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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr.

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Die neueste Entwicklung des russischen Bolschewismus

Zunächst siegte der Kommunismus. Aber gleichzeitig warfen die Bauern
den althergebrachten bäuerlichen Kommunismus ab, verteilten das Land der
Gutsbesitzer und wurden selbst Privatbesitzer.

Die allgemeinen Mißstände brachten die Bauern immer mehr in Gegensatz
zur kommunistischen Diktatur. Ihr Widerstand ist den neuen Herren Rußlands,
den jüdischen Kommissären, gefährlicher als die zum Teil nationalistischen Auf¬
stände in der Ukraine, Weißrußland usw., und jetzt scheint Lenin selbst sich an die
Spitze der bäuerlichen Bewegung zu stellen. Er will den Sowjetstaat aufrecht¬
erhalten, lehnt aber den Kommunismus, die jüdische Führung Und die Welt¬
revolution ab. Er will nur einen bäuerlichen altrussischen Staat.

Auf die Dauer dürften die Bauern siegen. Aber die Gefahr der Welt¬
revolution ist damit nicht gebannt. Die Raubstaaten, die mit Hilfe einer halb¬
bolschewistischen Enteignung sich halten wollen, aber bei der Korruption und
Unfähigkeit ihrer Beamtenschaft sich nicht halten können, dürften einer revo¬
lutionären Entwicklung entgegengehen. Die Weltwirtschaftskrisis bedroht Deutsch¬
land, aber auch das übrige Europa, und die allgemeine, überall verbreitete sittliche
Fäulnis ist im Bunde mit dem Finanzbankerott der beste Boden für eine Revolution.

Außerdem darf man Rußland nicht als wiederhergestellt ansehen, wenn die
Bauern ihre jüdischen Peiniger totschlagen. Zuerst folgt dann dort die Anarchie,
das Chaos zahlreicher, selbständiger Dorfgemeinden oder Bauernstaaten, die ohne
Intelligenz entwicklungsunfähig sind. Von Bedeutung wird die Frage sein, welche
Rolle das rote Heer spielen wird. Wird es russisch^.ytional werden und seinen
Cäsar finden? Wird dieser so klug sein, den Bauern alles Land zu lassen, was
sie selbständig beackern können? Wird er es verstehen, die Emigranten, die dann
zurückkehren wollen und von denen mancher "nichts vergessen und nichts zugelernt"
hat, mit den neuen Verhältnissen und den Bauern zu versöhnen?

Auf die Dauer dürfte nur ein Bauern-Zar Rußland regieren und nur
deutsche Intelligenz in Nußland und den Raubstaaten wieder geordnete staatliche
und wirtschaftliche Verhältnisse herstellen können. Dazu ist aber nötig, daß das
deutsche Volk erst einmal selbst innerlich und moralisch gesund wird.

Rußland, die Raubstaaten und daS Verhältnis beider zueinander werden
"och lange eine Sphinx bleiben. Das geschlagene Deutschland wird guttun, sich
dabei auf mehrere Möglichkeiten einzustellen und das Hauptziel nie aus dem Auge
M verlieren, aus der Einkreisung und dem Zweifrontenkrieg herauszukommen.
Diesem Gedanken müssen alle anderen Wünsche untergeordnet werden.




Die neueste Entwicklung des russischen Bolschewismus

Zunächst siegte der Kommunismus. Aber gleichzeitig warfen die Bauern
den althergebrachten bäuerlichen Kommunismus ab, verteilten das Land der
Gutsbesitzer und wurden selbst Privatbesitzer.

Die allgemeinen Mißstände brachten die Bauern immer mehr in Gegensatz
zur kommunistischen Diktatur. Ihr Widerstand ist den neuen Herren Rußlands,
den jüdischen Kommissären, gefährlicher als die zum Teil nationalistischen Auf¬
stände in der Ukraine, Weißrußland usw., und jetzt scheint Lenin selbst sich an die
Spitze der bäuerlichen Bewegung zu stellen. Er will den Sowjetstaat aufrecht¬
erhalten, lehnt aber den Kommunismus, die jüdische Führung Und die Welt¬
revolution ab. Er will nur einen bäuerlichen altrussischen Staat.

Auf die Dauer dürften die Bauern siegen. Aber die Gefahr der Welt¬
revolution ist damit nicht gebannt. Die Raubstaaten, die mit Hilfe einer halb¬
bolschewistischen Enteignung sich halten wollen, aber bei der Korruption und
Unfähigkeit ihrer Beamtenschaft sich nicht halten können, dürften einer revo¬
lutionären Entwicklung entgegengehen. Die Weltwirtschaftskrisis bedroht Deutsch¬
land, aber auch das übrige Europa, und die allgemeine, überall verbreitete sittliche
Fäulnis ist im Bunde mit dem Finanzbankerott der beste Boden für eine Revolution.

Außerdem darf man Rußland nicht als wiederhergestellt ansehen, wenn die
Bauern ihre jüdischen Peiniger totschlagen. Zuerst folgt dann dort die Anarchie,
das Chaos zahlreicher, selbständiger Dorfgemeinden oder Bauernstaaten, die ohne
Intelligenz entwicklungsunfähig sind. Von Bedeutung wird die Frage sein, welche
Rolle das rote Heer spielen wird. Wird es russisch^.ytional werden und seinen
Cäsar finden? Wird dieser so klug sein, den Bauern alles Land zu lassen, was
sie selbständig beackern können? Wird er es verstehen, die Emigranten, die dann
zurückkehren wollen und von denen mancher „nichts vergessen und nichts zugelernt"
hat, mit den neuen Verhältnissen und den Bauern zu versöhnen?

Auf die Dauer dürfte nur ein Bauern-Zar Rußland regieren und nur
deutsche Intelligenz in Nußland und den Raubstaaten wieder geordnete staatliche
und wirtschaftliche Verhältnisse herstellen können. Dazu ist aber nötig, daß das
deutsche Volk erst einmal selbst innerlich und moralisch gesund wird.

Rußland, die Raubstaaten und daS Verhältnis beider zueinander werden
"och lange eine Sphinx bleiben. Das geschlagene Deutschland wird guttun, sich
dabei auf mehrere Möglichkeiten einzustellen und das Hauptziel nie aus dem Auge
M verlieren, aus der Einkreisung und dem Zweifrontenkrieg herauszukommen.
Diesem Gedanken müssen alle anderen Wünsche untergeordnet werden.




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[0091] Die neueste Entwicklung des russischen Bolschewismus Zunächst siegte der Kommunismus. Aber gleichzeitig warfen die Bauern den althergebrachten bäuerlichen Kommunismus ab, verteilten das Land der Gutsbesitzer und wurden selbst Privatbesitzer. Die allgemeinen Mißstände brachten die Bauern immer mehr in Gegensatz zur kommunistischen Diktatur. Ihr Widerstand ist den neuen Herren Rußlands, den jüdischen Kommissären, gefährlicher als die zum Teil nationalistischen Auf¬ stände in der Ukraine, Weißrußland usw., und jetzt scheint Lenin selbst sich an die Spitze der bäuerlichen Bewegung zu stellen. Er will den Sowjetstaat aufrecht¬ erhalten, lehnt aber den Kommunismus, die jüdische Führung Und die Welt¬ revolution ab. Er will nur einen bäuerlichen altrussischen Staat. Auf die Dauer dürften die Bauern siegen. Aber die Gefahr der Welt¬ revolution ist damit nicht gebannt. Die Raubstaaten, die mit Hilfe einer halb¬ bolschewistischen Enteignung sich halten wollen, aber bei der Korruption und Unfähigkeit ihrer Beamtenschaft sich nicht halten können, dürften einer revo¬ lutionären Entwicklung entgegengehen. Die Weltwirtschaftskrisis bedroht Deutsch¬ land, aber auch das übrige Europa, und die allgemeine, überall verbreitete sittliche Fäulnis ist im Bunde mit dem Finanzbankerott der beste Boden für eine Revolution. Außerdem darf man Rußland nicht als wiederhergestellt ansehen, wenn die Bauern ihre jüdischen Peiniger totschlagen. Zuerst folgt dann dort die Anarchie, das Chaos zahlreicher, selbständiger Dorfgemeinden oder Bauernstaaten, die ohne Intelligenz entwicklungsunfähig sind. Von Bedeutung wird die Frage sein, welche Rolle das rote Heer spielen wird. Wird es russisch^.ytional werden und seinen Cäsar finden? Wird dieser so klug sein, den Bauern alles Land zu lassen, was sie selbständig beackern können? Wird er es verstehen, die Emigranten, die dann zurückkehren wollen und von denen mancher „nichts vergessen und nichts zugelernt" hat, mit den neuen Verhältnissen und den Bauern zu versöhnen? Auf die Dauer dürfte nur ein Bauern-Zar Rußland regieren und nur deutsche Intelligenz in Nußland und den Raubstaaten wieder geordnete staatliche und wirtschaftliche Verhältnisse herstellen können. Dazu ist aber nötig, daß das deutsche Volk erst einmal selbst innerlich und moralisch gesund wird. Rußland, die Raubstaaten und daS Verhältnis beider zueinander werden "och lange eine Sphinx bleiben. Das geschlagene Deutschland wird guttun, sich dabei auf mehrere Möglichkeiten einzustellen und das Hauptziel nie aus dem Auge M verlieren, aus der Einkreisung und dem Zweifrontenkrieg herauszukommen. Diesem Gedanken müssen alle anderen Wünsche untergeordnet werden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338800/91>, abgerufen am 23.11.2024.