DRITTES BUCH. Die Formen der psychischen Krankheiten.
§. 88.
Eine Eintheilung der psychischen Krankheiten nach ihrem Wesen, d. h. nach den ihnen zu Grunde liegenden anatomischen Veränder- ungen des Gehirns ist derzeit nicht möglich (§. 5.); sondern, wie die ganze Classe der Geisteskrankheiten nur eine symptomatologisch gebildete ist, so lassen sich als ihre verschiedenen Arten zunächst nur verschiedene Symptomencomplexe, verschiedene Formen des Irreseins angeben. Statt des anatomischen Eintheilungsprincips müssen wir das functionelle, physiologische festhalten, und dieses wird hier, da die Störungen des Vorstellens und Strebens die hauptsächlichsten und auffallendsten sind, zum psychologischen. Nach der Art und Weise der psychischen Anomalie ist also das Irresein einzutheilen; während es nun aber die Aufgabe des clinischen Unterrichts ist, die Mannigfaltigkeit der psychischen Störungen in den concreten Er- krankungsfällen hervorzuheben und zu analysiren, muss sich die Nosologie mit der Aufstellung weniger Hauptgruppen psychischer Störungen, weniger psychisch-anomaler Grundzustände begnügen, die sich aus der Uebereinstimmung sehr vieler Fälle in gewissen characteristischen Merkmalen ergeben und auf die sich daher alle Mannigfaltigkeit des einzelnen Erkrankens zurückführen lässt. Diese Grundzustände und ihre äussere Erscheinung haben wir hauptsächlich hier zu schildern, und wenn dabei die Varietäten und die Uebergänge der einzelnen Formen in einander freilich wohl beachtet werden müssen, so kann diess doch niemals in erschöpfendem Detail geschehen; eben
DRITTES BUCH. Die Formen der psychischen Krankheiten.
§. 88.
Eine Eintheilung der psychischen Krankheiten nach ihrem Wesen, d. h. nach den ihnen zu Grunde liegenden anatomischen Veränder- ungen des Gehirns ist derzeit nicht möglich (§. 5.); sondern, wie die ganze Classe der Geisteskrankheiten nur eine symptomatologisch gebildete ist, so lassen sich als ihre verschiedenen Arten zunächst nur verschiedene Symptomencomplexe, verschiedene Formen des Irreseins angeben. Statt des anatomischen Eintheilungsprincips müssen wir das functionelle, physiologische festhalten, und dieses wird hier, da die Störungen des Vorstellens und Strebens die hauptsächlichsten und auffallendsten sind, zum psychologischen. Nach der Art und Weise der psychischen Anomalie ist also das Irresein einzutheilen; während es nun aber die Aufgabe des clinischen Unterrichts ist, die Mannigfaltigkeit der psychischen Störungen in den concreten Er- krankungsfällen hervorzuheben und zu analysiren, muss sich die Nosologie mit der Aufstellung weniger Hauptgruppen psychischer Störungen, weniger psychisch-anomaler Grundzustände begnügen, die sich aus der Uebereinstimmung sehr vieler Fälle in gewissen characteristischen Merkmalen ergeben und auf die sich daher alle Mannigfaltigkeit des einzelnen Erkrankens zurückführen lässt. Diese Grundzustände und ihre äussere Erscheinung haben wir hauptsächlich hier zu schildern, und wenn dabei die Varietäten und die Uebergänge der einzelnen Formen in einander freilich wohl beachtet werden müssen, so kann diess doch niemals in erschöpfendem Detail geschehen; eben
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DRITTES BUCH.
Die Formen der psychischen Krankheiten.
§. 88.
Eine Eintheilung der psychischen Krankheiten nach ihrem Wesen,
d. h. nach den ihnen zu Grunde liegenden anatomischen Veränder-
ungen des Gehirns ist derzeit nicht möglich (§. 5.); sondern, wie
die ganze Classe der Geisteskrankheiten nur eine symptomatologisch
gebildete ist, so lassen sich als ihre verschiedenen Arten zunächst
nur verschiedene Symptomencomplexe, verschiedene Formen des
Irreseins angeben. Statt des anatomischen Eintheilungsprincips müssen
wir das functionelle, physiologische festhalten, und dieses wird hier,
da die Störungen des Vorstellens und Strebens die hauptsächlichsten
und auffallendsten sind, zum psychologischen. Nach der Art und
Weise der psychischen Anomalie ist also das Irresein einzutheilen;
während es nun aber die Aufgabe des clinischen Unterrichts ist, die
Mannigfaltigkeit der psychischen Störungen in den concreten Er-
krankungsfällen hervorzuheben und zu analysiren, muss sich die
Nosologie mit der Aufstellung weniger Hauptgruppen psychischer
Störungen, weniger psychisch-anomaler Grundzustände begnügen,
die sich aus der Uebereinstimmung sehr vieler Fälle in gewissen
characteristischen Merkmalen ergeben und auf die sich daher alle
Mannigfaltigkeit des einzelnen Erkrankens zurückführen lässt. Diese
Grundzustände und ihre äussere Erscheinung haben wir hauptsächlich
hier zu schildern, und wenn dabei die Varietäten und die Uebergänge
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Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845, S. [150]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/griesinger_psychische_1845/164>, abgerufen am 09.11.2024.
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