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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.

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Altes und neues Heer

Was war mir Vaterhaus, was Mädchen, was Geld, was Wein. Nichts! Kamille
nur eins: Meine Kompagnie I

16. Dez. .. . Habe ans Regiment telegraphiert, ob man mich braucht....

18. Dez. .. . Telegramm: "Kompagnie freut sich von ihrem alten Führer
zu hören. Erwartet ihn lange. Bitte sofort kommen. Kompagnie, steht am
Bahnhof. Unterschrift: Feldwebel. Vertrauensmann. Gruß. Hurra. Bursche." ....

19. Dez. ... Morgen will ich reisen. Sekt steht kalt, heut Abend wird
gefeiert."

(Hier bricht das Buch ab. Oberleutnant B. wurde am 13. Dezember 1918 in der
B, Straße zu W. von einem Angehörigen der republikanischen Soldatenwehr und Mitglied
des Noten Soldatenbundes erschossen, als er -- auf dem Wege zum Bahnhof -- sich
weigerte, Achselstücke und Kokarde abzulegen.)




Aus dem Tagebuch des Gefreiten L., erschossen am 20. Dezember 1918
in Berlin.

"12. Nov. . .. Werden ohne Offizierkanaille Truppe schaffen .... Volks¬
wehr . . . revolutionäre Arbeiterwehr.... Republikanische Soldatenwehr .... Freie
Unterordnung des freien Mannes statt Kadavergehorsam ....

15. Nov. ... bin Gruppenführer der republikanischen Soldatenwehr .... die
jungen Lümmels sind frech .... schon drei Tage nicht zum Appell .... bringen
Weiber mit auf die Wachstube .... stehlen Schnaps, Fett und Fleisch .... wären
wir die jungen Soldaten erst löst. . . .

17. Nov.....alle drei Tage Wache .. i . Sollen mehr gehen .... Acht¬
stundentag nehmen .... Soldatenrat protestiert.

18. Nov.....nun bin ich Depotführer .... von einem guten Depot . .. .
hält den Vergleich mit jeder Offizierstruppe aus .... marschierten mit Musik
Kurfürstendamm entlang .... wie sie staunten die Bourgeoissöhnchen ....

20. Nov. ... War heute bei Gruppe K. in der A.-Kaserne.... In den
Stuben Kot, zerhau'ne Türen, zerhackte Schemel, umgeworfene Schränke . . .
Matratzen aufgeschnitten, Fensterscheiben zerschlagen .... in den Ecken Flaschen,
Geschirr, Speisereste .... dazwischen Leute mit ihren Weibern .... Habe lange
Rede gehalten .... sie haben mich niedergebrüllt .... zehn sofort entlassen . ...
die Schweine sind eine Gefahr für die Revolution....

25. Nov. ... meine Gruppenführer klagen, daß die Soldatenräte gegen sie
Hetzen.... habe einen entlassen....

30. Nov. .... am S. Bahnhof verschwindet seit acht Tagen Heeresgut....
war heute Nacht dort .... Wache saß im Bouillonkeller, .... Führer war beim
Mädchen .... sie sabotieren uns die Revolution ....

1. Dez.....sie haben einen Gruppenführer übern Haufen geschossen, weil
er Morgenappell abhielt____

2. Dez. ... wieder drei entlassen .... verteilten Waffen an Spartakisten.

5. Dez. ... die Verpflegungsschiebungen hören nicht auf .... haben nun
schon den vierten Furier ....

7. Dez.....am G..Lager Wache ertappt: plünderten Mehlschuppen----
mit Bahnarbeitern____sofort eingesperrt ____Wasser auf die Mühlen der
Bourgeoisie....


Grenzboten III 1921 12
Altes und neues Heer

Was war mir Vaterhaus, was Mädchen, was Geld, was Wein. Nichts! Kamille
nur eins: Meine Kompagnie I

16. Dez. .. . Habe ans Regiment telegraphiert, ob man mich braucht....

18. Dez. .. . Telegramm: „Kompagnie freut sich von ihrem alten Führer
zu hören. Erwartet ihn lange. Bitte sofort kommen. Kompagnie, steht am
Bahnhof. Unterschrift: Feldwebel. Vertrauensmann. Gruß. Hurra. Bursche." ....

19. Dez. ... Morgen will ich reisen. Sekt steht kalt, heut Abend wird
gefeiert."

(Hier bricht das Buch ab. Oberleutnant B. wurde am 13. Dezember 1918 in der
B, Straße zu W. von einem Angehörigen der republikanischen Soldatenwehr und Mitglied
des Noten Soldatenbundes erschossen, als er — auf dem Wege zum Bahnhof — sich
weigerte, Achselstücke und Kokarde abzulegen.)




Aus dem Tagebuch des Gefreiten L., erschossen am 20. Dezember 1918
in Berlin.

„12. Nov. . .. Werden ohne Offizierkanaille Truppe schaffen .... Volks¬
wehr . . . revolutionäre Arbeiterwehr.... Republikanische Soldatenwehr .... Freie
Unterordnung des freien Mannes statt Kadavergehorsam ....

15. Nov. ... bin Gruppenführer der republikanischen Soldatenwehr .... die
jungen Lümmels sind frech .... schon drei Tage nicht zum Appell .... bringen
Weiber mit auf die Wachstube .... stehlen Schnaps, Fett und Fleisch .... wären
wir die jungen Soldaten erst löst. . . .

17. Nov.....alle drei Tage Wache .. i . Sollen mehr gehen .... Acht¬
stundentag nehmen .... Soldatenrat protestiert.

18. Nov.....nun bin ich Depotführer .... von einem guten Depot . .. .
hält den Vergleich mit jeder Offizierstruppe aus .... marschierten mit Musik
Kurfürstendamm entlang .... wie sie staunten die Bourgeoissöhnchen ....

20. Nov. ... War heute bei Gruppe K. in der A.-Kaserne.... In den
Stuben Kot, zerhau'ne Türen, zerhackte Schemel, umgeworfene Schränke . . .
Matratzen aufgeschnitten, Fensterscheiben zerschlagen .... in den Ecken Flaschen,
Geschirr, Speisereste .... dazwischen Leute mit ihren Weibern .... Habe lange
Rede gehalten .... sie haben mich niedergebrüllt .... zehn sofort entlassen . ...
die Schweine sind eine Gefahr für die Revolution....

25. Nov. ... meine Gruppenführer klagen, daß die Soldatenräte gegen sie
Hetzen.... habe einen entlassen....

30. Nov. .... am S. Bahnhof verschwindet seit acht Tagen Heeresgut....
war heute Nacht dort .... Wache saß im Bouillonkeller, .... Führer war beim
Mädchen .... sie sabotieren uns die Revolution ....

1. Dez.....sie haben einen Gruppenführer übern Haufen geschossen, weil
er Morgenappell abhielt____

2. Dez. ... wieder drei entlassen .... verteilten Waffen an Spartakisten.

5. Dez. ... die Verpflegungsschiebungen hören nicht auf .... haben nun
schon den vierten Furier ....

7. Dez.....am G..Lager Wache ertappt: plünderten Mehlschuppen----
mit Bahnarbeitern____sofort eingesperrt ____Wasser auf die Mühlen der
Bourgeoisie....


Grenzboten III 1921 12
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[0191] Altes und neues Heer Was war mir Vaterhaus, was Mädchen, was Geld, was Wein. Nichts! Kamille nur eins: Meine Kompagnie I 16. Dez. .. . Habe ans Regiment telegraphiert, ob man mich braucht.... 18. Dez. .. . Telegramm: „Kompagnie freut sich von ihrem alten Führer zu hören. Erwartet ihn lange. Bitte sofort kommen. Kompagnie, steht am Bahnhof. Unterschrift: Feldwebel. Vertrauensmann. Gruß. Hurra. Bursche." .... 19. Dez. ... Morgen will ich reisen. Sekt steht kalt, heut Abend wird gefeiert." (Hier bricht das Buch ab. Oberleutnant B. wurde am 13. Dezember 1918 in der B, Straße zu W. von einem Angehörigen der republikanischen Soldatenwehr und Mitglied des Noten Soldatenbundes erschossen, als er — auf dem Wege zum Bahnhof — sich weigerte, Achselstücke und Kokarde abzulegen.) Aus dem Tagebuch des Gefreiten L., erschossen am 20. Dezember 1918 in Berlin. „12. Nov. . .. Werden ohne Offizierkanaille Truppe schaffen .... Volks¬ wehr . . . revolutionäre Arbeiterwehr.... Republikanische Soldatenwehr .... Freie Unterordnung des freien Mannes statt Kadavergehorsam .... 15. Nov. ... bin Gruppenführer der republikanischen Soldatenwehr .... die jungen Lümmels sind frech .... schon drei Tage nicht zum Appell .... bringen Weiber mit auf die Wachstube .... stehlen Schnaps, Fett und Fleisch .... wären wir die jungen Soldaten erst löst. . . . 17. Nov.....alle drei Tage Wache .. i . Sollen mehr gehen .... Acht¬ stundentag nehmen .... Soldatenrat protestiert. 18. Nov.....nun bin ich Depotführer .... von einem guten Depot . .. . hält den Vergleich mit jeder Offizierstruppe aus .... marschierten mit Musik Kurfürstendamm entlang .... wie sie staunten die Bourgeoissöhnchen .... 20. Nov. ... War heute bei Gruppe K. in der A.-Kaserne.... In den Stuben Kot, zerhau'ne Türen, zerhackte Schemel, umgeworfene Schränke . . . Matratzen aufgeschnitten, Fensterscheiben zerschlagen .... in den Ecken Flaschen, Geschirr, Speisereste .... dazwischen Leute mit ihren Weibern .... Habe lange Rede gehalten .... sie haben mich niedergebrüllt .... zehn sofort entlassen . ... die Schweine sind eine Gefahr für die Revolution.... 25. Nov. ... meine Gruppenführer klagen, daß die Soldatenräte gegen sie Hetzen.... habe einen entlassen.... 30. Nov. .... am S. Bahnhof verschwindet seit acht Tagen Heeresgut.... war heute Nacht dort .... Wache saß im Bouillonkeller, .... Führer war beim Mädchen .... sie sabotieren uns die Revolution .... 1. Dez.....sie haben einen Gruppenführer übern Haufen geschossen, weil er Morgenappell abhielt____ 2. Dez. ... wieder drei entlassen .... verteilten Waffen an Spartakisten. 5. Dez. ... die Verpflegungsschiebungen hören nicht auf .... haben nun schon den vierten Furier .... 7. Dez.....am G..Lager Wache ertappt: plünderten Mehlschuppen---- mit Bahnarbeitern____sofort eingesperrt ____Wasser auf die Mühlen der Bourgeoisie.... Grenzboten III 1921 12

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/191>, abgerufen am 24.07.2024.