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Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845.

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Ihr Beginn.
solches vorhanden, lauter und redseliger, seine Stimme wird wieder
kräftiger, er wird im Ganzen lebhafter. Besonders zeigt er gewöhnlich
einen noch gefrässigeren Appetit, klagt auch nicht selten über unan-
genehme Empfindungen in der Magengrube, über Beklemmung, welche
ihn ebenso beunruhigen und herumtreiben. Kranke, die schon einmal
einen Anfall gehabt haben, sagen jetzt manchmal selbst, sie werden
einen Rückfall erleiden, und bitten für sie zu sorgen und sie aus ihrer
gewohnten Umgebung zu entfernen. Eine Neigung zu geistigen Getränken
zeigt sich häufig, und indem sie der Kranke im Uebermasse befriedigt,
hat es häufig das Ansehen, als wolle er durch die alcoholische
Steigerung seinen aufgeregten Zustand festhalten und noch höher
schrauben, was ihm denn auch nur allzubald gelingt. Mit der gesteiger
ten Beweglichkeit und dem Triebe nach aussen stellen sich neue
Vorstellungen und Empfindungen ein, welche den Kranken anfangs
in Erstaunen und Schrecken setzen, aber bald völlig die Ober-
herrschaft bekommen. Anfangs konnte er sie noch verbergen, bald
entschlüpfen sie ihm und treten in Rede und That heraus.

Zugleich mit solchen psychischen Symptomen treten in dieser
ersten Periode gewöhnlich entschiedene Zeichen von Störungen der
Circulation, Verdauung und Ernährung auf. Anfangs Krankheitsgefühl,
grosse Abgeschlagenheit, Kopf-, Zahn-, Bauchschmerzen; Schlaflosig-
keit, aufregende Träume, Hallucinationen der Sinne, Schwindel, rothes
oder ganz blasses Gesicht; Abmagerung, gelbe Hautfarbe; grosse Ge-
frässigkeit, Zungenbeleg, Stuhlverstopfung; Palpitationen, vermehrte
Pulsfrequenz, überhaupt ein fieberhafter Zustand; Aufhören der Men-
struation, nicht selten Erhöhung des Geschlechtstriebs. Die Züge
werden entstellt, oft zeigt sich leichtes Zittern des Körpers, die
Empfindung für Temperaturunterschiede und körperlichen Schmerz
wird stumpfer. Bei vollständig ausgebrochener Tobsucht tritt auch
das Krankheitsgefühl ganz zurück und der Kranke behauptet sich ganz
wohl zu befinden.

Wir wollen nun den Zustand in seiner ausgebildeten Form näher
betrachten, müssen aber zuvor bemerken, dass bei der grossen Mannig-
faltigkeit und der verschiedenen Aeusserungsweise der Tobsucht hier
Reihen von Erscheinungen angegeben werden müssen, welche man
nicht alle bei einem und demselben Individuum beisammen erwarten darf.

§. 110.

1) Anomalieen der Stimmung, der Triebe und des
Wollens
. Die Grundstörung der Tobsucht, die Irritation auf der

Ihr Beginn.
solches vorhanden, lauter und redseliger, seine Stimme wird wieder
kräftiger, er wird im Ganzen lebhafter. Besonders zeigt er gewöhnlich
einen noch gefrässigeren Appetit, klagt auch nicht selten über unan-
genehme Empfindungen in der Magengrube, über Beklemmung, welche
ihn ebenso beunruhigen und herumtreiben. Kranke, die schon einmal
einen Anfall gehabt haben, sagen jetzt manchmal selbst, sie werden
einen Rückfall erleiden, und bitten für sie zu sorgen und sie aus ihrer
gewohnten Umgebung zu entfernen. Eine Neigung zu geistigen Getränken
zeigt sich häufig, und indem sie der Kranke im Uebermasse befriedigt,
hat es häufig das Ansehen, als wolle er durch die alcoholische
Steigerung seinen aufgeregten Zustand festhalten und noch höher
schrauben, was ihm denn auch nur allzubald gelingt. Mit der gesteiger
ten Beweglichkeit und dem Triebe nach aussen stellen sich neue
Vorstellungen und Empfindungen ein, welche den Kranken anfangs
in Erstaunen und Schrecken setzen, aber bald völlig die Ober-
herrschaft bekommen. Anfangs konnte er sie noch verbergen, bald
entschlüpfen sie ihm und treten in Rede und That heraus.

Zugleich mit solchen psychischen Symptomen treten in dieser
ersten Periode gewöhnlich entschiedene Zeichen von Störungen der
Circulation, Verdauung und Ernährung auf. Anfangs Krankheitsgefühl,
grosse Abgeschlagenheit, Kopf-, Zahn-, Bauchschmerzen; Schlaflosig-
keit, aufregende Träume, Hallucinationen der Sinne, Schwindel, rothes
oder ganz blasses Gesicht; Abmagerung, gelbe Hautfarbe; grosse Ge-
frässigkeit, Zungenbeleg, Stuhlverstopfung; Palpitationen, vermehrte
Pulsfrequenz, überhaupt ein fieberhafter Zustand; Aufhören der Men-
struation, nicht selten Erhöhung des Geschlechtstriebs. Die Züge
werden entstellt, oft zeigt sich leichtes Zittern des Körpers, die
Empfindung für Temperaturunterschiede und körperlichen Schmerz
wird stumpfer. Bei vollständig ausgebrochener Tobsucht tritt auch
das Krankheitsgefühl ganz zurück und der Kranke behauptet sich ganz
wohl zu befinden.

Wir wollen nun den Zustand in seiner ausgebildeten Form näher
betrachten, müssen aber zuvor bemerken, dass bei der grossen Mannig-
faltigkeit und der verschiedenen Aeusserungsweise der Tobsucht hier
Reihen von Erscheinungen angegeben werden müssen, welche man
nicht alle bei einem und demselben Individuum beisammen erwarten darf.

§. 110.

1) Anomalieen der Stimmung, der Triebe und des
Wollens
. Die Grundstörung der Tobsucht, die Irritation auf der

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[215/0229] Ihr Beginn. solches vorhanden, lauter und redseliger, seine Stimme wird wieder kräftiger, er wird im Ganzen lebhafter. Besonders zeigt er gewöhnlich einen noch gefrässigeren Appetit, klagt auch nicht selten über unan- genehme Empfindungen in der Magengrube, über Beklemmung, welche ihn ebenso beunruhigen und herumtreiben. Kranke, die schon einmal einen Anfall gehabt haben, sagen jetzt manchmal selbst, sie werden einen Rückfall erleiden, und bitten für sie zu sorgen und sie aus ihrer gewohnten Umgebung zu entfernen. Eine Neigung zu geistigen Getränken zeigt sich häufig, und indem sie der Kranke im Uebermasse befriedigt, hat es häufig das Ansehen, als wolle er durch die alcoholische Steigerung seinen aufgeregten Zustand festhalten und noch höher schrauben, was ihm denn auch nur allzubald gelingt. Mit der gesteiger ten Beweglichkeit und dem Triebe nach aussen stellen sich neue Vorstellungen und Empfindungen ein, welche den Kranken anfangs in Erstaunen und Schrecken setzen, aber bald völlig die Ober- herrschaft bekommen. Anfangs konnte er sie noch verbergen, bald entschlüpfen sie ihm und treten in Rede und That heraus. Zugleich mit solchen psychischen Symptomen treten in dieser ersten Periode gewöhnlich entschiedene Zeichen von Störungen der Circulation, Verdauung und Ernährung auf. Anfangs Krankheitsgefühl, grosse Abgeschlagenheit, Kopf-, Zahn-, Bauchschmerzen; Schlaflosig- keit, aufregende Träume, Hallucinationen der Sinne, Schwindel, rothes oder ganz blasses Gesicht; Abmagerung, gelbe Hautfarbe; grosse Ge- frässigkeit, Zungenbeleg, Stuhlverstopfung; Palpitationen, vermehrte Pulsfrequenz, überhaupt ein fieberhafter Zustand; Aufhören der Men- struation, nicht selten Erhöhung des Geschlechtstriebs. Die Züge werden entstellt, oft zeigt sich leichtes Zittern des Körpers, die Empfindung für Temperaturunterschiede und körperlichen Schmerz wird stumpfer. Bei vollständig ausgebrochener Tobsucht tritt auch das Krankheitsgefühl ganz zurück und der Kranke behauptet sich ganz wohl zu befinden. Wir wollen nun den Zustand in seiner ausgebildeten Form näher betrachten, müssen aber zuvor bemerken, dass bei der grossen Mannig- faltigkeit und der verschiedenen Aeusserungsweise der Tobsucht hier Reihen von Erscheinungen angegeben werden müssen, welche man nicht alle bei einem und demselben Individuum beisammen erwarten darf. §. 110. 1) Anomalieen der Stimmung, der Triebe und des Wollens. Die Grundstörung der Tobsucht, die Irritation auf der

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Zitationshilfe: Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/griesinger_psychische_1845/229>, abgerufen am 23.11.2024.