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Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845.

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der Brustorgane.

Bei der Leichenöffnung fand sich am Gehirn und an den Gehirnhäuten keine
bemerkbare Veränderung. Die Unterleibseingeweide zeigten keine Spur von Ent-
zündung, der Magen durchaus keine Injection; er war nicht einmal zusammen-
gezogen. Die Gallenblase war mit einer sehr schwarzen Galle gefüllt, und die
Milz und die Blutgefässe des Gekröses enthielten ein Blut, dessen ausserordent-
lich dunkle Färbung mir den Ausspruch des berühmten Haller hierüber bestätigte.

Als ich nach Oeffnung der Brusthöhle die linke Lunge aufhob, drangen meine
Finger in deren Substanz ein, und ein unerträglicher Gestank aus diesem Risse
nöthigte mich, einen Augenblick die Untersuchung zu unterbrechen. An ihrer
hintern Seite, am obern Lappen zeigte die herausgenommene Lunge eine ganz
schwarze, mit grünen und braunen Flecken übersäte Oberfläche. Ein Einschnitt
in diesen Theil zeigte mir eine ausserordentliche Zerreisslichkeit des Gewebes.
Eine blutige, schwarze, stinkende Brühe, ähnlich der Flüssigkeit in einem bran-
digen Glied, war in das Lungengewebe ergossen; hie und da mit einigen eitrigen
Flocken. Beim Schaben mit dem Skalpell bedeckte sich die Klinge mit einer
braunen, klebrigen und faulen Masse; lividrothe Streifen durchzogen das Gewebe
nach allen Richtungen; innen setzte sich die Zersetzung buchtig in die Lunge
fort. Das ganze brandige Stück hatte ungefähr die Ausdehnung einer abgeplat-
teten Kugel von 5 Zoll Durchmesser. Die Bronchien waren mit einer röthlichen,
schäumenden und stinkenden Flüssigkeit gefüllt; die rechte Lunge war gesund.

(Guislain, Memoire sur la gangrene des poumons chez les alienes. Ga-
zette medicale. 1836. p. 341.)

Die Häufigkeit der Lungenphthise unter den Geisteskranken
wird von Lorry bis heute von den Beobachtern bestätigt, wiewohl
es allerdings an dem strengen statistischen Beweise dafür gebricht,
dass ihre Frequenz wirklich ansehnlich grösser sei, als unter andern
ähnlichen Verhältnissen (Zusammenleben in Anstalten etc.).

Esquirol gibt über ein Drittheil seiner Melancholischen als
phthisisch an; Calmeil fand Tuberculose in 2/5 , Webster in 1/4, Sc.
Pinel in 1/6 der angestellten Sectionen; in einzelnen Anstalten, z. B.
in Bicetre, wird ihr seltenes Vorkommen ausdrücklich bemerkt.
(Thore, l. c.)

Nicht nur ihrer Tödtlichkeit wegen ist die Lungentuberculose bei
Geisteskranken wichtig; sie ist sicher auch von wesentlichem pa-
thogenetischem Moment. Man sieht ihre Entwicklung häufig dem
Irresein vorangehen; namentlich scheint die Störung der Circulation
und Respiration, die sich aus stärkeren oder rascheren Tuberkelab-
sätzen oder aus der Zerstörung der Lunge ergibt, wesentlich zur
Entstehung der Gehirnkrankheit Anlass zu geben (Vgl. p. 142).

Der Verlauf dieser Tuberculosen zeigt zuweilen manches Abwei-
chende vom Gewöhnlichen, namentlich mitunter einen auffallenden
Wechsel in der Intensität der Symptome der Lungen- und der Ge-
hirnstörung, so dass mit der scheinbaren Besserung auf der einen

der Brustorgane.

Bei der Leichenöffnung fand sich am Gehirn und an den Gehirnhäuten keine
bemerkbare Veränderung. Die Unterleibseingeweide zeigten keine Spur von Ent-
zündung, der Magen durchaus keine Injection; er war nicht einmal zusammen-
gezogen. Die Gallenblase war mit einer sehr schwarzen Galle gefüllt, und die
Milz und die Blutgefässe des Gekröses enthielten ein Blut, dessen ausserordent-
lich dunkle Färbung mir den Ausspruch des berühmten Haller hierüber bestätigte.

Als ich nach Oeffnung der Brusthöhle die linke Lunge aufhob, drangen meine
Finger in deren Substanz ein, und ein unerträglicher Gestank aus diesem Risse
nöthigte mich, einen Augenblick die Untersuchung zu unterbrechen. An ihrer
hintern Seite, am obern Lappen zeigte die herausgenommene Lunge eine ganz
schwarze, mit grünen und braunen Flecken übersäte Oberfläche. Ein Einschnitt
in diesen Theil zeigte mir eine ausserordentliche Zerreisslichkeit des Gewebes.
Eine blutige, schwarze, stinkende Brühe, ähnlich der Flüssigkeit in einem bran-
digen Glied, war in das Lungengewebe ergossen; hie und da mit einigen eitrigen
Flocken. Beim Schaben mit dem Skalpell bedeckte sich die Klinge mit einer
braunen, klebrigen und faulen Masse; lividrothe Streifen durchzogen das Gewebe
nach allen Richtungen; innen setzte sich die Zersetzung buchtig in die Lunge
fort. Das ganze brandige Stück hatte ungefähr die Ausdehnung einer abgeplat-
teten Kugel von 5 Zoll Durchmesser. Die Bronchien waren mit einer röthlichen,
schäumenden und stinkenden Flüssigkeit gefüllt; die rechte Lunge war gesund.

(Guislain, Mémoire sur la gangrène des poumons chez les aliénés. Ga-
zette medicale. 1836. p. 341.)

Die Häufigkeit der Lungenphthise unter den Geisteskranken
wird von Lorry bis heute von den Beobachtern bestätigt, wiewohl
es allerdings an dem strengen statistischen Beweise dafür gebricht,
dass ihre Frequenz wirklich ansehnlich grösser sei, als unter andern
ähnlichen Verhältnissen (Zusammenleben in Anstalten etc.).

Esquirol gibt über ein Drittheil seiner Melancholischen als
phthisisch an; Calmeil fand Tuberculose in ⅖, Webster in ¼, Sc.
Pinel in ⅙ der angestellten Sectionen; in einzelnen Anstalten, z. B.
in Bicêtre, wird ihr seltenes Vorkommen ausdrücklich bemerkt.
(Thore, l. c.)

Nicht nur ihrer Tödtlichkeit wegen ist die Lungentuberculose bei
Geisteskranken wichtig; sie ist sicher auch von wesentlichem pa-
thogenetischem Moment. Man sieht ihre Entwicklung häufig dem
Irresein vorangehen; namentlich scheint die Störung der Circulation
und Respiration, die sich aus stärkeren oder rascheren Tuberkelab-
sätzen oder aus der Zerstörung der Lunge ergibt, wesentlich zur
Entstehung der Gehirnkrankheit Anlass zu geben (Vgl. p. 142).

Der Verlauf dieser Tuberculosen zeigt zuweilen manches Abwei-
chende vom Gewöhnlichen, namentlich mitunter einen auffallenden
Wechsel in der Intensität der Symptome der Lungen- und der Ge-
hirnstörung, so dass mit der scheinbaren Besserung auf der einen

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[325/0339] der Brustorgane. Bei der Leichenöffnung fand sich am Gehirn und an den Gehirnhäuten keine bemerkbare Veränderung. Die Unterleibseingeweide zeigten keine Spur von Ent- zündung, der Magen durchaus keine Injection; er war nicht einmal zusammen- gezogen. Die Gallenblase war mit einer sehr schwarzen Galle gefüllt, und die Milz und die Blutgefässe des Gekröses enthielten ein Blut, dessen ausserordent- lich dunkle Färbung mir den Ausspruch des berühmten Haller hierüber bestätigte. Als ich nach Oeffnung der Brusthöhle die linke Lunge aufhob, drangen meine Finger in deren Substanz ein, und ein unerträglicher Gestank aus diesem Risse nöthigte mich, einen Augenblick die Untersuchung zu unterbrechen. An ihrer hintern Seite, am obern Lappen zeigte die herausgenommene Lunge eine ganz schwarze, mit grünen und braunen Flecken übersäte Oberfläche. Ein Einschnitt in diesen Theil zeigte mir eine ausserordentliche Zerreisslichkeit des Gewebes. Eine blutige, schwarze, stinkende Brühe, ähnlich der Flüssigkeit in einem bran- digen Glied, war in das Lungengewebe ergossen; hie und da mit einigen eitrigen Flocken. Beim Schaben mit dem Skalpell bedeckte sich die Klinge mit einer braunen, klebrigen und faulen Masse; lividrothe Streifen durchzogen das Gewebe nach allen Richtungen; innen setzte sich die Zersetzung buchtig in die Lunge fort. Das ganze brandige Stück hatte ungefähr die Ausdehnung einer abgeplat- teten Kugel von 5 Zoll Durchmesser. Die Bronchien waren mit einer röthlichen, schäumenden und stinkenden Flüssigkeit gefüllt; die rechte Lunge war gesund. (Guislain, Mémoire sur la gangrène des poumons chez les aliénés. Ga- zette medicale. 1836. p. 341.) Die Häufigkeit der Lungenphthise unter den Geisteskranken wird von Lorry bis heute von den Beobachtern bestätigt, wiewohl es allerdings an dem strengen statistischen Beweise dafür gebricht, dass ihre Frequenz wirklich ansehnlich grösser sei, als unter andern ähnlichen Verhältnissen (Zusammenleben in Anstalten etc.). Esquirol gibt über ein Drittheil seiner Melancholischen als phthisisch an; Calmeil fand Tuberculose in ⅖, Webster in ¼, Sc. Pinel in ⅙ der angestellten Sectionen; in einzelnen Anstalten, z. B. in Bicêtre, wird ihr seltenes Vorkommen ausdrücklich bemerkt. (Thore, l. c.) Nicht nur ihrer Tödtlichkeit wegen ist die Lungentuberculose bei Geisteskranken wichtig; sie ist sicher auch von wesentlichem pa- thogenetischem Moment. Man sieht ihre Entwicklung häufig dem Irresein vorangehen; namentlich scheint die Störung der Circulation und Respiration, die sich aus stärkeren oder rascheren Tuberkelab- sätzen oder aus der Zerstörung der Lunge ergibt, wesentlich zur Entstehung der Gehirnkrankheit Anlass zu geben (Vgl. p. 142). Der Verlauf dieser Tuberculosen zeigt zuweilen manches Abwei- chende vom Gewöhnlichen, namentlich mitunter einen auffallenden Wechsel in der Intensität der Symptome der Lungen- und der Ge- hirnstörung, so dass mit der scheinbaren Besserung auf der einen

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Zitationshilfe: Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/griesinger_psychische_1845/339>, abgerufen am 23.11.2024.