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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr.

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Bewirtschaftung der Arbeit

und Parteien der negativen Kritik zu Parteien positiver Arbeit zu gestalten. Die
Erkenntnis, daß in unserer parlamentarischen Demokratie, die als politisches
Arbeitssystem an sich zur Vergeudung von Energie, Zeit und Geld neigt, ziel¬
bewußter und sparsamer gearbeitet werden müßte, wirkt auch in den Vorschlägen
von erfahrenen Parlamentarier, die eine Änderung der Geschäftsordnung wollen,
um dem sogenannten Parlament der Tat näher zu kommen. Im Arbeitsrecht
hat bereits das Bestreben eingesetzt, eine Anpassung des überschnell Gewordenen
an die Wirtschaftspraxis sowie beweglichere Auslegung des Starr-Paragraphischen
zu finden. Nebenher geht das Bemühen, das zersplitterte Arbeitsrecht in einem
Gesetzbuch der Arbeit großzügig zusammenzufassen. Seine baldige Fertigstellung
könnte der Wirtschaftspraktiker und Fachmann im Interesse einer endgültigen
klaren Übersicht nur wünschen, wenn bei seinem Ausbau und der letzten Durch-
feilung den Belangen der Wirtschaft genügend Rechnung getragen wird. Hier
erhebt sich das Problem, die vielfach stark empfundene Lücke zwischen Wirtschafts¬
recht und Arbeitsrecht zu überbrücken und beiden Rechtsgebieten den einheitlichen
Leitsatz unterzustellen, die nationale Arbeitskraft auf der Grundlage einer gesunden,
leistungsfähigen Wirtschaft zu verwalten. Zweifellos ist der Mensch Subjekt der
Wirtschaft in dem Sinne, daß er ihr Belcher, ihr Ausgang und Ziel ist, aber
die Volkswirtschaft ist sein soziales Fundament, das ihn trägt und sachlich¬
hingebende Pflege und Achtung seiner Entwickelungsgesetze verlangt. In diesem
Zusammenhange bedeuten sozialistische, lediglich aus Dogmatik und Grundsatz¬
politik geborene Wirtschaftsneuerungen nicht rationelle Bewirtschaftung der natio¬
nalen Arbeitskraft und Produktionsmittel, sondern Mißwirtschaft, über deren
Fehlschläge weder an sich achtungswerte soziale Ethik noch Gleichheitsromantik
hinwegtäuschen können.

Zusammenfassend kann man einen Auftrieb in der Dynamik der vater¬
ländischen Arbeit feststellen. Er tut sowohl wirtschaftlich als auch seelisch bitter
not angesichts der Gewißheit, daß wir auf Jahrzehnte hinaus tatsächlich nur die
Arbeitskraft haben, uns wieder zur gebührenden Geltung zu bringen. Sich über
die historischen Grundlagen und zeitlichen Entwickelungsbedingungen dieses Kraft¬
feldes der deutschen Arbeit bewußt zu werden, alle Fähigkeiten, Hilfsmittel und
Impulse kühl auf die zweckmäßige Verwaltung dieses Grundkapitals sowie auf
Verfeinerung und Verschärfung ihrer außenpolitischen Stoßkraft einzustellen, müßte
zum allgemeinen Vorsatz der in der Volkswirtschaft Tätigen, besonders der Führer¬
generation und der Jugend werden, und die engere Verufsaufgabe des einzelnen
zu einer weitsichtigen Lebensaufgabe erweitern.




Bewirtschaftung der Arbeit

und Parteien der negativen Kritik zu Parteien positiver Arbeit zu gestalten. Die
Erkenntnis, daß in unserer parlamentarischen Demokratie, die als politisches
Arbeitssystem an sich zur Vergeudung von Energie, Zeit und Geld neigt, ziel¬
bewußter und sparsamer gearbeitet werden müßte, wirkt auch in den Vorschlägen
von erfahrenen Parlamentarier, die eine Änderung der Geschäftsordnung wollen,
um dem sogenannten Parlament der Tat näher zu kommen. Im Arbeitsrecht
hat bereits das Bestreben eingesetzt, eine Anpassung des überschnell Gewordenen
an die Wirtschaftspraxis sowie beweglichere Auslegung des Starr-Paragraphischen
zu finden. Nebenher geht das Bemühen, das zersplitterte Arbeitsrecht in einem
Gesetzbuch der Arbeit großzügig zusammenzufassen. Seine baldige Fertigstellung
könnte der Wirtschaftspraktiker und Fachmann im Interesse einer endgültigen
klaren Übersicht nur wünschen, wenn bei seinem Ausbau und der letzten Durch-
feilung den Belangen der Wirtschaft genügend Rechnung getragen wird. Hier
erhebt sich das Problem, die vielfach stark empfundene Lücke zwischen Wirtschafts¬
recht und Arbeitsrecht zu überbrücken und beiden Rechtsgebieten den einheitlichen
Leitsatz unterzustellen, die nationale Arbeitskraft auf der Grundlage einer gesunden,
leistungsfähigen Wirtschaft zu verwalten. Zweifellos ist der Mensch Subjekt der
Wirtschaft in dem Sinne, daß er ihr Belcher, ihr Ausgang und Ziel ist, aber
die Volkswirtschaft ist sein soziales Fundament, das ihn trägt und sachlich¬
hingebende Pflege und Achtung seiner Entwickelungsgesetze verlangt. In diesem
Zusammenhange bedeuten sozialistische, lediglich aus Dogmatik und Grundsatz¬
politik geborene Wirtschaftsneuerungen nicht rationelle Bewirtschaftung der natio¬
nalen Arbeitskraft und Produktionsmittel, sondern Mißwirtschaft, über deren
Fehlschläge weder an sich achtungswerte soziale Ethik noch Gleichheitsromantik
hinwegtäuschen können.

Zusammenfassend kann man einen Auftrieb in der Dynamik der vater¬
ländischen Arbeit feststellen. Er tut sowohl wirtschaftlich als auch seelisch bitter
not angesichts der Gewißheit, daß wir auf Jahrzehnte hinaus tatsächlich nur die
Arbeitskraft haben, uns wieder zur gebührenden Geltung zu bringen. Sich über
die historischen Grundlagen und zeitlichen Entwickelungsbedingungen dieses Kraft¬
feldes der deutschen Arbeit bewußt zu werden, alle Fähigkeiten, Hilfsmittel und
Impulse kühl auf die zweckmäßige Verwaltung dieses Grundkapitals sowie auf
Verfeinerung und Verschärfung ihrer außenpolitischen Stoßkraft einzustellen, müßte
zum allgemeinen Vorsatz der in der Volkswirtschaft Tätigen, besonders der Führer¬
generation und der Jugend werden, und die engere Verufsaufgabe des einzelnen
zu einer weitsichtigen Lebensaufgabe erweitern.




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[0278] Bewirtschaftung der Arbeit und Parteien der negativen Kritik zu Parteien positiver Arbeit zu gestalten. Die Erkenntnis, daß in unserer parlamentarischen Demokratie, die als politisches Arbeitssystem an sich zur Vergeudung von Energie, Zeit und Geld neigt, ziel¬ bewußter und sparsamer gearbeitet werden müßte, wirkt auch in den Vorschlägen von erfahrenen Parlamentarier, die eine Änderung der Geschäftsordnung wollen, um dem sogenannten Parlament der Tat näher zu kommen. Im Arbeitsrecht hat bereits das Bestreben eingesetzt, eine Anpassung des überschnell Gewordenen an die Wirtschaftspraxis sowie beweglichere Auslegung des Starr-Paragraphischen zu finden. Nebenher geht das Bemühen, das zersplitterte Arbeitsrecht in einem Gesetzbuch der Arbeit großzügig zusammenzufassen. Seine baldige Fertigstellung könnte der Wirtschaftspraktiker und Fachmann im Interesse einer endgültigen klaren Übersicht nur wünschen, wenn bei seinem Ausbau und der letzten Durch- feilung den Belangen der Wirtschaft genügend Rechnung getragen wird. Hier erhebt sich das Problem, die vielfach stark empfundene Lücke zwischen Wirtschafts¬ recht und Arbeitsrecht zu überbrücken und beiden Rechtsgebieten den einheitlichen Leitsatz unterzustellen, die nationale Arbeitskraft auf der Grundlage einer gesunden, leistungsfähigen Wirtschaft zu verwalten. Zweifellos ist der Mensch Subjekt der Wirtschaft in dem Sinne, daß er ihr Belcher, ihr Ausgang und Ziel ist, aber die Volkswirtschaft ist sein soziales Fundament, das ihn trägt und sachlich¬ hingebende Pflege und Achtung seiner Entwickelungsgesetze verlangt. In diesem Zusammenhange bedeuten sozialistische, lediglich aus Dogmatik und Grundsatz¬ politik geborene Wirtschaftsneuerungen nicht rationelle Bewirtschaftung der natio¬ nalen Arbeitskraft und Produktionsmittel, sondern Mißwirtschaft, über deren Fehlschläge weder an sich achtungswerte soziale Ethik noch Gleichheitsromantik hinwegtäuschen können. Zusammenfassend kann man einen Auftrieb in der Dynamik der vater¬ ländischen Arbeit feststellen. Er tut sowohl wirtschaftlich als auch seelisch bitter not angesichts der Gewißheit, daß wir auf Jahrzehnte hinaus tatsächlich nur die Arbeitskraft haben, uns wieder zur gebührenden Geltung zu bringen. Sich über die historischen Grundlagen und zeitlichen Entwickelungsbedingungen dieses Kraft¬ feldes der deutschen Arbeit bewußt zu werden, alle Fähigkeiten, Hilfsmittel und Impulse kühl auf die zweckmäßige Verwaltung dieses Grundkapitals sowie auf Verfeinerung und Verschärfung ihrer außenpolitischen Stoßkraft einzustellen, müßte zum allgemeinen Vorsatz der in der Volkswirtschaft Tätigen, besonders der Führer¬ generation und der Jugend werden, und die engere Verufsaufgabe des einzelnen zu einer weitsichtigen Lebensaufgabe erweitern.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338800/278>, abgerufen am 22.07.2024.