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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.

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Der nächste Krieg

Der nächste Arieg
H. L. Mencken von
I.

le sicherste Methode, einen Krieg herbeizuführen, ist offenbar
folgende: man beweist, daß er im Widerspruch mit den großen
ethisch-kosmischen Gesetzen stehen würde, die Sonnenuntergange,
das Lachen kleiner Kinder und alle lieblichen Abarten von Rosen
und bösartigen Geschwülsten erzeugen, und daher vernünftiger¬
weise nicht stattfinden kaum Dieser segensreiche Prozeß arbeitet jetzt glänzend
auf einen Zusammenstoß zwischen den beiden großen Reichen der Gründer und
Wucherer hin, Japan und den Vereinigten Staaten. Dieselbe amerikanische Ver¬
einigung für internationale Versöhnung, die im Frühling 1914 einwandfrei
dartat, daß ganz Europa in Menschenfreundlichkeit gebadet sei, sammelt jetzt ihre
unanfechtbaren Beweise dafür, daß wir und die Japs nicht miteinander raufen
dürfen und sollen. Und an dieser segensreichen Tätigkeit beteiligen sich auch eine
Menge geringerer Weltverbesserer, Seher von Gesichten, Shakers, Spießbürger,
menschlicher Rettungswagen, Chautauquaner, Bringer von Votschaften und Einbalsa¬
mierer der Gesittung. Ich bezweifle, daß es in unserer Republik einen Leitartikler
gibt, der nicht wenigstens einen Leiter über den Gegenstand geschrieben hat, und
daß ein einziger solcher Artikel verfehlt hat, die kommende Kellerei als undenkbar
zu schildern.

Nichtsdestoweniger melden meine Agenten im fernen Osten, die sich bisher
als sehr vertrauenswürdig erwiesen haben, daß der Zweifel an der Unmöglichkeit
der Sache im geometrischen Verhältnis zunimmt, je näher man dem wahrschein¬
lichen Schauplatz des Mordens kommt. Hier an der atlantischen Küste betrachtet
jeder ordentliche Mensch im wesentlichen den ganzen Alarm etwa als eine von
Hearst fabrizierte Sensation. An der Küste des Stillen Meeres wird die Sache
ernsthaft erörtert. In Hawaii erörtert man sie voller Angst. In Australien ist
sie der Gegenstand grauenhafter Träume. In Japan, so sagt man mir, arbeiten
die Schleifsteine Tag und Nacht und jedes doppelgriffige Schwert nimmt die
Schärfe eines Rasiermessers an.

Was mich anbetrifft, so verhalte ich mich neutral -- das heißt, inbezuq
auf die Tatsache: Der Krieg kann kommen, oder er mag nicht kommen. Die
Entscheidung darüber liegt bei Gamaliel Harding, nicht bei solchen Würmern wie
du und ich. Aber in Ermangelung tatsächlicher Kenntnis dessen, was in den
Herzen und Hirnen bedeutender Männer lebt, kann ich wenigstens einer Hoffnung
Ausdruck verleihen, und ehrlich gesagt, geht die Hoffnung dahin, daß der Radau
recht bald losgehen möchte und zwar im Stile: "Schlag ihn nieder und schmeiß'
ihn raus." Kurz gesagt, ich trete offen und ohne mich zu schämen für diesen
Krieg mit Japan ein und biete jedem, der einen logischen und vernünftigen Ein¬
Wurf, der nicht auf greifbarer Gefühlsduselei begründet ist. dagegen anführt, ein
Exemplar der Völkerbundakte in Kalbsleber gebunden.


II.

Es würde ein Seekrieg sein, und Seekriege bieten prächtige Schauspiele
dar. Die Kalifornier, die große Feiglinge zu sein scheinen, was ihre ständige


Grenzboten III 192t 16
Der nächste Krieg

Der nächste Arieg
H. L. Mencken von
I.

le sicherste Methode, einen Krieg herbeizuführen, ist offenbar
folgende: man beweist, daß er im Widerspruch mit den großen
ethisch-kosmischen Gesetzen stehen würde, die Sonnenuntergange,
das Lachen kleiner Kinder und alle lieblichen Abarten von Rosen
und bösartigen Geschwülsten erzeugen, und daher vernünftiger¬
weise nicht stattfinden kaum Dieser segensreiche Prozeß arbeitet jetzt glänzend
auf einen Zusammenstoß zwischen den beiden großen Reichen der Gründer und
Wucherer hin, Japan und den Vereinigten Staaten. Dieselbe amerikanische Ver¬
einigung für internationale Versöhnung, die im Frühling 1914 einwandfrei
dartat, daß ganz Europa in Menschenfreundlichkeit gebadet sei, sammelt jetzt ihre
unanfechtbaren Beweise dafür, daß wir und die Japs nicht miteinander raufen
dürfen und sollen. Und an dieser segensreichen Tätigkeit beteiligen sich auch eine
Menge geringerer Weltverbesserer, Seher von Gesichten, Shakers, Spießbürger,
menschlicher Rettungswagen, Chautauquaner, Bringer von Votschaften und Einbalsa¬
mierer der Gesittung. Ich bezweifle, daß es in unserer Republik einen Leitartikler
gibt, der nicht wenigstens einen Leiter über den Gegenstand geschrieben hat, und
daß ein einziger solcher Artikel verfehlt hat, die kommende Kellerei als undenkbar
zu schildern.

Nichtsdestoweniger melden meine Agenten im fernen Osten, die sich bisher
als sehr vertrauenswürdig erwiesen haben, daß der Zweifel an der Unmöglichkeit
der Sache im geometrischen Verhältnis zunimmt, je näher man dem wahrschein¬
lichen Schauplatz des Mordens kommt. Hier an der atlantischen Küste betrachtet
jeder ordentliche Mensch im wesentlichen den ganzen Alarm etwa als eine von
Hearst fabrizierte Sensation. An der Küste des Stillen Meeres wird die Sache
ernsthaft erörtert. In Hawaii erörtert man sie voller Angst. In Australien ist
sie der Gegenstand grauenhafter Träume. In Japan, so sagt man mir, arbeiten
die Schleifsteine Tag und Nacht und jedes doppelgriffige Schwert nimmt die
Schärfe eines Rasiermessers an.

Was mich anbetrifft, so verhalte ich mich neutral — das heißt, inbezuq
auf die Tatsache: Der Krieg kann kommen, oder er mag nicht kommen. Die
Entscheidung darüber liegt bei Gamaliel Harding, nicht bei solchen Würmern wie
du und ich. Aber in Ermangelung tatsächlicher Kenntnis dessen, was in den
Herzen und Hirnen bedeutender Männer lebt, kann ich wenigstens einer Hoffnung
Ausdruck verleihen, und ehrlich gesagt, geht die Hoffnung dahin, daß der Radau
recht bald losgehen möchte und zwar im Stile: „Schlag ihn nieder und schmeiß'
ihn raus." Kurz gesagt, ich trete offen und ohne mich zu schämen für diesen
Krieg mit Japan ein und biete jedem, der einen logischen und vernünftigen Ein¬
Wurf, der nicht auf greifbarer Gefühlsduselei begründet ist. dagegen anführt, ein
Exemplar der Völkerbundakte in Kalbsleber gebunden.


II.

Es würde ein Seekrieg sein, und Seekriege bieten prächtige Schauspiele
dar. Die Kalifornier, die große Feiglinge zu sein scheinen, was ihre ständige


Grenzboten III 192t 16
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/255>, abgerufen am 04.07.2024.