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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.

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Das Kartenspiel um Gberschlesien

Namslau, die bei der Abtretung nach dem Entwurf des Friedensvertrages noch
nicht vorgesehen war, durch dieses polnische Kartenbild bestimmt zu sehen. Die
von Spetl als deutsch bezeichneten Teile Oberschlesiens sind von dem Abstim¬
mungsgebiet dagegen wohlweislich abgesondert. Die Begrenzung war also genau
so vorgesehen, daß mau im polnischen Sinne glaubte keine Gefahr zu laufen/,
sondern das ganze Gebiet für Polen zu erhalten. So wird auch verständlich, daß
vor der Abstimmung immer wieder auch von amtlichen pol¬
nischen Stellen betont wurde, vou eiuer Teilung könne gar
keine Rede sein, das ganze Gebiet müsse entsprechend dem Mehrheitswillen
seine Zugehörigkeit bestimmt erhalten. Wir müssen diese Tatsachen stark be¬
tonen, um die innere UnWahrhaftigkeit einer Teilung längs einer Nordsüdlinie
in das rechte Licht zu stellen. Jetzt, wo die Abstimmung ganz Oberschlesien für
die deutsche Staatsgemeinschaft in Anspruch genommen hat, will man eine neue
Greuze so ziehen, daß wenigstens das östlich von ihr gelegene Gebiet eine polnische
Stimmenmehrheit aufweist. Das ist eine ganz unerhörte Willkür, die niemals
zugelassen werden darf. Hier läßt sich auch keine geographische oder wirtschaft¬
liche Lage konstruieren, wie sie bei der Festsetzung der Grenze nach der Abstim¬
mung im einzelnen vorgesehen ist, sondern der einzige Grund für das Legen der
Korfantylinie ist der, östlich von ihr ein Gebiet zu erhalten, in dem sich noch
eben eine polnische Stimmenuiehrhe.it Heransrechnen läßt. Solche Berechnungen
und Erwägungen konnten seinerzeit angestellt werden und sind angestellt worden,
als es sich um die Umgrenzung des Abstimmungsgebietes handelte. Die Polen
waren ja von den Verhandlungen zu diesem Zweck nicht ausgeschlossen, wie es
die Deutschen waren. Es war gewiß sehr töricht, mit den falschen Sprachen¬
karten das politische Spiel zu machen und im Vertrauen ans sie das Abstim¬
mungsgebiet zu formen, weil man die Gier gar nicht genug stillen konnte. Aber
jetzt hat die Selbstbestimmung des Gebietes stattgefunden. Jetzt muß gehalten
werden, was feierlich zugesagt ist.

Der kartographische Täuschungsversuch mit der Korfantylinie muß in seiner
ganzen Schamlosigkeit bekanntgegeben werden. Es ist eitel Humbug, aus einem
aufs innigste mit Deutschland verbundenen Gebiet, aus einer Bevölkerung, die
durch und durch mit Deutschen und Deutschwilligen durchsetzt ist, nun mit einem
Male doch wieder eine rein polnisch bestimmte Gemeinschaft herausholen zu wollen.
An der Korfantylinie hört die deutsche Kultur wahrhaftig nicht auf;
die polnische beginnt erst östlich unserer Reichsgrenze und wird dort
jedem, der sie überschreitet, sehr schnell fühlbar. Die Korfantylinie
ist eine solche Grenze nicht. Daß wir im Westen von ihr so wenig polen¬
willige, im Osten aber eine so große Zahl deutschwilliger Polenflüchtiger finden,
ist lediglich der Beweis dafür, daß quer über diese eingebildete und der Welt
vorgespiegelte Trennungslinie hinweg seit 700 Jahren ein breiter Kulturstrom
nach Osten geflossen ist. Im inneren Frieden haben sich die Verhältnisse der im
Osten wie im Westen der^ Korfantylinie gesessenen oberschlesischen Bevölkerung
unter deutscher Führung gestaltet, hat sich die immer stärkere Durchdringung des
ganzen Landes mit deutscher Arbeitskraft und deutscher Schaffensfreude vollzogen.
Wenn heute östlich der Korfantylinie 48.6 Prozent deutschwilliger Stimmen ge-
zählt werden, so spricht sich darin der ganze reiche Segen deutschen Einflusses in


Grenzboten III 1921 2
Das Kartenspiel um Gberschlesien

Namslau, die bei der Abtretung nach dem Entwurf des Friedensvertrages noch
nicht vorgesehen war, durch dieses polnische Kartenbild bestimmt zu sehen. Die
von Spetl als deutsch bezeichneten Teile Oberschlesiens sind von dem Abstim¬
mungsgebiet dagegen wohlweislich abgesondert. Die Begrenzung war also genau
so vorgesehen, daß mau im polnischen Sinne glaubte keine Gefahr zu laufen/,
sondern das ganze Gebiet für Polen zu erhalten. So wird auch verständlich, daß
vor der Abstimmung immer wieder auch von amtlichen pol¬
nischen Stellen betont wurde, vou eiuer Teilung könne gar
keine Rede sein, das ganze Gebiet müsse entsprechend dem Mehrheitswillen
seine Zugehörigkeit bestimmt erhalten. Wir müssen diese Tatsachen stark be¬
tonen, um die innere UnWahrhaftigkeit einer Teilung längs einer Nordsüdlinie
in das rechte Licht zu stellen. Jetzt, wo die Abstimmung ganz Oberschlesien für
die deutsche Staatsgemeinschaft in Anspruch genommen hat, will man eine neue
Greuze so ziehen, daß wenigstens das östlich von ihr gelegene Gebiet eine polnische
Stimmenmehrheit aufweist. Das ist eine ganz unerhörte Willkür, die niemals
zugelassen werden darf. Hier läßt sich auch keine geographische oder wirtschaft¬
liche Lage konstruieren, wie sie bei der Festsetzung der Grenze nach der Abstim¬
mung im einzelnen vorgesehen ist, sondern der einzige Grund für das Legen der
Korfantylinie ist der, östlich von ihr ein Gebiet zu erhalten, in dem sich noch
eben eine polnische Stimmenuiehrhe.it Heransrechnen läßt. Solche Berechnungen
und Erwägungen konnten seinerzeit angestellt werden und sind angestellt worden,
als es sich um die Umgrenzung des Abstimmungsgebietes handelte. Die Polen
waren ja von den Verhandlungen zu diesem Zweck nicht ausgeschlossen, wie es
die Deutschen waren. Es war gewiß sehr töricht, mit den falschen Sprachen¬
karten das politische Spiel zu machen und im Vertrauen ans sie das Abstim¬
mungsgebiet zu formen, weil man die Gier gar nicht genug stillen konnte. Aber
jetzt hat die Selbstbestimmung des Gebietes stattgefunden. Jetzt muß gehalten
werden, was feierlich zugesagt ist.

Der kartographische Täuschungsversuch mit der Korfantylinie muß in seiner
ganzen Schamlosigkeit bekanntgegeben werden. Es ist eitel Humbug, aus einem
aufs innigste mit Deutschland verbundenen Gebiet, aus einer Bevölkerung, die
durch und durch mit Deutschen und Deutschwilligen durchsetzt ist, nun mit einem
Male doch wieder eine rein polnisch bestimmte Gemeinschaft herausholen zu wollen.
An der Korfantylinie hört die deutsche Kultur wahrhaftig nicht auf;
die polnische beginnt erst östlich unserer Reichsgrenze und wird dort
jedem, der sie überschreitet, sehr schnell fühlbar. Die Korfantylinie
ist eine solche Grenze nicht. Daß wir im Westen von ihr so wenig polen¬
willige, im Osten aber eine so große Zahl deutschwilliger Polenflüchtiger finden,
ist lediglich der Beweis dafür, daß quer über diese eingebildete und der Welt
vorgespiegelte Trennungslinie hinweg seit 700 Jahren ein breiter Kulturstrom
nach Osten geflossen ist. Im inneren Frieden haben sich die Verhältnisse der im
Osten wie im Westen der^ Korfantylinie gesessenen oberschlesischen Bevölkerung
unter deutscher Führung gestaltet, hat sich die immer stärkere Durchdringung des
ganzen Landes mit deutscher Arbeitskraft und deutscher Schaffensfreude vollzogen.
Wenn heute östlich der Korfantylinie 48.6 Prozent deutschwilliger Stimmen ge-
zählt werden, so spricht sich darin der ganze reiche Segen deutschen Einflusses in


Grenzboten III 1921 2
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/31>, abgerufen am 22.12.2024.