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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

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sie nicht mehr aufzubringen vermögen, vielleicht aber auch auf einen Wink Nord¬
amerikas hin, die mittelamerikanischen Staaten wenig Interesse für den Völker¬
bund bezeigten. Auch in Südamerika ist man, zum Teil aus Verstimmung, dust
Spanisch als offizielle Sprache uicht zugelassen worden ist, zum Teil aber anch
wohl mit Rücksicht auf die zur Bildung eines panamerikanischen Völkerbundes
schwebenden Verhandlungen mit Nordamerika, nicht gerade geneigt, den Völker¬
bund englischer Provenienz, der sich immer mehr als eine rein europäische An¬
gelegenheit entpuppt, libermüßig ernst zu nehmen. Sichtlich ist man denn auch,
besonders auf ständig wiederholten englischen Antrieb, bemüht, die schwächliche Auto¬
rität des Völkerbundes ja nicht durch allzu entschiedene Beschlüsse zu kompromit¬
tieren und alles zu vermeiden, was die tatsächliche Ohnmacht des Bundes in ein
allzu Helles Licht rücken würde. Als Mittel dienten die bekannten Manöver
der Verweisungen an Kommissionen und Subkommissiouen, der Vertagungen und
Verbesserungsauträge, der Verhandlungen hinter den Kulissen, der inopportunen
Gegellanträge der Kompetenzbedenken usw. Aber all diese in der Natur der
Sache liegenden Mängel entgehen am wenigsten den Mitgliedern des Völker¬
bundes selber. So bedauerte der Generalsekretär und belgische Senator La Fon¬
taine, daß die Völkerbnndsmitglieder nur mit offensichtlichen Zögern und nur
auf besonderes Drängen hin sich in genügender Zahl zur Ratifikation der! Be¬
stimmungen über die Einsetzung des iuterncitionalen Gerichtshofes herbeigelassen,
und daß nur 12 Mitglieder das Protokoll über das ObligatornlM genehmigt,
daß sogar im Kampf gegen den Typhus in Osteuropa wenig Eifer gezeigt wor¬
den sei. Branting tadelte die energielose Arbeit gewisser Kommissionen, die zu
wenig positive Ergebnisse förderten und wies mit Recht darauf hiu, daß die Be¬
deutung der Versammlung durchaus davon abhängig sei, daß verschiedene Länder
verantwortliche Staatsmänner entsandten, damit anch Gewähr vorhanden su, daß
gefaßte Beschlüsse wirklich ausgeführt würden. Wie vorsichtig, trotz all dieser
schönen Mahnungen, vorgegangen wurde, zeigt der Umstand, daß man auf eine
englische Mahnung zur Vorsicht hin, nicht einmal wagte, Fragebogen wegen der
Nüstungsbestände an die einzelnen Regierungen zu verschicken und sich zu den"
Geständnis bequemen mußte, daß die Subkoinmission nicht imstande gewesen sei,
über die "heikle und komplizierte Frage" der privaten Herstellung von Munition
und Kriegsmaterial endgültige Schlüsse zu ziehen. Besonders interessant sind
in dieser Hinsicht die Verhandlungen über den Blockade-Paragraphen, den man
stark abschwächte, weil die Verhandlungen ergaben, daß namentlich infolge des
Ausscheidens Amerikas, Rußlands und' Dentschlands, aber auch allgemein, ein¬
zelne Staaten durch Allwendung der Blockade in eine schwierige Lage geraten
könnten. Alls die besonderen Verhältnisse der einzelnen Länder, so entschied
man daher, müsse unter allen Umständen Rücksicht genommen werden. Nur in
dem ganz besonderen Falle des Bruches des Vertrages durch Mitglieder des Bun¬
des sollte unbedingt die Blockade Anwendung finden. Aber auch hier ließ man
wieder eine Hintertür offen. Denn selbst ein einseitig kriegerischer Akt des fehl¬
baren Staates solle nicht ohne weiteres auch Kriegszustand zwischen "Ka un,d
sämtlichen Bundesmitgliedern Herbeiführen, sondern im Gegenteil versucht wer¬
den, durch nach und nach zu verstärkenden wirtschaftlichen Druck den Krieg zu!
vermeiden. Schließlich wurde es noch dem Ermessen jedes einzelnen Staates über¬
lassen, zu entscheiden, ob überhaupt ein Bruch des Völkerbundpaktes im Sinns
des Z 16 vorliege.

Interessanter noch sind die schon erwähnten Momente, die das Ringen des
englischen und französischen Einflusses innerhalb des Völkerbundes mehr odeo
weniger deutlich erkennen lassen, und überaus lehrreich ist es, zu beobachten, wie
selbst der Einfluß des sich fernhaltenden Amerikas an verschiedenen Punkten ent¬
scheidend hervortritt. Der englisch-französische Gegensatz tritt schon in der Dis¬
kussion über ganz allgemeine Fragen hervor. Während die Engländer für sinn¬
gemäße Entwicklung des Völkerbundes und sichtlich für Anpassung seiner Be¬
stimmungen an Realitäten sind, verschanzen sich die Franzosen, die, um der nur


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sie nicht mehr aufzubringen vermögen, vielleicht aber auch auf einen Wink Nord¬
amerikas hin, die mittelamerikanischen Staaten wenig Interesse für den Völker¬
bund bezeigten. Auch in Südamerika ist man, zum Teil aus Verstimmung, dust
Spanisch als offizielle Sprache uicht zugelassen worden ist, zum Teil aber anch
wohl mit Rücksicht auf die zur Bildung eines panamerikanischen Völkerbundes
schwebenden Verhandlungen mit Nordamerika, nicht gerade geneigt, den Völker¬
bund englischer Provenienz, der sich immer mehr als eine rein europäische An¬
gelegenheit entpuppt, libermüßig ernst zu nehmen. Sichtlich ist man denn auch,
besonders auf ständig wiederholten englischen Antrieb, bemüht, die schwächliche Auto¬
rität des Völkerbundes ja nicht durch allzu entschiedene Beschlüsse zu kompromit¬
tieren und alles zu vermeiden, was die tatsächliche Ohnmacht des Bundes in ein
allzu Helles Licht rücken würde. Als Mittel dienten die bekannten Manöver
der Verweisungen an Kommissionen und Subkommissiouen, der Vertagungen und
Verbesserungsauträge, der Verhandlungen hinter den Kulissen, der inopportunen
Gegellanträge der Kompetenzbedenken usw. Aber all diese in der Natur der
Sache liegenden Mängel entgehen am wenigsten den Mitgliedern des Völker¬
bundes selber. So bedauerte der Generalsekretär und belgische Senator La Fon¬
taine, daß die Völkerbnndsmitglieder nur mit offensichtlichen Zögern und nur
auf besonderes Drängen hin sich in genügender Zahl zur Ratifikation der! Be¬
stimmungen über die Einsetzung des iuterncitionalen Gerichtshofes herbeigelassen,
und daß nur 12 Mitglieder das Protokoll über das ObligatornlM genehmigt,
daß sogar im Kampf gegen den Typhus in Osteuropa wenig Eifer gezeigt wor¬
den sei. Branting tadelte die energielose Arbeit gewisser Kommissionen, die zu
wenig positive Ergebnisse förderten und wies mit Recht darauf hiu, daß die Be¬
deutung der Versammlung durchaus davon abhängig sei, daß verschiedene Länder
verantwortliche Staatsmänner entsandten, damit anch Gewähr vorhanden su, daß
gefaßte Beschlüsse wirklich ausgeführt würden. Wie vorsichtig, trotz all dieser
schönen Mahnungen, vorgegangen wurde, zeigt der Umstand, daß man auf eine
englische Mahnung zur Vorsicht hin, nicht einmal wagte, Fragebogen wegen der
Nüstungsbestände an die einzelnen Regierungen zu verschicken und sich zu den»
Geständnis bequemen mußte, daß die Subkoinmission nicht imstande gewesen sei,
über die „heikle und komplizierte Frage" der privaten Herstellung von Munition
und Kriegsmaterial endgültige Schlüsse zu ziehen. Besonders interessant sind
in dieser Hinsicht die Verhandlungen über den Blockade-Paragraphen, den man
stark abschwächte, weil die Verhandlungen ergaben, daß namentlich infolge des
Ausscheidens Amerikas, Rußlands und' Dentschlands, aber auch allgemein, ein¬
zelne Staaten durch Allwendung der Blockade in eine schwierige Lage geraten
könnten. Alls die besonderen Verhältnisse der einzelnen Länder, so entschied
man daher, müsse unter allen Umständen Rücksicht genommen werden. Nur in
dem ganz besonderen Falle des Bruches des Vertrages durch Mitglieder des Bun¬
des sollte unbedingt die Blockade Anwendung finden. Aber auch hier ließ man
wieder eine Hintertür offen. Denn selbst ein einseitig kriegerischer Akt des fehl¬
baren Staates solle nicht ohne weiteres auch Kriegszustand zwischen »Ka un,d
sämtlichen Bundesmitgliedern Herbeiführen, sondern im Gegenteil versucht wer¬
den, durch nach und nach zu verstärkenden wirtschaftlichen Druck den Krieg zu!
vermeiden. Schließlich wurde es noch dem Ermessen jedes einzelnen Staates über¬
lassen, zu entscheiden, ob überhaupt ein Bruch des Völkerbundpaktes im Sinns
des Z 16 vorliege.

Interessanter noch sind die schon erwähnten Momente, die das Ringen des
englischen und französischen Einflusses innerhalb des Völkerbundes mehr odeo
weniger deutlich erkennen lassen, und überaus lehrreich ist es, zu beobachten, wie
selbst der Einfluß des sich fernhaltenden Amerikas an verschiedenen Punkten ent¬
scheidend hervortritt. Der englisch-französische Gegensatz tritt schon in der Dis¬
kussion über ganz allgemeine Fragen hervor. Während die Engländer für sinn¬
gemäße Entwicklung des Völkerbundes und sichtlich für Anpassung seiner Be¬
stimmungen an Realitäten sind, verschanzen sich die Franzosen, die, um der nur


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[0100] Weltspiegel sie nicht mehr aufzubringen vermögen, vielleicht aber auch auf einen Wink Nord¬ amerikas hin, die mittelamerikanischen Staaten wenig Interesse für den Völker¬ bund bezeigten. Auch in Südamerika ist man, zum Teil aus Verstimmung, dust Spanisch als offizielle Sprache uicht zugelassen worden ist, zum Teil aber anch wohl mit Rücksicht auf die zur Bildung eines panamerikanischen Völkerbundes schwebenden Verhandlungen mit Nordamerika, nicht gerade geneigt, den Völker¬ bund englischer Provenienz, der sich immer mehr als eine rein europäische An¬ gelegenheit entpuppt, libermüßig ernst zu nehmen. Sichtlich ist man denn auch, besonders auf ständig wiederholten englischen Antrieb, bemüht, die schwächliche Auto¬ rität des Völkerbundes ja nicht durch allzu entschiedene Beschlüsse zu kompromit¬ tieren und alles zu vermeiden, was die tatsächliche Ohnmacht des Bundes in ein allzu Helles Licht rücken würde. Als Mittel dienten die bekannten Manöver der Verweisungen an Kommissionen und Subkommissiouen, der Vertagungen und Verbesserungsauträge, der Verhandlungen hinter den Kulissen, der inopportunen Gegellanträge der Kompetenzbedenken usw. Aber all diese in der Natur der Sache liegenden Mängel entgehen am wenigsten den Mitgliedern des Völker¬ bundes selber. So bedauerte der Generalsekretär und belgische Senator La Fon¬ taine, daß die Völkerbnndsmitglieder nur mit offensichtlichen Zögern und nur auf besonderes Drängen hin sich in genügender Zahl zur Ratifikation der! Be¬ stimmungen über die Einsetzung des iuterncitionalen Gerichtshofes herbeigelassen, und daß nur 12 Mitglieder das Protokoll über das ObligatornlM genehmigt, daß sogar im Kampf gegen den Typhus in Osteuropa wenig Eifer gezeigt wor¬ den sei. Branting tadelte die energielose Arbeit gewisser Kommissionen, die zu wenig positive Ergebnisse förderten und wies mit Recht darauf hiu, daß die Be¬ deutung der Versammlung durchaus davon abhängig sei, daß verschiedene Länder verantwortliche Staatsmänner entsandten, damit anch Gewähr vorhanden su, daß gefaßte Beschlüsse wirklich ausgeführt würden. Wie vorsichtig, trotz all dieser schönen Mahnungen, vorgegangen wurde, zeigt der Umstand, daß man auf eine englische Mahnung zur Vorsicht hin, nicht einmal wagte, Fragebogen wegen der Nüstungsbestände an die einzelnen Regierungen zu verschicken und sich zu den» Geständnis bequemen mußte, daß die Subkoinmission nicht imstande gewesen sei, über die „heikle und komplizierte Frage" der privaten Herstellung von Munition und Kriegsmaterial endgültige Schlüsse zu ziehen. Besonders interessant sind in dieser Hinsicht die Verhandlungen über den Blockade-Paragraphen, den man stark abschwächte, weil die Verhandlungen ergaben, daß namentlich infolge des Ausscheidens Amerikas, Rußlands und' Dentschlands, aber auch allgemein, ein¬ zelne Staaten durch Allwendung der Blockade in eine schwierige Lage geraten könnten. Alls die besonderen Verhältnisse der einzelnen Länder, so entschied man daher, müsse unter allen Umständen Rücksicht genommen werden. Nur in dem ganz besonderen Falle des Bruches des Vertrages durch Mitglieder des Bun¬ des sollte unbedingt die Blockade Anwendung finden. Aber auch hier ließ man wieder eine Hintertür offen. Denn selbst ein einseitig kriegerischer Akt des fehl¬ baren Staates solle nicht ohne weiteres auch Kriegszustand zwischen »Ka un,d sämtlichen Bundesmitgliedern Herbeiführen, sondern im Gegenteil versucht wer¬ den, durch nach und nach zu verstärkenden wirtschaftlichen Druck den Krieg zu! vermeiden. Schließlich wurde es noch dem Ermessen jedes einzelnen Staates über¬ lassen, zu entscheiden, ob überhaupt ein Bruch des Völkerbundpaktes im Sinns des Z 16 vorliege. Interessanter noch sind die schon erwähnten Momente, die das Ringen des englischen und französischen Einflusses innerhalb des Völkerbundes mehr odeo weniger deutlich erkennen lassen, und überaus lehrreich ist es, zu beobachten, wie selbst der Einfluß des sich fernhaltenden Amerikas an verschiedenen Punkten ent¬ scheidend hervortritt. Der englisch-französische Gegensatz tritt schon in der Dis¬ kussion über ganz allgemeine Fragen hervor. Während die Engländer für sinn¬ gemäße Entwicklung des Völkerbundes und sichtlich für Anpassung seiner Be¬ stimmungen an Realitäten sind, verschanzen sich die Franzosen, die, um der nur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/100>, abgerufen am 19.10.2024.