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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.

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Luxemburg und Liechtenstein

men dermaßen erheben, daß jede Konzession von oben her quasi unmöglich und
jedenfalls als schreiender Mißton im Einigungswerk, ja als moralischer Totschlag
angesehen werden müßte. Ja, sagte man sich nicht allzu laut, wir seien im ge¬
heimen Einverständnis schon längst von Preußen aufgegeben, sie dürften sicher
sein, daß es an eklatanter Offenbarung der Gesinnung nicht fehlen würde. Käme
es zu einem sukkraM universel, so genügte eine nur etwas bestimmte Aussicht auf
einen irgend annehmbaren Vertrag mit Preußen, um das Votum überall im
deutschen Sinne zu sichern. Unser Wunsch geht dahin, es möchte doch in irgend
einer Weise den Herren des Reichsrates bekannt werden, wie wir Luxemburger
nicht schon ein halb- oder auch nur viertelfranzösisches Volk mit fränkischer oder
wallonischer Sprache, sondern immer noch ein ganz deutsches Volk mit ganz
deutscher Sprache sind und immer bleiben wollen. Unter den 200 000 sind doch
höchstens nur 100, die nicht deutsch verstehen und sprechen können."

Wie stand es, so fragen wir nach diesem überstürzenden Bekenntnis aufs
neue, -- wie stand es 1918 beim Zusammenbruch des deutschen Kaiserreichs in
diesem selben Lande, das doch seither mit scheinbar ehernen, immer fester ge¬
knüpften Banden fünfzig Jahre hindurch mit dem aufstrebenden deutschen Zoll¬
verein verkettet war? -- Begeistert begrüßte ein Volkssplitte,r, der in Art und
Sprache, in Kultur und Wissenschaft ganz verwelscht war, den Rückzug der
deutschen Heere und Beamten. Frohlockend richtete man die Augen, die' schon
seit langen Jahren nach Brüssel und Paris geschickt hatten, nun offen zur
neuen Sonne, die Frankreichs verheerte Fluren so wunderbar vergoldete. Gleich¬
zeitig hatte die deutsche Kultur und die deutsche Politik die General¬
stabsoffiziere der französischen und belgischen Werbearmee ins Land gelassen, die
allgemach die Wurzeln des Deutschtums abgraben und neue Schößlinge in den
von "Weimar und Potsdam" vernachlässigten Boden senkten. Heute ist das Ziel
dieses vorsichtig aufgenommenen und vermutlich durchgeführten "Minenkriegs"
völlig erreicht; ohne daß sich auch heute die "öffentliche Meinung" oder gar die
Parlamente in Deutschland allzu viel um diese neuen Verluste kümmern, die wir
Schlag für Schlag im zweiten Kreis des deutschen Rheintals neben den "Sank¬
tionen" und abseits vom Friedensvertrag erleiden.

Art. 40 des Versailler Instruments hatte Deutschland lediglich
gezwungen, auf die Geltendmachung aller früheren Bestimmungen, die Luxem¬
burg mit dem Reiche von 1842 bis 1902 immer fester verbanden, mit Wirkung
vom 1. Januar 1919 zu verzichten. Die positive "Neuorientierung" blieb dem
Großherzogtum vorbehalten, das man im Frühsommer dieses Jahres im Wider¬
streit der Pflichten zwischen Frankreich und Belgien endlich für letzteren optiert
hat. Die Zollgrenze zwischen beiden Ländern ist aufgehoben; die Verbrauchs¬
steuern, die nach den belgischen Bestimmungen erhoben werden, unterliegen der
gemeinsamen Bewirtschaftung. Die künftigen Handelsverträge werden durch
Belgien abgeschlossen, das auch die konsularische Vertretung übernimmt: alles
ganz nach dem früher deutschen Vorbild. Schärfer als damals aber wird nun die
Unterordnung Luxemburgs unter den Führerstaat durch besondere Bestimmungen
über den Ausbau der Militärgesetzgebung und vor allem durch Einführung der
belgischen Währung auch in Luxemburg festgelegt. Nur wer die enge wirtschaft¬
liche Zusammengehörigkeit Luxemburgs mit Lothringen in der.preußischen Rhein-


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men dermaßen erheben, daß jede Konzession von oben her quasi unmöglich und
jedenfalls als schreiender Mißton im Einigungswerk, ja als moralischer Totschlag
angesehen werden müßte. Ja, sagte man sich nicht allzu laut, wir seien im ge¬
heimen Einverständnis schon längst von Preußen aufgegeben, sie dürften sicher
sein, daß es an eklatanter Offenbarung der Gesinnung nicht fehlen würde. Käme
es zu einem sukkraM universel, so genügte eine nur etwas bestimmte Aussicht auf
einen irgend annehmbaren Vertrag mit Preußen, um das Votum überall im
deutschen Sinne zu sichern. Unser Wunsch geht dahin, es möchte doch in irgend
einer Weise den Herren des Reichsrates bekannt werden, wie wir Luxemburger
nicht schon ein halb- oder auch nur viertelfranzösisches Volk mit fränkischer oder
wallonischer Sprache, sondern immer noch ein ganz deutsches Volk mit ganz
deutscher Sprache sind und immer bleiben wollen. Unter den 200 000 sind doch
höchstens nur 100, die nicht deutsch verstehen und sprechen können."

Wie stand es, so fragen wir nach diesem überstürzenden Bekenntnis aufs
neue, — wie stand es 1918 beim Zusammenbruch des deutschen Kaiserreichs in
diesem selben Lande, das doch seither mit scheinbar ehernen, immer fester ge¬
knüpften Banden fünfzig Jahre hindurch mit dem aufstrebenden deutschen Zoll¬
verein verkettet war? — Begeistert begrüßte ein Volkssplitte,r, der in Art und
Sprache, in Kultur und Wissenschaft ganz verwelscht war, den Rückzug der
deutschen Heere und Beamten. Frohlockend richtete man die Augen, die' schon
seit langen Jahren nach Brüssel und Paris geschickt hatten, nun offen zur
neuen Sonne, die Frankreichs verheerte Fluren so wunderbar vergoldete. Gleich¬
zeitig hatte die deutsche Kultur und die deutsche Politik die General¬
stabsoffiziere der französischen und belgischen Werbearmee ins Land gelassen, die
allgemach die Wurzeln des Deutschtums abgraben und neue Schößlinge in den
von „Weimar und Potsdam" vernachlässigten Boden senkten. Heute ist das Ziel
dieses vorsichtig aufgenommenen und vermutlich durchgeführten „Minenkriegs"
völlig erreicht; ohne daß sich auch heute die „öffentliche Meinung" oder gar die
Parlamente in Deutschland allzu viel um diese neuen Verluste kümmern, die wir
Schlag für Schlag im zweiten Kreis des deutschen Rheintals neben den „Sank¬
tionen" und abseits vom Friedensvertrag erleiden.

Art. 40 des Versailler Instruments hatte Deutschland lediglich
gezwungen, auf die Geltendmachung aller früheren Bestimmungen, die Luxem¬
burg mit dem Reiche von 1842 bis 1902 immer fester verbanden, mit Wirkung
vom 1. Januar 1919 zu verzichten. Die positive „Neuorientierung" blieb dem
Großherzogtum vorbehalten, das man im Frühsommer dieses Jahres im Wider¬
streit der Pflichten zwischen Frankreich und Belgien endlich für letzteren optiert
hat. Die Zollgrenze zwischen beiden Ländern ist aufgehoben; die Verbrauchs¬
steuern, die nach den belgischen Bestimmungen erhoben werden, unterliegen der
gemeinsamen Bewirtschaftung. Die künftigen Handelsverträge werden durch
Belgien abgeschlossen, das auch die konsularische Vertretung übernimmt: alles
ganz nach dem früher deutschen Vorbild. Schärfer als damals aber wird nun die
Unterordnung Luxemburgs unter den Führerstaat durch besondere Bestimmungen
über den Ausbau der Militärgesetzgebung und vor allem durch Einführung der
belgischen Währung auch in Luxemburg festgelegt. Nur wer die enge wirtschaft¬
liche Zusammengehörigkeit Luxemburgs mit Lothringen in der.preußischen Rhein-


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[0288] Luxemburg und Liechtenstein men dermaßen erheben, daß jede Konzession von oben her quasi unmöglich und jedenfalls als schreiender Mißton im Einigungswerk, ja als moralischer Totschlag angesehen werden müßte. Ja, sagte man sich nicht allzu laut, wir seien im ge¬ heimen Einverständnis schon längst von Preußen aufgegeben, sie dürften sicher sein, daß es an eklatanter Offenbarung der Gesinnung nicht fehlen würde. Käme es zu einem sukkraM universel, so genügte eine nur etwas bestimmte Aussicht auf einen irgend annehmbaren Vertrag mit Preußen, um das Votum überall im deutschen Sinne zu sichern. Unser Wunsch geht dahin, es möchte doch in irgend einer Weise den Herren des Reichsrates bekannt werden, wie wir Luxemburger nicht schon ein halb- oder auch nur viertelfranzösisches Volk mit fränkischer oder wallonischer Sprache, sondern immer noch ein ganz deutsches Volk mit ganz deutscher Sprache sind und immer bleiben wollen. Unter den 200 000 sind doch höchstens nur 100, die nicht deutsch verstehen und sprechen können." Wie stand es, so fragen wir nach diesem überstürzenden Bekenntnis aufs neue, — wie stand es 1918 beim Zusammenbruch des deutschen Kaiserreichs in diesem selben Lande, das doch seither mit scheinbar ehernen, immer fester ge¬ knüpften Banden fünfzig Jahre hindurch mit dem aufstrebenden deutschen Zoll¬ verein verkettet war? — Begeistert begrüßte ein Volkssplitte,r, der in Art und Sprache, in Kultur und Wissenschaft ganz verwelscht war, den Rückzug der deutschen Heere und Beamten. Frohlockend richtete man die Augen, die' schon seit langen Jahren nach Brüssel und Paris geschickt hatten, nun offen zur neuen Sonne, die Frankreichs verheerte Fluren so wunderbar vergoldete. Gleich¬ zeitig hatte die deutsche Kultur und die deutsche Politik die General¬ stabsoffiziere der französischen und belgischen Werbearmee ins Land gelassen, die allgemach die Wurzeln des Deutschtums abgraben und neue Schößlinge in den von „Weimar und Potsdam" vernachlässigten Boden senkten. Heute ist das Ziel dieses vorsichtig aufgenommenen und vermutlich durchgeführten „Minenkriegs" völlig erreicht; ohne daß sich auch heute die „öffentliche Meinung" oder gar die Parlamente in Deutschland allzu viel um diese neuen Verluste kümmern, die wir Schlag für Schlag im zweiten Kreis des deutschen Rheintals neben den „Sank¬ tionen" und abseits vom Friedensvertrag erleiden. Art. 40 des Versailler Instruments hatte Deutschland lediglich gezwungen, auf die Geltendmachung aller früheren Bestimmungen, die Luxem¬ burg mit dem Reiche von 1842 bis 1902 immer fester verbanden, mit Wirkung vom 1. Januar 1919 zu verzichten. Die positive „Neuorientierung" blieb dem Großherzogtum vorbehalten, das man im Frühsommer dieses Jahres im Wider¬ streit der Pflichten zwischen Frankreich und Belgien endlich für letzteren optiert hat. Die Zollgrenze zwischen beiden Ländern ist aufgehoben; die Verbrauchs¬ steuern, die nach den belgischen Bestimmungen erhoben werden, unterliegen der gemeinsamen Bewirtschaftung. Die künftigen Handelsverträge werden durch Belgien abgeschlossen, das auch die konsularische Vertretung übernimmt: alles ganz nach dem früher deutschen Vorbild. Schärfer als damals aber wird nun die Unterordnung Luxemburgs unter den Führerstaat durch besondere Bestimmungen über den Ausbau der Militärgesetzgebung und vor allem durch Einführung der belgischen Währung auch in Luxemburg festgelegt. Nur wer die enge wirtschaft¬ liche Zusammengehörigkeit Luxemburgs mit Lothringen in der.preußischen Rhein-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/288>, abgerufen am 22.12.2024.