Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.Das Kartenspiel im: Vberschlcsien Ein großer Gutsbezirk, der auf einer großen Fläche von 2000 Hektar etwa Auf den ersten Blick macht eine kartographische Darstellung, der die Ge¬ Man vergleiche nur einmal daraufhin die sorgfältig und genau gearbeitete Das Kartenspiel im: Vberschlcsien Ein großer Gutsbezirk, der auf einer großen Fläche von 2000 Hektar etwa Auf den ersten Blick macht eine kartographische Darstellung, der die Ge¬ Man vergleiche nur einmal daraufhin die sorgfältig und genau gearbeitete <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0022" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/339171"/> <fw type="header" place="top"> Das Kartenspiel im: Vberschlcsien</fw><lb/> <p xml:id="ID_45"> Ein großer Gutsbezirk, der auf einer großen Fläche von 2000 Hektar etwa<lb/> zwei deutsche und acht polnische Einwohner hat, ist auf diesen Karten in seiner<lb/> ganzen großen Fläche als zu 80 Prozent polnisch dargestellt. Demgegenüber tritt<lb/> eine Gemeinde, wenn sie auf einem Viertel der Fläche von 500 Hektar unter<lb/> 2000 Einwohnern etwa 1600 Deutsche hat, mit ihren 80 Prozent deutsch ganz<lb/> wesentlich zurück. Jene „80 Prozent polnisch" decken eine viermal so große Fläche<lb/> der Karte, als diese „80 Prozent deutsch", die acht Polen wiegen also für den<lb/> allein nach dem Kartenbilde urteilenden Beschauer viermal so schwer, als die<lb/> 1600 Deutschen, die doch an sich zweihundertmal so stark ins Gewicht fallen müßten,<lb/> als jene acht Polen. Wir haben in der Karte ein Zerrbild der Wirklichkeit vor<lb/> uns, wie man sich es irreführender gar nicht vorstellen kann. Was ich hier für<lb/> zwei Gemeindebezirke versucht habe klar zu machen, gilt genau so für jede größere<lb/> Stadt gegenüber allen den kleinen Landgemeinden eines Kreises und gilt ebenso<lb/> auch von den dünn besiedelten Landkreisen Oberschlesiens, wie Pleß, Rybnik,<lb/> Groß Strehlitz. Lublinitz usw. gegenüber den Massensiedlungen der Jndustriekreise<lb/> auf ihrem engen Raum.</p><lb/> <p xml:id="ID_46"> Auf den ersten Blick macht eine kartographische Darstellung, der die Ge¬<lb/> meindebezirke zugrunde gelegt sind, den Eindruck großer wissenschaftlicher Zuver¬<lb/> lässigkeit, eben weil sie bis in die Einzelheiten hineingeht. Dennoch gibt sie bei<lb/> einer Darstellung nach dem Hnndertanteil ein ganz ungenügendes<lb/> Bild von der tatsächlichen Vevölkerungslage überhaupt. Sie läßt einen<lb/> Vergleich der Flächen, die hier in einem bestimmten Grade „polnisch" oder<lb/> „deutsch" erscheinen, überhaupt nicht zu, weil sie ganz unvergleichbare Dinge als<lb/> völlig gleich vortäuscht. Die kleinen Jnselchen auf der Andreeschen Atlaskarte,<lb/> von denen Herr Briaud spricht, sind keineswegs die verschwindenden deutschen<lb/> Tropfen in dem polnischen Meer, als die er sie hinzustellen beliebt. Gerade die,<lb/> die mit am kleinsten erscheinen, haben die größte Bedeutung für das ganze Land;<lb/> in ihnen liegen die großen Lebensmittelpunkte der Produktion und des Verkehrs<lb/> und bestimmen tatsächlich alle Verhältnisse des Landes weit über den ihnen auf<lb/> der Karte zugewiesenen kleinen Farbenbereich hinaus; sie übertragen die in ihnen<lb/> gesammelten deutschen Lebenskräfte auf das polnisch sprechende Land um sie<lb/> herum und geben ihm dadurch seinen Charakter.</p><lb/> <p xml:id="ID_47" next="#ID_48"> Man vergleiche nur einmal daraufhin die sorgfältig und genau gearbeitete<lb/> Übersichtskarte der in unseren Ostprovinzen vorherrschenden deutschen und fremden<lb/> Muttersprachen nach Gemeindeeinheiten (1:1750000), die vom Königlich Preußischen<lb/> Statistischen Buro gelegentlich seiner Jahrhundertfeier 1905 in einem statistischen<lb/> Atlas veröffentlicht ist,' wo die Landesteile mit überwiegend deutsch und über¬<lb/> wiegend polnisch sprechender Bevölkerung in den beiden Stufen „über 75 Prozent"<lb/> und „über 50 bis 75 Prozent" dargestellt sind. Wenn auf ihr nicht durch die<lb/> Schriftgröße ihrer Namen Orte wie Oppeln. Gleiwitz, Beuthen, Königshütte sich<lb/> vor anderen Orten heraushöben, ihre blauen Farbeninselchen ließen sie als unbe¬<lb/> achtlich in dem weiten roten polnisch sprechenden Vereich erscheinen. Und doch<lb/> machen sie Oberschlesien zu dem, was es istl Die Arbeit und die Tüchtigkeit<lb/> ihrer deutschen Bewohner hat den Weltruf Oberschlesisns begründet und erhalten.<lb/> In der Hundertteilsdarstellung der Bevölkerung nach Sprachen verschwinden diese<lb/> Orte mit ihren auf kleinen Raum zusammengeballten Volksmassen gegenüber den</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0022]
Das Kartenspiel im: Vberschlcsien
Ein großer Gutsbezirk, der auf einer großen Fläche von 2000 Hektar etwa
zwei deutsche und acht polnische Einwohner hat, ist auf diesen Karten in seiner
ganzen großen Fläche als zu 80 Prozent polnisch dargestellt. Demgegenüber tritt
eine Gemeinde, wenn sie auf einem Viertel der Fläche von 500 Hektar unter
2000 Einwohnern etwa 1600 Deutsche hat, mit ihren 80 Prozent deutsch ganz
wesentlich zurück. Jene „80 Prozent polnisch" decken eine viermal so große Fläche
der Karte, als diese „80 Prozent deutsch", die acht Polen wiegen also für den
allein nach dem Kartenbilde urteilenden Beschauer viermal so schwer, als die
1600 Deutschen, die doch an sich zweihundertmal so stark ins Gewicht fallen müßten,
als jene acht Polen. Wir haben in der Karte ein Zerrbild der Wirklichkeit vor
uns, wie man sich es irreführender gar nicht vorstellen kann. Was ich hier für
zwei Gemeindebezirke versucht habe klar zu machen, gilt genau so für jede größere
Stadt gegenüber allen den kleinen Landgemeinden eines Kreises und gilt ebenso
auch von den dünn besiedelten Landkreisen Oberschlesiens, wie Pleß, Rybnik,
Groß Strehlitz. Lublinitz usw. gegenüber den Massensiedlungen der Jndustriekreise
auf ihrem engen Raum.
Auf den ersten Blick macht eine kartographische Darstellung, der die Ge¬
meindebezirke zugrunde gelegt sind, den Eindruck großer wissenschaftlicher Zuver¬
lässigkeit, eben weil sie bis in die Einzelheiten hineingeht. Dennoch gibt sie bei
einer Darstellung nach dem Hnndertanteil ein ganz ungenügendes
Bild von der tatsächlichen Vevölkerungslage überhaupt. Sie läßt einen
Vergleich der Flächen, die hier in einem bestimmten Grade „polnisch" oder
„deutsch" erscheinen, überhaupt nicht zu, weil sie ganz unvergleichbare Dinge als
völlig gleich vortäuscht. Die kleinen Jnselchen auf der Andreeschen Atlaskarte,
von denen Herr Briaud spricht, sind keineswegs die verschwindenden deutschen
Tropfen in dem polnischen Meer, als die er sie hinzustellen beliebt. Gerade die,
die mit am kleinsten erscheinen, haben die größte Bedeutung für das ganze Land;
in ihnen liegen die großen Lebensmittelpunkte der Produktion und des Verkehrs
und bestimmen tatsächlich alle Verhältnisse des Landes weit über den ihnen auf
der Karte zugewiesenen kleinen Farbenbereich hinaus; sie übertragen die in ihnen
gesammelten deutschen Lebenskräfte auf das polnisch sprechende Land um sie
herum und geben ihm dadurch seinen Charakter.
Man vergleiche nur einmal daraufhin die sorgfältig und genau gearbeitete
Übersichtskarte der in unseren Ostprovinzen vorherrschenden deutschen und fremden
Muttersprachen nach Gemeindeeinheiten (1:1750000), die vom Königlich Preußischen
Statistischen Buro gelegentlich seiner Jahrhundertfeier 1905 in einem statistischen
Atlas veröffentlicht ist,' wo die Landesteile mit überwiegend deutsch und über¬
wiegend polnisch sprechender Bevölkerung in den beiden Stufen „über 75 Prozent"
und „über 50 bis 75 Prozent" dargestellt sind. Wenn auf ihr nicht durch die
Schriftgröße ihrer Namen Orte wie Oppeln. Gleiwitz, Beuthen, Königshütte sich
vor anderen Orten heraushöben, ihre blauen Farbeninselchen ließen sie als unbe¬
achtlich in dem weiten roten polnisch sprechenden Vereich erscheinen. Und doch
machen sie Oberschlesien zu dem, was es istl Die Arbeit und die Tüchtigkeit
ihrer deutschen Bewohner hat den Weltruf Oberschlesisns begründet und erhalten.
In der Hundertteilsdarstellung der Bevölkerung nach Sprachen verschwinden diese
Orte mit ihren auf kleinen Raum zusammengeballten Volksmassen gegenüber den
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