Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.Federstriche wollen oder nicht, sie gemeinsam büßen und werden nicht anders als gemeinsam Menenius Federstriche Deutscher Parteifanatismus Durch die Presse geht ein Schriftstück, das blitzartig die Tiefe unserer Partei¬ Als kürzlich im Landkreis Köln nach Brauch und Überlieferung von Jahr¬ Selbstverständlich mußte die Behörde jetzt nach Weisung von Koblenz Federstriche wollen oder nicht, sie gemeinsam büßen und werden nicht anders als gemeinsam Menenius Federstriche Deutscher Parteifanatismus Durch die Presse geht ein Schriftstück, das blitzartig die Tiefe unserer Partei¬ Als kürzlich im Landkreis Köln nach Brauch und Überlieferung von Jahr¬ Selbstverständlich mußte die Behörde jetzt nach Weisung von Koblenz <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0331" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/339480"/> <fw type="header" place="top"> Federstriche</fw><lb/> <p xml:id="ID_1393" prev="#ID_1392"> wollen oder nicht, sie gemeinsam büßen und werden nicht anders als gemeinsam<lb/> den Weg zur Wiedergeburt finden müssen, die nicht in Versammlungen und<lb/> Reichstagsentschlüssen, Plataeer und Leitartikeln, sondern in der Kleinarbeit des<lb/> werktäglichen Lebens, jedes einzelnen nach seinem Vermögen erfolgen musz und<lb/> nicht auf einmal, binnen einer Parlamentssession, sondern in der durch Beispiel<lb/> und Lehre erfolgenden sorgfältigen Erziehung der heranwachsenden Generation.</p><lb/> <note type="byline"> Menenius</note><lb/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341913_339148/figures/grenzboten_341913_339148_339480_004.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Federstriche<lb/> Deutscher Parteifanatismus</head><lb/> <p xml:id="ID_1394"> Durch die Presse geht ein Schriftstück, das blitzartig die Tiefe unserer Partei¬<lb/> zerklüftung beleuchtet, und daher Beachtung verdient, trotzdem der Name des<lb/> Denunzianten besser unbeachtet bleibt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1395"> Als kürzlich im Landkreis Köln nach Brauch und Überlieferung von Jahr¬<lb/> hunderten die Feier eines deutschen Schützenfestes unter dem Schutz der<lb/> wohlwollenden britischen Besatzung wieder aufgenommen werden sollte,<lb/> wagte der Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion im Gemeinderat eine<lb/> Denunziation, deren Wortlaut jeder Zusatz abschwächen würde: „Unterzeichneter<lb/> erlaubt sich im Namen der freien Gewerkschaften an die Hohe Interalliierte<lb/> Kommission in Koblenz die Frage zu richten, inwieweit es erlaubt ist. in Deutsch¬<lb/> land Feste militärischer Art mit allerhand militärischem Klimbim zu feiern.<lb/> Unterzeichneter läßt sich davon leiten, daß am Sonntag, dem 1. August, in<lb/> Frechen ein Fest stattfindet, bei welchem Schießen nach Vögeln und Ehrenpreis-<lb/> Vögeln stattfindet. Da wir bis jetzt den Namen des Vereins nicht feststellen<lb/> konnten, da er wahrscheinlich unter falscher Flagge segelt, so bitten wir die Hohe<lb/> Interalliierte Kommission diesbezüglich sofort eine Untersuchung dieser Sache anzu¬<lb/> stellen. Es ist nämlich unser dringendster Wunsch, die Friedensbedingungen zu<lb/> erfüllen. Wenn aber deutsche Kapitalisten jede Mithilfe an der Wiederaufbauung<lb/> regelrecht verweigern und sich durch Gründung von Kriegervereinen usw. und<lb/> Gardevereinen betätigen, so kann auch dem deutschen Arbeiter im besetzten Gebiet<lb/> der Mut vergehen. Ich möchte nun dringend bitten, die Interalliierte Kommisston<lb/> beschäftigte sich einmal gründlich mit diesem unseren Falle, und sehe ich diesbe¬<lb/> züglichen Bescheid hochachtungsvoll entgegen."</p><lb/> <p xml:id="ID_1396"> Selbstverständlich mußte die Behörde jetzt nach Weisung von Koblenz<lb/> eingreifen. Briten, Franzosen und Amerikaner aber nehmen aus dem „besetzten<lb/> Gebiete" den angenehmen Eindruck mit nach Hause, daß selbst die Peitsche der<lb/> „Sanktionen" dem Deutschen den Hang zur Selbstzerfleischung nicht auszutreiben<lb/><note type="byline"> p- w.</note> vermochte. , </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0331]
Federstriche
wollen oder nicht, sie gemeinsam büßen und werden nicht anders als gemeinsam
den Weg zur Wiedergeburt finden müssen, die nicht in Versammlungen und
Reichstagsentschlüssen, Plataeer und Leitartikeln, sondern in der Kleinarbeit des
werktäglichen Lebens, jedes einzelnen nach seinem Vermögen erfolgen musz und
nicht auf einmal, binnen einer Parlamentssession, sondern in der durch Beispiel
und Lehre erfolgenden sorgfältigen Erziehung der heranwachsenden Generation.
Menenius
[Abbildung]
Federstriche
Deutscher Parteifanatismus
Durch die Presse geht ein Schriftstück, das blitzartig die Tiefe unserer Partei¬
zerklüftung beleuchtet, und daher Beachtung verdient, trotzdem der Name des
Denunzianten besser unbeachtet bleibt.
Als kürzlich im Landkreis Köln nach Brauch und Überlieferung von Jahr¬
hunderten die Feier eines deutschen Schützenfestes unter dem Schutz der
wohlwollenden britischen Besatzung wieder aufgenommen werden sollte,
wagte der Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion im Gemeinderat eine
Denunziation, deren Wortlaut jeder Zusatz abschwächen würde: „Unterzeichneter
erlaubt sich im Namen der freien Gewerkschaften an die Hohe Interalliierte
Kommission in Koblenz die Frage zu richten, inwieweit es erlaubt ist. in Deutsch¬
land Feste militärischer Art mit allerhand militärischem Klimbim zu feiern.
Unterzeichneter läßt sich davon leiten, daß am Sonntag, dem 1. August, in
Frechen ein Fest stattfindet, bei welchem Schießen nach Vögeln und Ehrenpreis-
Vögeln stattfindet. Da wir bis jetzt den Namen des Vereins nicht feststellen
konnten, da er wahrscheinlich unter falscher Flagge segelt, so bitten wir die Hohe
Interalliierte Kommission diesbezüglich sofort eine Untersuchung dieser Sache anzu¬
stellen. Es ist nämlich unser dringendster Wunsch, die Friedensbedingungen zu
erfüllen. Wenn aber deutsche Kapitalisten jede Mithilfe an der Wiederaufbauung
regelrecht verweigern und sich durch Gründung von Kriegervereinen usw. und
Gardevereinen betätigen, so kann auch dem deutschen Arbeiter im besetzten Gebiet
der Mut vergehen. Ich möchte nun dringend bitten, die Interalliierte Kommisston
beschäftigte sich einmal gründlich mit diesem unseren Falle, und sehe ich diesbe¬
züglichen Bescheid hochachtungsvoll entgegen."
Selbstverständlich mußte die Behörde jetzt nach Weisung von Koblenz
eingreifen. Briten, Franzosen und Amerikaner aber nehmen aus dem „besetzten
Gebiete" den angenehmen Eindruck mit nach Hause, daß selbst die Peitsche der
„Sanktionen" dem Deutschen den Hang zur Selbstzerfleischung nicht auszutreiben
p- w. vermochte. ,
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