Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.Erzberger und kein Ende Widerstandsgcsiunung zu brechen. Mit Scheidemann, Parvus-Helphand und Breit¬ Der Reichsausschuß der Zentrumspartei hat die politische Gesamtsituation Schon im kommenden Herbst wird die Krisis ihre gewaltigen Wirkungen Erzberger und kein Ende Widerstandsgcsiunung zu brechen. Mit Scheidemann, Parvus-Helphand und Breit¬ Der Reichsausschuß der Zentrumspartei hat die politische Gesamtsituation Schon im kommenden Herbst wird die Krisis ihre gewaltigen Wirkungen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0114" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/339263"/> <fw type="header" place="top"> Erzberger und kein Ende</fw><lb/> <p xml:id="ID_377" prev="#ID_376"> Widerstandsgcsiunung zu brechen. Mit Scheidemann, Parvus-Helphand und Breit¬<lb/> scheid schnriedete er die Klassenfront des Proletariats. Bon neuem warf er die<lb/> Sozialisiernngsfrage in die Masse. Die Deutsche Volkspartei und die Deutsch¬<lb/> nationale Partei verfolgte er mit seinem Ingrimm. Den Bayern sagte er Fehde<lb/> an, weil' sie die Keimzelle des Widerstandes und des Wiederaufbaues bildeten.<lb/> In der Frage des Londoner Ultimatums verlangte er kategorisch die glatte An¬<lb/> nahme. Auf dem Umwege über die Mehrheitssozialdemokratie oktroyierte er<lb/> seiner Partei, trotz Protest'der Deutschen Volkspartei, Wirth als Reichskanzler<lb/> auf- Es war nur ein minimaler Ausschnitt dieser Politik, wenn er gleichzeitig<lb/> innerhalb der Zentrumspartei eine Massenagitation entfaltete, die sich unmittel¬<lb/> bar gegen die Politik der Zentrumsführer richtete.</p><lb/> <p xml:id="ID_378"> Der Reichsausschuß der Zentrumspartei hat die politische Gesamtsituation<lb/> gar nicht erkannt, als er den neuesten Fall Erzberger mit dein Schlagwort<lb/> „Disziplinwidrigkeit" abzutun versuchte. Jedenfalls hatte er nicht den Mut, die<lb/> Dinge beim Namen zu nennen. Den Gegensatz zwischen der Politik Erzbergers<lb/> und der Politik der Zentrumsführung arbeitete niemand klar heraus. Die Situa¬<lb/> tion ist im Augenblick einfach folgende: Die heutige demokratische Mitte ist im<lb/> Reichstag politisch nicht tragfähig. Sie bedarf des Rückhaltes. Die Zentrumspartei<lb/> mochte den Anschluß rechts nehmen, ohne allerdings links die Anlehnung zu ver¬<lb/> lieren. Erzberger will umgekehrt den festen Anschluß nach links, gegen rechts den<lb/> offenen Kampf. Das Zentrum möchte der Regierung in Bayern keine Schwierig¬<lb/> keiten macheu. Erzberger will sie stürzen. Das Zentrum möchte die Politik Steger-<lb/> walds in Preuße» festhalten«und stärken. Erzberger will die Preußenregierung<lb/> unter die Führung der Sozialdemokraten bringen. Das Zentrum möchte Erzberger<lb/> möglichst vom Parlament fern halten. Erzberger drängt mit Hilfe der Sozial-<lb/> demokratre zur Führung im Reich. Wer wollte sagen, daß es sich hierbei um<lb/> Dijziplinividrigkeiten handelt! Es Handelt sich um nicht mehr und nicht weniger<lb/> als eine Reichskrisis im Unifange derjenigen von 1906-10 und derjenigen von<lb/> 1917—1!). Und in dieser Krisis stellt sich das Zentrum hinter Erzberger! Das<lb/> Zentrum '„möchte", Erzberger aber „will".</p><lb/> <p xml:id="ID_379"> Schon im kommenden Herbst wird die Krisis ihre gewaltigen Wirkungen<lb/> zeigen. Sie kann die leichtere Form von äußerst erregten Wahlen nehmen, wie im<lb/> Jahre 1906. Sie kann aber auch in unserm geschwächten Vvlksvrganismns zu.<lb/> einer neuen Revolution führen, wie im Jahre 1918.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0114]
Erzberger und kein Ende
Widerstandsgcsiunung zu brechen. Mit Scheidemann, Parvus-Helphand und Breit¬
scheid schnriedete er die Klassenfront des Proletariats. Bon neuem warf er die
Sozialisiernngsfrage in die Masse. Die Deutsche Volkspartei und die Deutsch¬
nationale Partei verfolgte er mit seinem Ingrimm. Den Bayern sagte er Fehde
an, weil' sie die Keimzelle des Widerstandes und des Wiederaufbaues bildeten.
In der Frage des Londoner Ultimatums verlangte er kategorisch die glatte An¬
nahme. Auf dem Umwege über die Mehrheitssozialdemokratie oktroyierte er
seiner Partei, trotz Protest'der Deutschen Volkspartei, Wirth als Reichskanzler
auf- Es war nur ein minimaler Ausschnitt dieser Politik, wenn er gleichzeitig
innerhalb der Zentrumspartei eine Massenagitation entfaltete, die sich unmittel¬
bar gegen die Politik der Zentrumsführer richtete.
Der Reichsausschuß der Zentrumspartei hat die politische Gesamtsituation
gar nicht erkannt, als er den neuesten Fall Erzberger mit dein Schlagwort
„Disziplinwidrigkeit" abzutun versuchte. Jedenfalls hatte er nicht den Mut, die
Dinge beim Namen zu nennen. Den Gegensatz zwischen der Politik Erzbergers
und der Politik der Zentrumsführung arbeitete niemand klar heraus. Die Situa¬
tion ist im Augenblick einfach folgende: Die heutige demokratische Mitte ist im
Reichstag politisch nicht tragfähig. Sie bedarf des Rückhaltes. Die Zentrumspartei
mochte den Anschluß rechts nehmen, ohne allerdings links die Anlehnung zu ver¬
lieren. Erzberger will umgekehrt den festen Anschluß nach links, gegen rechts den
offenen Kampf. Das Zentrum möchte der Regierung in Bayern keine Schwierig¬
keiten macheu. Erzberger will sie stürzen. Das Zentrum möchte die Politik Steger-
walds in Preuße» festhalten«und stärken. Erzberger will die Preußenregierung
unter die Führung der Sozialdemokraten bringen. Das Zentrum möchte Erzberger
möglichst vom Parlament fern halten. Erzberger drängt mit Hilfe der Sozial-
demokratre zur Führung im Reich. Wer wollte sagen, daß es sich hierbei um
Dijziplinividrigkeiten handelt! Es Handelt sich um nicht mehr und nicht weniger
als eine Reichskrisis im Unifange derjenigen von 1906-10 und derjenigen von
1917—1!). Und in dieser Krisis stellt sich das Zentrum hinter Erzberger! Das
Zentrum '„möchte", Erzberger aber „will".
Schon im kommenden Herbst wird die Krisis ihre gewaltigen Wirkungen
zeigen. Sie kann die leichtere Form von äußerst erregten Wahlen nehmen, wie im
Jahre 1906. Sie kann aber auch in unserm geschwächten Vvlksvrganismns zu.
einer neuen Revolution führen, wie im Jahre 1918.
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