von der der Wohnung und Einrichtung der Geistesgesunden entferne. Desshalb sind alle Bauplane verwerflich, welche schon in bizarren, ganz aussergewöhnlichen (thurm-sternförmigen etc.) äusseren Formen gleichsam auf etwas Närrisches in der Bestimmung des Ge- bäudes hindeuten, es ist auch ebenso alles gefängnissartige Zellen- wesen, und wiederum wäre ein zu grosser Luxus mit hohen Hallen, Säulengängen etc. verwerflich. Das Ganze muss den Eindruck eines ärztlichen Zwecken, der Gesundheitspflege gewidmeten Bauwesens, den Eindruck der Wohnlichkeit, Behaglichkeit, Solidität machen und nicht genug kann auf Geschmack und Freundlichkeit in der Erschei- nung, wiewohl ohne luxuriösen Schmuck, besonders aber auf die scrupulöseste Sauberkeit, welche hier wahrhaft ängstlich betrieben werden muss, gesehen werden. Die Anstalt muss dabei in einer gesunden, und wo möglich an

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Zitationshilfe: Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/griesinger_psychische_1845/405>, abgerufen am 23.11.2024.