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Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845.

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Symptomatologie der Schwermuth.
Gericht anzukündigen; Stimmen verfolgen ihn, die ihn verspotten und
beschimpfen etc. etc. Eine junge Melancholische, die wir beobach-
teten, sah sich aus dem Spiegel einen Schweinskopf entgegenstarren,
und glaubte sich von da an eine Zeit lang in ein solches Thier ver-
wandelt. Am häufigsten und mannigfaltigsten sind die Hallucinationen
in derjenigen schwereren Form der Melancholie, welche mit völliger
Insich-versunkenheit und theilweisen Schwinden des Bewusstseins der
Aussenwelt verbunden ist (s. unten Melancholie mit Stupor). Auch
im Geruchs- und Geschmackssinn kommen Hallucinationen ziemlich
häufig vor; die letzteren, namentlich als widrige, metallische Ge-
schmäcke liegen oft dem Wahn, vergiftet, oder durch eine gewisse
Speise verhext worden zu sein, zu Grunde. Die subjectiven widrigen
Gerüche erwecken die Vorstellung, von Leichnamen umgeben zu sein,
selbst in Verwesung überzugehen etc.

Mit dem Auftreten und Zunehmen der Hallucinationen reagirt
der Kranke erst vollends auf imaginäre Verhältnisse und wird dadurch
der realen Welt immer mehr entfremdet. Oft werden die Hallucina-
tionen zum Gegenstand neuer Erklärungen, und die trübsten und
abgeschmacktesten Ideen von einer Gespensterwelt, von unter der Erde
angebrachten Maschinen, die auf den Kranken einwirken etc., haben
ihren Ursprung in diesen, oft lange oder während der ganzen Krank-
heit gar nicht geäusserten Sinnesanomalieen.

Die Bewegungen der Melancholischen tragen durchaus
das Gepräge des herrschenden schmerzlichen Affects. Meistens sind
sie träge, langsam, unterdrückt, der Kranke bleibt gerne im Bette
liegen, steht oder sitzt Tage lang in einem Winkel, ohne von seiner
Umgebung Notiz zu nehmen. Oft ist die ganze Stellung und Haltung
des Kranken starr, unbeweglich, bis zur statuenartigen Fixität. Die
Glieder sind dabei entweder steif und leisten den Versuchen ihnen
eine andere Lage zu geben, ziemlichen Widerstand, oder sie sind
biegsam, beweglich und behalten oft die ihnen gegebene Stellung
bei (cataleptische Zustände). Die Gesichtsmuskeln sind oft in an-
haltender einseitiger Contractur, die Züge unveränderlich, gespannt,
die Stirne gerunzelt, die Mundwinkel herabgezogen; diess, noch
verbunden mit der meist graueren, livideren Hautfärbung, gibt den
Melancholischen fast immer ein älteres Aussehen. Der Blick ist
oft zur Erde gesenkt, anderemale das Auge starr geöffnet, mit dem
Ausdruck des Schmerzes, der peinigenden Spannung oder des
Staunens.

Ein wesentlich anderes Verhalten zeigen die Bewegungen in der

Symptomatologie der Schwermuth.
Gericht anzukündigen; Stimmen verfolgen ihn, die ihn verspotten und
beschimpfen etc. etc. Eine junge Melancholische, die wir beobach-
teten, sah sich aus dem Spiegel einen Schweinskopf entgegenstarren,
und glaubte sich von da an eine Zeit lang in ein solches Thier ver-
wandelt. Am häufigsten und mannigfaltigsten sind die Hallucinationen
in derjenigen schwereren Form der Melancholie, welche mit völliger
Insich-versunkenheit und theilweisen Schwinden des Bewusstseins der
Aussenwelt verbunden ist (s. unten Melancholie mit Stupor). Auch
im Geruchs- und Geschmackssinn kommen Hallucinationen ziemlich
häufig vor; die letzteren, namentlich als widrige, metallische Ge-
schmäcke liegen oft dem Wahn, vergiftet, oder durch eine gewisse
Speise verhext worden zu sein, zu Grunde. Die subjectiven widrigen
Gerüche erwecken die Vorstellung, von Leichnamen umgeben zu sein,
selbst in Verwesung überzugehen etc.

Mit dem Auftreten und Zunehmen der Hallucinationen reagirt
der Kranke erst vollends auf imaginäre Verhältnisse und wird dadurch
der realen Welt immer mehr entfremdet. Oft werden die Hallucina-
tionen zum Gegenstand neuer Erklärungen, und die trübsten und
abgeschmacktesten Ideen von einer Gespensterwelt, von unter der Erde
angebrachten Maschinen, die auf den Kranken einwirken etc., haben
ihren Ursprung in diesen, oft lange oder während der ganzen Krank-
heit gar nicht geäusserten Sinnesanomalieen.

Die Bewegungen der Melancholischen tragen durchaus
das Gepräge des herrschenden schmerzlichen Affects. Meistens sind
sie träge, langsam, unterdrückt, der Kranke bleibt gerne im Bette
liegen, steht oder sitzt Tage lang in einem Winkel, ohne von seiner
Umgebung Notiz zu nehmen. Oft ist die ganze Stellung und Haltung
des Kranken starr, unbeweglich, bis zur statuenartigen Fixität. Die
Glieder sind dabei entweder steif und leisten den Versuchen ihnen
eine andere Lage zu geben, ziemlichen Widerstand, oder sie sind
biegsam, beweglich und behalten oft die ihnen gegebene Stellung
bei (cataleptische Zustände). Die Gesichtsmuskeln sind oft in an-
haltender einseitiger Contractur, die Züge unveränderlich, gespannt,
die Stirne gerunzelt, die Mundwinkel herabgezogen; diess, noch
verbunden mit der meist graueren, livideren Hautfärbung, gibt den
Melancholischen fast immer ein älteres Aussehen. Der Blick ist
oft zur Erde gesenkt, anderemale das Auge starr geöffnet, mit dem
Ausdruck des Schmerzes, der peinigenden Spannung oder des
Staunens.

Ein wesentlich anderes Verhalten zeigen die Bewegungen in der

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[172/0186] Symptomatologie der Schwermuth. Gericht anzukündigen; Stimmen verfolgen ihn, die ihn verspotten und beschimpfen etc. etc. Eine junge Melancholische, die wir beobach- teten, sah sich aus dem Spiegel einen Schweinskopf entgegenstarren, und glaubte sich von da an eine Zeit lang in ein solches Thier ver- wandelt. Am häufigsten und mannigfaltigsten sind die Hallucinationen in derjenigen schwereren Form der Melancholie, welche mit völliger Insich-versunkenheit und theilweisen Schwinden des Bewusstseins der Aussenwelt verbunden ist (s. unten Melancholie mit Stupor). Auch im Geruchs- und Geschmackssinn kommen Hallucinationen ziemlich häufig vor; die letzteren, namentlich als widrige, metallische Ge- schmäcke liegen oft dem Wahn, vergiftet, oder durch eine gewisse Speise verhext worden zu sein, zu Grunde. Die subjectiven widrigen Gerüche erwecken die Vorstellung, von Leichnamen umgeben zu sein, selbst in Verwesung überzugehen etc. Mit dem Auftreten und Zunehmen der Hallucinationen reagirt der Kranke erst vollends auf imaginäre Verhältnisse und wird dadurch der realen Welt immer mehr entfremdet. Oft werden die Hallucina- tionen zum Gegenstand neuer Erklärungen, und die trübsten und abgeschmacktesten Ideen von einer Gespensterwelt, von unter der Erde angebrachten Maschinen, die auf den Kranken einwirken etc., haben ihren Ursprung in diesen, oft lange oder während der ganzen Krank- heit gar nicht geäusserten Sinnesanomalieen. Die Bewegungen der Melancholischen tragen durchaus das Gepräge des herrschenden schmerzlichen Affects. Meistens sind sie träge, langsam, unterdrückt, der Kranke bleibt gerne im Bette liegen, steht oder sitzt Tage lang in einem Winkel, ohne von seiner Umgebung Notiz zu nehmen. Oft ist die ganze Stellung und Haltung des Kranken starr, unbeweglich, bis zur statuenartigen Fixität. Die Glieder sind dabei entweder steif und leisten den Versuchen ihnen eine andere Lage zu geben, ziemlichen Widerstand, oder sie sind biegsam, beweglich und behalten oft die ihnen gegebene Stellung bei (cataleptische Zustände). Die Gesichtsmuskeln sind oft in an- haltender einseitiger Contractur, die Züge unveränderlich, gespannt, die Stirne gerunzelt, die Mundwinkel herabgezogen; diess, noch verbunden mit der meist graueren, livideren Hautfärbung, gibt den Melancholischen fast immer ein älteres Aussehen. Der Blick ist oft zur Erde gesenkt, anderemale das Auge starr geöffnet, mit dem Ausdruck des Schmerzes, der peinigenden Spannung oder des Staunens. Ein wesentlich anderes Verhalten zeigen die Bewegungen in der

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Zitationshilfe: Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/griesinger_psychische_1845/186>, abgerufen am 25.11.2024.