Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.Das Kartenspiel um Dberschlesien Menschen zu Polen macht, die es nicht sind. Ferner werden verschiedene Kreise, Gefährlicher gefälscht als diese immerhin plumpe "Aufbesserung" der Dinge Gerade die Spettsche Karte dürfte bei der Behandlung der Ostfragen Das Kartenspiel um Dberschlesien Menschen zu Polen macht, die es nicht sind. Ferner werden verschiedene Kreise, Gefährlicher gefälscht als diese immerhin plumpe „Aufbesserung" der Dinge Gerade die Spettsche Karte dürfte bei der Behandlung der Ostfragen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0024" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/339173"/> <fw type="header" place="top"> Das Kartenspiel um Dberschlesien</fw><lb/> <p xml:id="ID_52" prev="#ID_51"> Menschen zu Polen macht, die es nicht sind. Ferner werden verschiedene Kreise,<lb/> die trotz solcher Kniffe noch immer eine deutsche Mehrheit haben, als zu 50 Prozent<lb/> polnisch ausgegeben und mit dem dunkelsten Rot belegt und endlich ist als<lb/> »Annexion vrusse" nicht nur eingetragen, was 1772 erworben wurde, Posen,<lb/> Teile von West- und Ostpreußen, sondern ganz West- und Ostpreußen, dazu<lb/> Schlesien, Pommern und Brandenburg, soweit sie auf der Karte noch mit Platz<lb/> haben. Von deutscher Seite ist diese Fälschung bereits im November 1918<lb/> durch Professor Dietrich Schäfer gekennzeichnet und ihr eine richtige<lb/> Karte entgegengestellt, die nach derselben Methode verfährt, aber mit unge¬<lb/> fälschten Zahlen arbeitet, die Zweisprachigen zu gleichen Teilen an Polen und<lb/> Deutsche gibt, und nicht da abändert, wo man die Zahl lieber anders sähe, als<lb/> sie tatsächlich ist. Die deutsche Karte nimmt daher die Stufen auch sachgemäß so:<lb/> über 50 Prozent, 50 bis 40, 40 bis 30, 30 bis 20, 20 bis 10 Prozent Deutsche.</p><lb/> <p xml:id="ID_53"> Gefährlicher gefälscht als diese immerhin plumpe „Aufbesserung" der Dinge<lb/> im polnischen Sinne ist die „Nationalitätenkarte der östlichen Provinzen<lb/> des deutschen Reiches" von Jakob Spetl, weil sie einmal durch eine Dar¬<lb/> stellung kleiner Flächenstücke aus Gemeindebezirke zurückzugehen, also besondere<lb/> wissenschaftliche Sorgfalt aufgewandt zu haben scheint, und weil sie ferner in dem<lb/> Drucker „Justus Perthes, Gotha" für einen nicht Fachkundigen den verantwort¬<lb/> lichen Herausgeber vortäuscht. Als Herausgeber ist lediglich'auf einem auf der<lb/> Rückseite aufgeklebten Zettel Moritz Perles in Wien genannt. Ich habe über<lb/> diese Karte in Ur. 44 der „Eisernen Blätter" 1920 etwas ausführlicher berichtet<lb/> und will hier nur kurz bemerken, daß auch dieses polnische Machwerk die Zwei¬<lb/> sprachigen zu Polen macht, ferner alle tschechisch Sprechenden in Oberschlesien zu<lb/> den Polen rechnet, was beides für Oberschlesien ein unberechtigtes Mehr an Polen<lb/> von rund 142318 Menschen schafft, daß Herr Spetl in der statistischen Tabelle<lb/> bei Oberschlesien einfach die vier rein deutschen Kreise glatt unterschlägt und auf<lb/> diese Weise fast eine Zweidrittelmehrheit für die Polen herausbringt, nämlich<lb/> 64,9 Prozent, während sie in Wirklichkeit nur 52,9 Prozent ausmachen, und daß<lb/> er endlich auch im einzelnen eine ganze Reihe böswilliger Fälschungen des Karten¬<lb/> bildes zugunsten der Polen vorgenommen hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_54" next="#ID_55"> Gerade die Spettsche Karte dürfte bei der Behandlung der Ostfragen<lb/> in dem F r i e d e n s d i k t a t einen wesentlichen Einfluß gehabt<lb/> haben. Die französischen Wcltmeiinlngsmacher haben sich ihrer wiederholt bedient.<lb/> Der „Tcmps" hat seinerzeit, als die Friedenskonferenz sich an das „Weichsel¬<lb/> problem" heranmachte und sich anschickte, es in Gegensatz zu den tatsächlichen Ver¬<lb/> hältnissen und den deutschen Lebensnotlvendigkeiten zu lösen, einen Ausschnitt der<lb/> Spettschen Karte gebracht. Er wollte damit die Weltlüge von der Berech¬<lb/> tigung des „polnischen Korridors", den die Feinde mitten durch<lb/> unsere Provinz Westpreußen legten, mit Hilfe der „Wissenschaft" auf die Beine<lb/> stellen und hat zu dein Ende die Fälschung der ethnographischen Tatsachen, die ihm<lb/> die Spettsche Karte bereits bot, noch weiter getrieben. Am Tage der Abstimmung<lb/> in Oberschlesien hat er dann auch dieses Abstimmungsgebiet aus der Spettschen<lb/> Karte herausgeschnitten und in Ur. 21 779 veröffentlicht. Ganz wie damals<lb/> log er wieder, die Karte sei bei Justus Perthes in Gotha veröffentlicht und täuschte<lb/> so in ihr deutsche wissenschaftliche Arbeit vor. Er schrieb dazu im begleitenden</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0024]
Das Kartenspiel um Dberschlesien
Menschen zu Polen macht, die es nicht sind. Ferner werden verschiedene Kreise,
die trotz solcher Kniffe noch immer eine deutsche Mehrheit haben, als zu 50 Prozent
polnisch ausgegeben und mit dem dunkelsten Rot belegt und endlich ist als
»Annexion vrusse" nicht nur eingetragen, was 1772 erworben wurde, Posen,
Teile von West- und Ostpreußen, sondern ganz West- und Ostpreußen, dazu
Schlesien, Pommern und Brandenburg, soweit sie auf der Karte noch mit Platz
haben. Von deutscher Seite ist diese Fälschung bereits im November 1918
durch Professor Dietrich Schäfer gekennzeichnet und ihr eine richtige
Karte entgegengestellt, die nach derselben Methode verfährt, aber mit unge¬
fälschten Zahlen arbeitet, die Zweisprachigen zu gleichen Teilen an Polen und
Deutsche gibt, und nicht da abändert, wo man die Zahl lieber anders sähe, als
sie tatsächlich ist. Die deutsche Karte nimmt daher die Stufen auch sachgemäß so:
über 50 Prozent, 50 bis 40, 40 bis 30, 30 bis 20, 20 bis 10 Prozent Deutsche.
Gefährlicher gefälscht als diese immerhin plumpe „Aufbesserung" der Dinge
im polnischen Sinne ist die „Nationalitätenkarte der östlichen Provinzen
des deutschen Reiches" von Jakob Spetl, weil sie einmal durch eine Dar¬
stellung kleiner Flächenstücke aus Gemeindebezirke zurückzugehen, also besondere
wissenschaftliche Sorgfalt aufgewandt zu haben scheint, und weil sie ferner in dem
Drucker „Justus Perthes, Gotha" für einen nicht Fachkundigen den verantwort¬
lichen Herausgeber vortäuscht. Als Herausgeber ist lediglich'auf einem auf der
Rückseite aufgeklebten Zettel Moritz Perles in Wien genannt. Ich habe über
diese Karte in Ur. 44 der „Eisernen Blätter" 1920 etwas ausführlicher berichtet
und will hier nur kurz bemerken, daß auch dieses polnische Machwerk die Zwei¬
sprachigen zu Polen macht, ferner alle tschechisch Sprechenden in Oberschlesien zu
den Polen rechnet, was beides für Oberschlesien ein unberechtigtes Mehr an Polen
von rund 142318 Menschen schafft, daß Herr Spetl in der statistischen Tabelle
bei Oberschlesien einfach die vier rein deutschen Kreise glatt unterschlägt und auf
diese Weise fast eine Zweidrittelmehrheit für die Polen herausbringt, nämlich
64,9 Prozent, während sie in Wirklichkeit nur 52,9 Prozent ausmachen, und daß
er endlich auch im einzelnen eine ganze Reihe böswilliger Fälschungen des Karten¬
bildes zugunsten der Polen vorgenommen hat.
Gerade die Spettsche Karte dürfte bei der Behandlung der Ostfragen
in dem F r i e d e n s d i k t a t einen wesentlichen Einfluß gehabt
haben. Die französischen Wcltmeiinlngsmacher haben sich ihrer wiederholt bedient.
Der „Tcmps" hat seinerzeit, als die Friedenskonferenz sich an das „Weichsel¬
problem" heranmachte und sich anschickte, es in Gegensatz zu den tatsächlichen Ver¬
hältnissen und den deutschen Lebensnotlvendigkeiten zu lösen, einen Ausschnitt der
Spettschen Karte gebracht. Er wollte damit die Weltlüge von der Berech¬
tigung des „polnischen Korridors", den die Feinde mitten durch
unsere Provinz Westpreußen legten, mit Hilfe der „Wissenschaft" auf die Beine
stellen und hat zu dein Ende die Fälschung der ethnographischen Tatsachen, die ihm
die Spettsche Karte bereits bot, noch weiter getrieben. Am Tage der Abstimmung
in Oberschlesien hat er dann auch dieses Abstimmungsgebiet aus der Spettschen
Karte herausgeschnitten und in Ur. 21 779 veröffentlicht. Ganz wie damals
log er wieder, die Karte sei bei Justus Perthes in Gotha veröffentlicht und täuschte
so in ihr deutsche wissenschaftliche Arbeit vor. Er schrieb dazu im begleitenden
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