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Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845.

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Pathologische Anatomie
obern Theil des Sehhügels (mit Hydrops der Ventrikel und chroni-
scher Infiltration der Haut) fand Engel *) bei einem an Delirium
tremens Gestorbenen. Von besonderem Interesse scheinen uns die
Beobachtungen von Bergmann **) über die Alterationen, namentlich das
Schwinden jener oberflächlichen Fasergebilde, welche die äusserste
Schicht der Gehirnsubstanz in den. Ventrikeln (namentlich im vierten
und im Aquaeduct) darbietet, wenn wir gleich die Aehnlichkeit dieser
Gebilde mit vegetabilischen Formen, mit musikalischen Instrumenten
etc. wie auch die von jenem trefflichen Beobachter angedeutete fun-
ctionelle Bestimmung derselben höchst problematisch finden.

Durchaus nicht selten finden sich, ohne Zweifel als Producte
abgelaufener Exsudativprocesse, sandförmige, papillöse, schimmelartige
Excrescenzen und Granulationen der Ventrikeloberfläche (Bergmann,
Holscher's Annalen l. c. p. 551, 553 etc.) mitunter auch aufgelöthete,
zuweilen mit Knochenmaterie besetzte Plättchen und Pseudomembranen
in den Ventrikeln, letztere namentlich bei Paralytisch-Blödsinnigen ***).
Die sogenannten Hydatiden des Gefässplexus sind zu häufig, um
für eine wesentliche Alteration gelten zu können; eine eichelgrosse
freie Hydatide im rechten Seitenventrikel (neben Ecchymosen der
Gehirnoberfläche) fand Devaux +) nach nostalgischer Melancholie mit
heftigem Kopfschmerz, eine Bildung ziemlich grosser Crystalle von
Doppelphosphat in beiden Plexus chorioidei, Bergmann bei einer gei-
stesschwachen Maniaca ++).

Frische, namentlich weisse Erweichungen der Ventrikelober
fläche findet man zuweilen als Todesursache in acuten Fällen; ihre
chronische Verhärtung begleitet oft die Ventrikelerweiterung im
atrophischen Gehirn (paralytischer Blödsinn).

Was die Hypophysen +++) betrifft, so war wiederum von
Bergmann schon in dessen früheren Arbeiten ++++) eine bedeutende
Verdickung und luxurirende Wucherung der Gefässplexus um die
Zirbel, zum Theil neben einer fast allgemeinen Hypertrophie der
innern Gefässhaut, neben einem Besatze mit Granulationen, einer

*) Oesterreich. Med. Wochenschr. 1841. Nr. 3.
**) In den angeführten Arbeiten.
***) Z. B. Macquet, annal. med. psych. Mai 1844. p. 464.
+) Nasse, Zeitschr. f. Anthropologie. 1823. II. p. 501.
++) Ibid. II. p. 416.
+++) S. auch Greding, vermischte Schriften. Altenburg. 1781. p. 180.
++++) Nasse's Zeitschr. f. Anthropol. 1825. I. p. 173. Holscher's Annalen l.
c. p. 510, 523, 529 etc.

Pathologische Anatomie
obern Theil des Sehhügels (mit Hydrops der Ventrikel und chroni-
scher Infiltration der Haut) fand Engel *) bei einem an Delirium
tremens Gestorbenen. Von besonderem Interesse scheinen uns die
Beobachtungen von Bergmann **) über die Alterationen, namentlich das
Schwinden jener oberflächlichen Fasergebilde, welche die äusserste
Schicht der Gehirnsubstanz in den. Ventrikeln (namentlich im vierten
und im Aquaeduct) darbietet, wenn wir gleich die Aehnlichkeit dieser
Gebilde mit vegetabilischen Formen, mit musikalischen Instrumenten
etc. wie auch die von jenem trefflichen Beobachter angedeutete fun-
ctionelle Bestimmung derselben höchst problematisch finden.

Durchaus nicht selten finden sich, ohne Zweifel als Producte
abgelaufener Exsudativprocesse, sandförmige, papillöse, schimmelartige
Excrescenzen und Granulationen der Ventrikeloberfläche (Bergmann,
Holscher’s Annalen l. c. p. 551, 553 etc.) mitunter auch aufgelöthete,
zuweilen mit Knochenmaterie besetzte Plättchen und Pseudomembranen
in den Ventrikeln, letztere namentlich bei Paralytisch-Blödsinnigen ***).
Die sogenannten Hydatiden des Gefässplexus sind zu häufig, um
für eine wesentliche Alteration gelten zu können; eine eichelgrosse
freie Hydatide im rechten Seitenventrikel (neben Ecchymosen der
Gehirnoberfläche) fand Devaux †) nach nostalgischer Melancholie mit
heftigem Kopfschmerz, eine Bildung ziemlich grosser Crystalle von
Doppelphosphat in beiden Plexus chorioidei, Bergmann bei einer gei-
stesschwachen Maniaca ††).

Frische, namentlich weisse Erweichungen der Ventrikelober
fläche findet man zuweilen als Todesursache in acuten Fällen; ihre
chronische Verhärtung begleitet oft die Ventrikelerweiterung im
atrophischen Gehirn (paralytischer Blödsinn).

Was die Hypophysen †††) betrifft, so war wiederum von
Bergmann schon in dessen früheren Arbeiten ††††) eine bedeutende
Verdickung und luxurirende Wucherung der Gefässplexus um die
Zirbel, zum Theil neben einer fast allgemeinen Hypertrophie der
innern Gefässhaut, neben einem Besatze mit Granulationen, einer

*) Oesterreich. Med. Wochenschr. 1841. Nr. 3.
**) In den angeführten Arbeiten.
***) Z. B. Macquet, annal. med. psych. Mai 1844. p. 464.
†) Nasse, Zeitschr. f. Anthropologie. 1823. II. p. 501.
††) Ibid. II. p. 416.
†††) S. auch Greding, vermischte Schriften. Altenburg. 1781. p. 180.
††††) Nasse’s Zeitschr. f. Anthropol. 1825. I. p. 173. Holscher’s Annalen l.
c. p. 510, 523, 529 etc.
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[312/0326] Pathologische Anatomie obern Theil des Sehhügels (mit Hydrops der Ventrikel und chroni- scher Infiltration der Haut) fand Engel *) bei einem an Delirium tremens Gestorbenen. Von besonderem Interesse scheinen uns die Beobachtungen von Bergmann **) über die Alterationen, namentlich das Schwinden jener oberflächlichen Fasergebilde, welche die äusserste Schicht der Gehirnsubstanz in den. Ventrikeln (namentlich im vierten und im Aquaeduct) darbietet, wenn wir gleich die Aehnlichkeit dieser Gebilde mit vegetabilischen Formen, mit musikalischen Instrumenten etc. wie auch die von jenem trefflichen Beobachter angedeutete fun- ctionelle Bestimmung derselben höchst problematisch finden. Durchaus nicht selten finden sich, ohne Zweifel als Producte abgelaufener Exsudativprocesse, sandförmige, papillöse, schimmelartige Excrescenzen und Granulationen der Ventrikeloberfläche (Bergmann, Holscher’s Annalen l. c. p. 551, 553 etc.) mitunter auch aufgelöthete, zuweilen mit Knochenmaterie besetzte Plättchen und Pseudomembranen in den Ventrikeln, letztere namentlich bei Paralytisch-Blödsinnigen ***). Die sogenannten Hydatiden des Gefässplexus sind zu häufig, um für eine wesentliche Alteration gelten zu können; eine eichelgrosse freie Hydatide im rechten Seitenventrikel (neben Ecchymosen der Gehirnoberfläche) fand Devaux †) nach nostalgischer Melancholie mit heftigem Kopfschmerz, eine Bildung ziemlich grosser Crystalle von Doppelphosphat in beiden Plexus chorioidei, Bergmann bei einer gei- stesschwachen Maniaca ††). Frische, namentlich weisse Erweichungen der Ventrikelober fläche findet man zuweilen als Todesursache in acuten Fällen; ihre chronische Verhärtung begleitet oft die Ventrikelerweiterung im atrophischen Gehirn (paralytischer Blödsinn). Was die Hypophysen †††) betrifft, so war wiederum von Bergmann schon in dessen früheren Arbeiten ††††) eine bedeutende Verdickung und luxurirende Wucherung der Gefässplexus um die Zirbel, zum Theil neben einer fast allgemeinen Hypertrophie der innern Gefässhaut, neben einem Besatze mit Granulationen, einer *) Oesterreich. Med. Wochenschr. 1841. Nr. 3. **) In den angeführten Arbeiten. ***) Z. B. Macquet, annal. med. psych. Mai 1844. p. 464. †) Nasse, Zeitschr. f. Anthropologie. 1823. II. p. 501. ††) Ibid. II. p. 416. †††) S. auch Greding, vermischte Schriften. Altenburg. 1781. p. 180. ††††) Nasse’s Zeitschr. f. Anthropol. 1825. I. p. 173. Holscher’s Annalen l. c. p. 510, 523, 529 etc.

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Zitationshilfe: Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/griesinger_psychische_1845/326>, abgerufen am 08.05.2024.