Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716.Vermischte Gedichte. Se contenter est la tres grande richesse. Copiantes. 1. Jch bin vergnügt; ob gleich die holden BlickeDes Schicksahls nur ein falsches Blend-Werck seyn/ Jch kenne schon desselben schlaue Tücke/ Drum acht' ich nichtes nicht den blossen Schein. 2. Den blossen Schein/ und sonsten nichts zu lieben/Heist Aepffel ihm von Sodom ausersehn: Ein Mast der Wind und grimmer Wellen Treiben Folgt/ muß gewiß ohn Steur bald unter gehn. 3. Bald untergehn/ und in der Noht versinckenKommt weibischen und bangen Hertzen zu. Wer auch nicht kan die herben Myrrhen trincken Erlangt niemahls die stets gewünschte Ruh. 4. Gewünschte Ruh/ und süsse Lust geniessen/Jst nur für den/ der niemahls nnterliegt/ Darum laß ich mir keinen Sturm verdriessen/ Mein Denck-Spruch ist: Jch bin dennoch vergnügt. Neu-Jahrs-Wunsch an eine vornehme Gönnerinn im Nahmen eines andern. Als noch das alte Rom Minerven Opffer brachte/ Und Jupiter sein Schutz in allen Nöhten war/ Wie es den Eichen Krantz um Janus Tempel machte/ Und gantz erfreuet sprach: Nun ist das neue Jahr. Da sah man die bemüht mit Wünschen und mit Gaben/ Die ein danckbares Hertz vermeyneten zu haben. Der weise Cicero hat diesen Brauch erhoben/ Wenn er die Danckbarkeit die schönste Tugend nennt. Sie ist des Himmels-Bild und eine Brut von oben/ Aus deren Trieben man den schönen Ursprung kennt/ Die Götter lieben sie/ und alle die sie lieben/ Ja sie befehlen selbst wir sollen solche üben. Jetzt
Vermiſchte Gedichte. Se contenter eſt la très grande richeſſe. Copiantes. 1. Jch bin vergnuͤgt; ob gleich die holden BlickeDes Schickſahls nur ein falſches Blend-Werck ſeyn/ Jch kenne ſchon deſſelben ſchlaue Tuͤcke/ Drum acht’ ich nichtes nicht den bloſſen Schein. 2. Den bloſſen Schein/ und ſonſten nichts zu lieben/Heiſt Aepffel ihm von Sodom auserſehn: Ein Maſt der Wind und grimmer Wellen Treiben Folgt/ muß gewiß ohn Steur bald unter gehn. 3. Bald untergehn/ und in der Noht verſinckenKommt weibiſchen und bangen Hertzen zu. Wer auch nicht kan die herben Myrrhen trincken Erlangt niemahls die ſtets gewuͤnſchte Ruh. 4. Gewuͤnſchte Ruh/ und ſuͤſſe Luſt genieſſen/Jſt nur fuͤr den/ der niemahls nnterliegt/ Darum laß ich mir keinen Sturm verdrieſſen/ Mein Denck-Spruch iſt: Jch bin dennoch vergnuͤgt. Neu-Jahrs-Wunſch an eine vornehme Goͤnnerinn im Nahmen eines andern. Als noch das alte Rom Minerven Opffer brachte/ Und Jupiter ſein Schutz in allen Noͤhten war/ Wie es den Eichen Krantz um Janus Tempel machte/ Und gantz erfreuet ſprach: Nun iſt das neue Jahr. Da ſah man die bemuͤht mit Wuͤnſchen und mit Gaben/ Die ein danckbares Hertz vermeyneten zu haben. Der weiſe Cicero hat dieſen Brauch erhoben/ Wenn er die Danckbarkeit die ſchoͤnſte Tugend nennt. Sie iſt des Himmels-Bild und eine Brut von oben/ Aus deren Trieben man den ſchoͤnen Urſprung kennt/ Die Goͤtter lieben ſie/ und alle die ſie lieben/ Ja ſie befehlen ſelbſt wir ſollen ſolche uͤben. Jetzt
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Vermiſchte Gedichte.
Se contenter eſt la très grande richeſſe.
Copiantes.
1.
Jch bin vergnuͤgt; ob gleich die holden Blicke
Des Schickſahls nur ein falſches Blend-Werck ſeyn/
Jch kenne ſchon deſſelben ſchlaue Tuͤcke/
Drum acht’ ich nichtes nicht den bloſſen Schein.
2.
Den bloſſen Schein/ und ſonſten nichts zu lieben/
Heiſt Aepffel ihm von Sodom auserſehn:
Ein Maſt der Wind und grimmer Wellen Treiben
Folgt/ muß gewiß ohn Steur bald unter gehn.
3.
Bald untergehn/ und in der Noht verſincken
Kommt weibiſchen und bangen Hertzen zu.
Wer auch nicht kan die herben Myrrhen trincken
Erlangt niemahls die ſtets gewuͤnſchte Ruh.
4.
Gewuͤnſchte Ruh/ und ſuͤſſe Luſt genieſſen/
Jſt nur fuͤr den/ der niemahls nnterliegt/
Darum laß ich mir keinen Sturm verdrieſſen/
Mein Denck-Spruch iſt: Jch bin dennoch vergnuͤgt.
Neu-Jahrs-Wunſch an eine vornehme
Goͤnnerinn im Nahmen eines andern.
Als noch das alte Rom Minerven Opffer brachte/
Und Jupiter ſein Schutz in allen Noͤhten war/
Wie es den Eichen Krantz um Janus Tempel machte/
Und gantz erfreuet ſprach: Nun iſt das neue Jahr.
Da ſah man die bemuͤht mit Wuͤnſchen und mit Gaben/
Die ein danckbares Hertz vermeyneten zu haben.
Der weiſe Cicero hat dieſen Brauch erhoben/
Wenn er die Danckbarkeit die ſchoͤnſte Tugend nennt.
Sie iſt des Himmels-Bild und eine Brut von oben/
Aus deren Trieben man den ſchoͤnen Urſprung kennt/
Die Goͤtter lieben ſie/ und alle die ſie lieben/
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Zitationshilfe: | Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gressel_grabgedichte_1716/430>, abgerufen am 03.07.2024. |