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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.

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Weltspiegel

festieren unsere Pazifisten nicht einmal vor dem Redaktionsgebäude des"Temps"?
Vielleicht zahlt ihnen der in Gerechtigkeitspropaganda in Deutschland so erfolg¬
reiche Lord Northcliffe das Reisegeld? Wie wäre es mit einer internationalen
Sammlung für die des Friedens bedürftigen deutschen Pazifisten? Wie wäre es,
wenn sie statt im Berliner Lustgarten einmal unter Korfantys Räuberbanden
Propaganda machten? Das wäre wirklich einmal tus riZKt usu vn elle
rignt place!

Mit all dem soll freilich und kann leider nicht gesagt werden, daß die aus¬
wärtige Leitung in der Oberschlesienfrage durchweg geschickt operiert hat. Schon
bei der Abstimmungspropaganda hat es an überragender Leitung gefehlt, nicht
selten haben die verschiedenen Organisationen gegeneinander und zum mindesten
aneinander vorbei gearbeitet, statt Hand in Hand. Jetzt hat es Dr. Rosen für
richtig gehalten, seine Antwort an den französischen Botschafter wegen der Durch¬
transporte französischer Truppen zu veröffentlichen. Man kann es begreifen,
wenn der deutsche Außenminister, der sich so oft den angesichts der Gesamtlage
tatsächlich unberechtigten Vorwurf mangelnder Energie machen lassen nutz, das
Bedürfnis hatte, sich in der Öffentlichkeit auch einmal einen Erfolg zu holen und
an sich war seine Rückfrage ob des Ersuchens der französischen Regierung in
ihrem eigenem als im Namen der Gesamtheit der drei Mächte gestellt sei, nicht
nur juristisch berechtigt, sondern auch ein guter und richtiger Schachzug. Aber
die Veröffentlichung war es nicht, da sie nur Gelegenheit zum Aufwärmen der
abgestandenen These, Deutschland spekuliere auf Trennung der Westmächte wieder
aufwärmen half und die Franzosen zu um so stärkerem Auftreten zwang. Es
hätte völlig genügt, der englischen und italienischen Regierung von dieser Antwort
Kenntnis zu geben. Auch wutzte man ganz genau, wie weit die Meldung des
"Temps" unzutreffend ist. der deutsche Botschafter in London (der übrigens nach
seinen "Ratschlägen" an Simons vor der Londoner Konferenz längst hätte ab¬
berufen sein müssen!) habe die englische Regierung jetzt einmal ausdrücklich in
der Frage des Truppentransports Sortieren sollen. Sollte dieser Schritt, in welcher
Form immer, wirklich erfolgt sein, so wäre das eine ebensolche Taktik gewesen,
wie die lediglich im allerengsten Parteiinteresse erfolgten öffentlichen Mitteilungen
Stresemanns über das englische Oberschlesien-Memorandum, das jetzt selbst¬
verständlich verleugnet wird. Man hat sich während des Krieges oft genug ent¬
rüstet über die Unvorsichtigkeit, mit der deutsche Diplomaten durch offenste
'Namennennung fremde Mittelspersonen bloßstellten und die grandiose Sorg¬
losigkeit mit der in Polen wie in Belgien von den Chefs der Okkupations¬
behörden die gefährlichsten Dokumente bei der Räumung in gewissenlosester Weise
und ohne daß irgend einer der Säumigen bisher auch nur im mindesten dafür
zur Verantwortung gezogen worden wäre, in die Hände der Feinde haben fallen
lassen, war schließlich nur eine Fortsetzung dieser Praxis. Aber die Veröffent¬
lichungen über die englischen Zusicherungen stehen ganz aus derselben Linie.
Kann man sich danach noch wundern, wenn niemand mehr mit Deutschen ver¬
handeln will? Wozu aber endlich ließ Dr. Rosen so stolz seine Antwort vom
23. Juli veröffentlichen, wenn er in einer freilich nicht veröffentlichten Note vom
28. den formal durchaus gerechtfertigten juristischen Standpunkt fix wieder aufgab
und treu und brav erklärte, den Beschluß des Obersten Rates annehmen zu
wollen? Was ist das für ein klägliches Hin und Her? Wir gehören nicht zu
den naiven, die Diplomatie auf offenem Markt verlangen, aber wir wünschen
auch keine Bauernfängerei. Vielleicht nimmt sich einmal der Reichstagsausschuß
für Auswärtiges, der ja sowieso nicht in Gefahr steht, unter der Last nützlicher
Menenius Arbeitsleistung zusammenzubrechen, der Sache an.




Weltspiegel

festieren unsere Pazifisten nicht einmal vor dem Redaktionsgebäude des„Temps"?
Vielleicht zahlt ihnen der in Gerechtigkeitspropaganda in Deutschland so erfolg¬
reiche Lord Northcliffe das Reisegeld? Wie wäre es mit einer internationalen
Sammlung für die des Friedens bedürftigen deutschen Pazifisten? Wie wäre es,
wenn sie statt im Berliner Lustgarten einmal unter Korfantys Räuberbanden
Propaganda machten? Das wäre wirklich einmal tus riZKt usu vn elle
rignt place!

Mit all dem soll freilich und kann leider nicht gesagt werden, daß die aus¬
wärtige Leitung in der Oberschlesienfrage durchweg geschickt operiert hat. Schon
bei der Abstimmungspropaganda hat es an überragender Leitung gefehlt, nicht
selten haben die verschiedenen Organisationen gegeneinander und zum mindesten
aneinander vorbei gearbeitet, statt Hand in Hand. Jetzt hat es Dr. Rosen für
richtig gehalten, seine Antwort an den französischen Botschafter wegen der Durch¬
transporte französischer Truppen zu veröffentlichen. Man kann es begreifen,
wenn der deutsche Außenminister, der sich so oft den angesichts der Gesamtlage
tatsächlich unberechtigten Vorwurf mangelnder Energie machen lassen nutz, das
Bedürfnis hatte, sich in der Öffentlichkeit auch einmal einen Erfolg zu holen und
an sich war seine Rückfrage ob des Ersuchens der französischen Regierung in
ihrem eigenem als im Namen der Gesamtheit der drei Mächte gestellt sei, nicht
nur juristisch berechtigt, sondern auch ein guter und richtiger Schachzug. Aber
die Veröffentlichung war es nicht, da sie nur Gelegenheit zum Aufwärmen der
abgestandenen These, Deutschland spekuliere auf Trennung der Westmächte wieder
aufwärmen half und die Franzosen zu um so stärkerem Auftreten zwang. Es
hätte völlig genügt, der englischen und italienischen Regierung von dieser Antwort
Kenntnis zu geben. Auch wutzte man ganz genau, wie weit die Meldung des
„Temps" unzutreffend ist. der deutsche Botschafter in London (der übrigens nach
seinen „Ratschlägen" an Simons vor der Londoner Konferenz längst hätte ab¬
berufen sein müssen!) habe die englische Regierung jetzt einmal ausdrücklich in
der Frage des Truppentransports Sortieren sollen. Sollte dieser Schritt, in welcher
Form immer, wirklich erfolgt sein, so wäre das eine ebensolche Taktik gewesen,
wie die lediglich im allerengsten Parteiinteresse erfolgten öffentlichen Mitteilungen
Stresemanns über das englische Oberschlesien-Memorandum, das jetzt selbst¬
verständlich verleugnet wird. Man hat sich während des Krieges oft genug ent¬
rüstet über die Unvorsichtigkeit, mit der deutsche Diplomaten durch offenste
'Namennennung fremde Mittelspersonen bloßstellten und die grandiose Sorg¬
losigkeit mit der in Polen wie in Belgien von den Chefs der Okkupations¬
behörden die gefährlichsten Dokumente bei der Räumung in gewissenlosester Weise
und ohne daß irgend einer der Säumigen bisher auch nur im mindesten dafür
zur Verantwortung gezogen worden wäre, in die Hände der Feinde haben fallen
lassen, war schließlich nur eine Fortsetzung dieser Praxis. Aber die Veröffent¬
lichungen über die englischen Zusicherungen stehen ganz aus derselben Linie.
Kann man sich danach noch wundern, wenn niemand mehr mit Deutschen ver¬
handeln will? Wozu aber endlich ließ Dr. Rosen so stolz seine Antwort vom
23. Juli veröffentlichen, wenn er in einer freilich nicht veröffentlichten Note vom
28. den formal durchaus gerechtfertigten juristischen Standpunkt fix wieder aufgab
und treu und brav erklärte, den Beschluß des Obersten Rates annehmen zu
wollen? Was ist das für ein klägliches Hin und Her? Wir gehören nicht zu
den naiven, die Diplomatie auf offenem Markt verlangen, aber wir wünschen
auch keine Bauernfängerei. Vielleicht nimmt sich einmal der Reichstagsausschuß
für Auswärtiges, der ja sowieso nicht in Gefahr steht, unter der Last nützlicher
Menenius Arbeitsleistung zusammenzubrechen, der Sache an.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/170>, abgerufen am 22.12.2024.