Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.Reaktion auf Gberschlesien Erfüllung französischer Vernichtungswünsche entgegentaumeln will. Die Fran¬ Die Notwendigkeit einer Koalition als außenpolitischer Einheitsfront ist durch So fehlt die innere, freie, instinktsichcre Einheit der Nation nach wie vor. 1. Mindestens eine weltwirtschaftliche Großmacht, wenn nicht zwei oder 2. Das vorgeschlagene Wirtschaftsabkommen rin Polen muß durch die Art 3. Vor Abschluß der Koalition müssen sich die Parteien bindend oahin Ohne bestimmte Gewähr für diese drer Bedingungen würde der Eintritt 7*
Reaktion auf Gberschlesien Erfüllung französischer Vernichtungswünsche entgegentaumeln will. Die Fran¬ Die Notwendigkeit einer Koalition als außenpolitischer Einheitsfront ist durch So fehlt die innere, freie, instinktsichcre Einheit der Nation nach wie vor. 1. Mindestens eine weltwirtschaftliche Großmacht, wenn nicht zwei oder 2. Das vorgeschlagene Wirtschaftsabkommen rin Polen muß durch die Art 3. Vor Abschluß der Koalition müssen sich die Parteien bindend oahin Ohne bestimmte Gewähr für diese drer Bedingungen würde der Eintritt 7*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0107" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/339656"/> <fw type="header" place="top"> Reaktion auf Gberschlesien</fw><lb/> <p xml:id="ID_421" prev="#ID_420"> Erfüllung französischer Vernichtungswünsche entgegentaumeln will. Die Fran¬<lb/> zosen wünschen sich Sd grenzen, liefern Oberschlesien dem Sarmatentum aus<lb/> und unterstützen unsere Kommunisten; die Angelsachsen wünschen wenigstens<lb/> weltwirtschaftliche Ordnung.</p><lb/> <p xml:id="ID_422"> Die Notwendigkeit einer Koalition als außenpolitischer Einheitsfront ist durch<lb/> die neuesten Ereignisse, wenn möglich, noch gewachsen. Zugleich aber bestätigt<lb/> die erste Reaktion des deutschen Volkes auf die himmelschreiende Entscheidung der<lb/> Genfer Spielhölle leider auch unsere innenpolitische Brüchigkeit. Wenn irgend¬<lb/> wann, hätte das ganze Volk heute ausbrennen müssen, wie eine Pnlvermine. Die<lb/> lendenlahme Art, womit nicht nur die Sozialdemokratie wie ihre Geistesver¬<lb/> wandten, sondern auch manche Wirtschaftskreise das Unrecht hinnahmen, ohne die<lb/> Notwendigkeit einer Änderung des Kurses zu empfinden, gibt den Franzosen<lb/> recht, die uns jede Demütigung, jede Schwächung zumuten, weil wir so rasch ver¬<lb/> gessen, so unverzagt erfüllen, — gibt leider den Poincares Mut. Man erinnere<lb/> sich, wie vor wenigen Monaten noch ganz Deutschland bei dem bloßen Gedanken<lb/> einer Teilung Oberschlesiens bebte! Und heute versichert ein (allerdings für sich<lb/> allein nicht maßgebender) Teil der Nation, wir würden auch ohne Oberschlesien<lb/> gerade so treu und gerade so pünktlich erfüllen können und wollen. Die Tat¬<lb/> sachen widerlegen diese Ansicht, aber die Ansicht als solche schadet Deutschlaich.<lb/> Je katastrophenmüder wir uns benehmen, desto sicherer fügt man uns immer<lb/> neue, Katastrophen zu.</p><lb/> <p xml:id="ID_423"> So fehlt die innere, freie, instinktsichcre Einheit der Nation nach wie vor.<lb/> Ein parlamentarischer Reichskanzler kann mit einer Koalition souveräner Frak¬<lb/> tionskapitäne kaum eine geschlossenere Einheitsfront nach außen stellen, als ein<lb/> mittelalterlicher deutscher Kaiser mit seinen ausciuandertrotzeuden Herzögen. Wir<lb/> Ziehen hieraus die Folgerung, daß die Deutsche Volkspartei in die an sich notwen¬<lb/> dige Koalition nicht eintreten sollte, wenn sie nicht zuvor die innen- und außen¬<lb/> politischen Bedingungen erfüllt sieht, welche das Opfer und das Risiko der Re¬<lb/> gierungsübernahme durch wirkliche unmittelbare Vorteile für Deutschland lohnen.<lb/> Diese Bedingungen müßten sich innenpolitisch in einer.fortschreitenden Erziehung<lb/> der Nation zu einheitlichem Wollen und Fühlen in schwerster Zsett darstellen,<lb/> und außenpolitisch in gewissen Garantien solcher Staaten, welche eine Negierung<lb/> der Ordnung in Deutschland bevorzugen. Die wesentlichsten Bedingungen ließen<lb/> sich Wohl so formulieren:</p><lb/> <p xml:id="ID_424"> 1. Mindestens eine weltwirtschaftliche Großmacht, wenn nicht zwei oder<lb/> drei, nruß Bürgschaft für Verhütung unseres Bankerottes durch positive Zusiche-<lb/> ^ung für die Stabilisierung der Mark leisten.</p><lb/> <p xml:id="ID_425"> 2. Das vorgeschlagene Wirtschaftsabkommen rin Polen muß durch die Art<lb/> seiner Ausführung, bzw. die Auswahl der fremden Verwaltungs- oder Aufsichts-<lb/> vrgane vor schikanöser Ausführung (Saargebiet!) geschützt werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_426"> 3. Vor Abschluß der Koalition müssen sich die Parteien bindend oahin<lb/> einigen, daß sie nach außenpolitischen Rücksichten geführt werde.</p><lb/> <p xml:id="ID_427" next="#ID_428"> Ohne bestimmte Gewähr für diese drer Bedingungen würde der Eintritt<lb/> der Wirtschaft und ihrer Partei in die Neichsregierung als gefährliches Experi¬<lb/> ment aufgefaßt werden müssen. Denn ohne Gewähr hierfür würoe die Wirtschaft<lb/> weder sich selbst noch die Nation retten'können, sondern wir mußten dann</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 7*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0107]
Reaktion auf Gberschlesien
Erfüllung französischer Vernichtungswünsche entgegentaumeln will. Die Fran¬
zosen wünschen sich Sd grenzen, liefern Oberschlesien dem Sarmatentum aus
und unterstützen unsere Kommunisten; die Angelsachsen wünschen wenigstens
weltwirtschaftliche Ordnung.
Die Notwendigkeit einer Koalition als außenpolitischer Einheitsfront ist durch
die neuesten Ereignisse, wenn möglich, noch gewachsen. Zugleich aber bestätigt
die erste Reaktion des deutschen Volkes auf die himmelschreiende Entscheidung der
Genfer Spielhölle leider auch unsere innenpolitische Brüchigkeit. Wenn irgend¬
wann, hätte das ganze Volk heute ausbrennen müssen, wie eine Pnlvermine. Die
lendenlahme Art, womit nicht nur die Sozialdemokratie wie ihre Geistesver¬
wandten, sondern auch manche Wirtschaftskreise das Unrecht hinnahmen, ohne die
Notwendigkeit einer Änderung des Kurses zu empfinden, gibt den Franzosen
recht, die uns jede Demütigung, jede Schwächung zumuten, weil wir so rasch ver¬
gessen, so unverzagt erfüllen, — gibt leider den Poincares Mut. Man erinnere
sich, wie vor wenigen Monaten noch ganz Deutschland bei dem bloßen Gedanken
einer Teilung Oberschlesiens bebte! Und heute versichert ein (allerdings für sich
allein nicht maßgebender) Teil der Nation, wir würden auch ohne Oberschlesien
gerade so treu und gerade so pünktlich erfüllen können und wollen. Die Tat¬
sachen widerlegen diese Ansicht, aber die Ansicht als solche schadet Deutschlaich.
Je katastrophenmüder wir uns benehmen, desto sicherer fügt man uns immer
neue, Katastrophen zu.
So fehlt die innere, freie, instinktsichcre Einheit der Nation nach wie vor.
Ein parlamentarischer Reichskanzler kann mit einer Koalition souveräner Frak¬
tionskapitäne kaum eine geschlossenere Einheitsfront nach außen stellen, als ein
mittelalterlicher deutscher Kaiser mit seinen ausciuandertrotzeuden Herzögen. Wir
Ziehen hieraus die Folgerung, daß die Deutsche Volkspartei in die an sich notwen¬
dige Koalition nicht eintreten sollte, wenn sie nicht zuvor die innen- und außen¬
politischen Bedingungen erfüllt sieht, welche das Opfer und das Risiko der Re¬
gierungsübernahme durch wirkliche unmittelbare Vorteile für Deutschland lohnen.
Diese Bedingungen müßten sich innenpolitisch in einer.fortschreitenden Erziehung
der Nation zu einheitlichem Wollen und Fühlen in schwerster Zsett darstellen,
und außenpolitisch in gewissen Garantien solcher Staaten, welche eine Negierung
der Ordnung in Deutschland bevorzugen. Die wesentlichsten Bedingungen ließen
sich Wohl so formulieren:
1. Mindestens eine weltwirtschaftliche Großmacht, wenn nicht zwei oder
drei, nruß Bürgschaft für Verhütung unseres Bankerottes durch positive Zusiche-
^ung für die Stabilisierung der Mark leisten.
2. Das vorgeschlagene Wirtschaftsabkommen rin Polen muß durch die Art
seiner Ausführung, bzw. die Auswahl der fremden Verwaltungs- oder Aufsichts-
vrgane vor schikanöser Ausführung (Saargebiet!) geschützt werden.
3. Vor Abschluß der Koalition müssen sich die Parteien bindend oahin
einigen, daß sie nach außenpolitischen Rücksichten geführt werde.
Ohne bestimmte Gewähr für diese drer Bedingungen würde der Eintritt
der Wirtschaft und ihrer Partei in die Neichsregierung als gefährliches Experi¬
ment aufgefaßt werden müssen. Denn ohne Gewähr hierfür würoe die Wirtschaft
weder sich selbst noch die Nation retten'können, sondern wir mußten dann
7*
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |