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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr.

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Zum Juni
ZUM ^8. Juni
Hans Tchimmelpfeng von
Lehrbellin Aollin Belle-Alliance
^675 ^757 ^5
Horch! Die Muskete trällert durch Sumpf und Lues am Rhin.
Der rote Adler flattert! Rauch weht um Fehrbellin.
Graf Wrangels Schwedenreiter -- die greifen stürmend an,
,Doch Brandenburg'sche Streiter stehen trotzig ihren Mann.
Der Wind pfeift! Dichter Regen dem Wottengrau entquillt;
Aus gellen Schwerterschlagen der Zorn der Kämpfer brüllt,
Die aufeinander brennen im Ringspiel Hut an Hut;
Kein Führer kann sie trennen, so groß sind Haß und Wut. --
Das Zünglein an der Wage neigt sich zu Schwedens Glück!
Kommt es zum schwarzen Tage für Brandenburgs Geschick? . . .
Ein Übermaß von Streichen sein kleines Heer umwallt;
Derfflingers Reiter weichen zu wildem Knaul geballt. --
Und als sich im Getümmel die Leitung ganz verlor,
Sprengt auf dem Apfelschimmel der Große Kurfürst vor.
sein Wort reiht schnell die Glieder, daß sie gleich Felsen stehn:
"Zum Sieg führ ich euch wieder -- jetzt --I euer Kapitän!"
Und seines Degens Gleißen bannt aller Reiter Blick i
Mit jauchzendem Verheißen: Ein Schelm bleibt nur zurück!
Gleich Blitz und Donnerbeben lobt's die Schwadronen durch:
"Dem Herrscher unser Leben! Mit Gott für Brandenburg."
Weh muß der Schwede kosten, was Fürstenbeispiel gilt;
Den allerletzten Posten verläßt er schreckerfüllt.---
"Heil Friedrich Wilhelm!" schmettern die Hörner rings am Rhin.
"Dir nach in Sturm und Wettern!" -- Das war bei Fehrbellin.

Roßbach und Leuthen prangen sieghaft im Lorbeergrün.
Doch denkt: vorausgegangen war beiden einst Kollin.
Der Tag, wo banges Ahnen dem Kühnsten selbst trat nah,
Die Nacht, die Preußens Fahnen gesenkt zur Erde sah. -- --
Auf einer Brunnenröhre sinnt müd der König nach:
Wie dem zermürbten Heere zu Mut sei nach dem Schlag.
Trüb harrt es auf den Morgen, der keckste Mund bleibt stumm,
Als schlichen bleiche Sorgen weltschicksalsdrohend um.
Fritz zeichnet leichte Kreise nachdenklich in den Sand;
Der Krückstock zittert leise in seiner Königshand.
Sie bebt!--Nur für Sekunden. -- Dann leuchtet auf sein Blick.
Die Schlappe ist verwunden. Vorwärts! Zu neuem Glück!
Sein Auge lächelt gütig auf den gemeinen Mann.
Erwartend, ehrerbietig schaut der den Herrscher an.
Und der -- ob aller Treue im Herzen tiefgerührt
Bekenne im Zwang der Reue: "Ich hab euch schlecht geführt.
Müßt es nur schon vergessen; mich trifft allein die Schuld,
Ich bessere mich; indessen habt nur mit mir Gedr'it.
Von Sieg zu Sieg marschieren wir künftig fort und fort,
Ich geb euch, Grenadieren, darauf mein Königslvort!"---
Ihr Haupt sie sacht entblößten, ein alter Reiter sprach:
"Fritz! Heut warst du am größten, an deinem schlimmsten Tag!"

Zum Juni
ZUM ^8. Juni
Hans Tchimmelpfeng von
Lehrbellin Aollin Belle-Alliance
^675 ^757 ^5
Horch! Die Muskete trällert durch Sumpf und Lues am Rhin.
Der rote Adler flattert! Rauch weht um Fehrbellin.
Graf Wrangels Schwedenreiter — die greifen stürmend an,
,Doch Brandenburg'sche Streiter stehen trotzig ihren Mann.
Der Wind pfeift! Dichter Regen dem Wottengrau entquillt;
Aus gellen Schwerterschlagen der Zorn der Kämpfer brüllt,
Die aufeinander brennen im Ringspiel Hut an Hut;
Kein Führer kann sie trennen, so groß sind Haß und Wut. —
Das Zünglein an der Wage neigt sich zu Schwedens Glück!
Kommt es zum schwarzen Tage für Brandenburgs Geschick? . . .
Ein Übermaß von Streichen sein kleines Heer umwallt;
Derfflingers Reiter weichen zu wildem Knaul geballt. —
Und als sich im Getümmel die Leitung ganz verlor,
Sprengt auf dem Apfelschimmel der Große Kurfürst vor.
sein Wort reiht schnell die Glieder, daß sie gleich Felsen stehn:
„Zum Sieg führ ich euch wieder — jetzt —I euer Kapitän!"
Und seines Degens Gleißen bannt aller Reiter Blick i
Mit jauchzendem Verheißen: Ein Schelm bleibt nur zurück!
Gleich Blitz und Donnerbeben lobt's die Schwadronen durch:
„Dem Herrscher unser Leben! Mit Gott für Brandenburg."
Weh muß der Schwede kosten, was Fürstenbeispiel gilt;
Den allerletzten Posten verläßt er schreckerfüllt.---
„Heil Friedrich Wilhelm!" schmettern die Hörner rings am Rhin.
„Dir nach in Sturm und Wettern!" — Das war bei Fehrbellin.

Roßbach und Leuthen prangen sieghaft im Lorbeergrün.
Doch denkt: vorausgegangen war beiden einst Kollin.
Der Tag, wo banges Ahnen dem Kühnsten selbst trat nah,
Die Nacht, die Preußens Fahnen gesenkt zur Erde sah. — —
Auf einer Brunnenröhre sinnt müd der König nach:
Wie dem zermürbten Heere zu Mut sei nach dem Schlag.
Trüb harrt es auf den Morgen, der keckste Mund bleibt stumm,
Als schlichen bleiche Sorgen weltschicksalsdrohend um.
Fritz zeichnet leichte Kreise nachdenklich in den Sand;
Der Krückstock zittert leise in seiner Königshand.
Sie bebt!--Nur für Sekunden. — Dann leuchtet auf sein Blick.
Die Schlappe ist verwunden. Vorwärts! Zu neuem Glück!
Sein Auge lächelt gütig auf den gemeinen Mann.
Erwartend, ehrerbietig schaut der den Herrscher an.
Und der — ob aller Treue im Herzen tiefgerührt
Bekenne im Zwang der Reue: „Ich hab euch schlecht geführt.
Müßt es nur schon vergessen; mich trifft allein die Schuld,
Ich bessere mich; indessen habt nur mit mir Gedr'it.
Von Sieg zu Sieg marschieren wir künftig fort und fort,
Ich geb euch, Grenadieren, darauf mein Königslvort!"---
Ihr Haupt sie sacht entblößten, ein alter Reiter sprach:
„Fritz! Heut warst du am größten, an deinem schlimmsten Tag!"

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[0274] Zum Juni ZUM ^8. Juni Hans Tchimmelpfeng von Lehrbellin Aollin Belle-Alliance ^675 ^757 ^5 Horch! Die Muskete trällert durch Sumpf und Lues am Rhin. Der rote Adler flattert! Rauch weht um Fehrbellin. Graf Wrangels Schwedenreiter — die greifen stürmend an, ,Doch Brandenburg'sche Streiter stehen trotzig ihren Mann. Der Wind pfeift! Dichter Regen dem Wottengrau entquillt; Aus gellen Schwerterschlagen der Zorn der Kämpfer brüllt, Die aufeinander brennen im Ringspiel Hut an Hut; Kein Führer kann sie trennen, so groß sind Haß und Wut. — Das Zünglein an der Wage neigt sich zu Schwedens Glück! Kommt es zum schwarzen Tage für Brandenburgs Geschick? . . . Ein Übermaß von Streichen sein kleines Heer umwallt; Derfflingers Reiter weichen zu wildem Knaul geballt. — Und als sich im Getümmel die Leitung ganz verlor, Sprengt auf dem Apfelschimmel der Große Kurfürst vor. sein Wort reiht schnell die Glieder, daß sie gleich Felsen stehn: „Zum Sieg führ ich euch wieder — jetzt —I euer Kapitän!" Und seines Degens Gleißen bannt aller Reiter Blick i Mit jauchzendem Verheißen: Ein Schelm bleibt nur zurück! Gleich Blitz und Donnerbeben lobt's die Schwadronen durch: „Dem Herrscher unser Leben! Mit Gott für Brandenburg." Weh muß der Schwede kosten, was Fürstenbeispiel gilt; Den allerletzten Posten verläßt er schreckerfüllt.--- „Heil Friedrich Wilhelm!" schmettern die Hörner rings am Rhin. „Dir nach in Sturm und Wettern!" — Das war bei Fehrbellin. Roßbach und Leuthen prangen sieghaft im Lorbeergrün. Doch denkt: vorausgegangen war beiden einst Kollin. Der Tag, wo banges Ahnen dem Kühnsten selbst trat nah, Die Nacht, die Preußens Fahnen gesenkt zur Erde sah. — — Auf einer Brunnenröhre sinnt müd der König nach: Wie dem zermürbten Heere zu Mut sei nach dem Schlag. Trüb harrt es auf den Morgen, der keckste Mund bleibt stumm, Als schlichen bleiche Sorgen weltschicksalsdrohend um. Fritz zeichnet leichte Kreise nachdenklich in den Sand; Der Krückstock zittert leise in seiner Königshand. Sie bebt!--Nur für Sekunden. — Dann leuchtet auf sein Blick. Die Schlappe ist verwunden. Vorwärts! Zu neuem Glück! Sein Auge lächelt gütig auf den gemeinen Mann. Erwartend, ehrerbietig schaut der den Herrscher an. Und der — ob aller Treue im Herzen tiefgerührt Bekenne im Zwang der Reue: „Ich hab euch schlecht geführt. Müßt es nur schon vergessen; mich trifft allein die Schuld, Ich bessere mich; indessen habt nur mit mir Gedr'it. Von Sieg zu Sieg marschieren wir künftig fort und fort, Ich geb euch, Grenadieren, darauf mein Königslvort!"--- Ihr Haupt sie sacht entblößten, ein alter Reiter sprach: „Fritz! Heut warst du am größten, an deinem schlimmsten Tag!"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338800/274>, abgerufen am 23.11.2024.