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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr.

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Weltspiegel

klares Buch geschrieben. Es wird dauernd unter den Schätzen deutscher Dichtung
lebend bleiben.

Wenn es diesem Aufsatze, in dem leider nicht mehr als kurze Hinweise
enthalten sein können, gelingt, das Interesse im Reiche draußen für unser Schrifttum
zu heben, so hat er seine Aufgabe erfüllt. Man betrachte uns nur nicht immer
als "Österreicher", als Deutsche minderer Güte, sondern erinnere sich, wie viele
Jahrhunderte keinerlei Grenzlinien zwischen uns bestanden. Daß wir als Süd¬
deutsche unsere Eigenarten haben, als Deutsche, die so lange Zeit das staatserhaltende
und bildende Element im alten Osterreich waren, das ist wohl selbstverständlich.
Schwer genug haben heute die deutschen Dichter Österreichs zu kämpfen. Die
hohen augenblicklichen Preise des deutschen Buches in Osterreich infolge der
Verelendung unserer Krone rücken drohend die Gefahr näher, daß wir noch
abgeschnitten werden von dem geistigen Leben Deutschlands, daß unser großer
Reichtum an Talenten, an volklicher Eigenart brachgelegt werden soll. Nicht
kleindeutsch sei nunmehr die Losung, sondern großdeutsch! Dies aber vor allem
in der Welt des Geistes, der Kultur, des deutschen Schrifttums. Damit legen wir
die besten, sichersten Grundlagen zu unserer unausbleiblichen staatlichen Vereinigung.




Weltspiegel

Obcrschlesie" "ut die Entente. Deutschland ist augenblicklich in der Lage
eines Menschen, der. durch wiederholte schwere Schicksalslchlage verwundet und
verwirrt, durch gehässige Kränkungen seiner Gegner in tiefster Seele verbittert,
durch physische Übermacht seiner Widersacher ständig in entehrender Form bedroht,
durch häusliches Unglück erschüttert, ohne Aussicht auf Rettung, ohne Hoffnung
auf Erleichterung, so überaus reizbar geworden ist, daß der geringste Anlaß
genügt, ihn plötzlich alle Überlegung außer acht und wie enim Rasenden blind-
wütig, sich an der Fülle des eigenen Unglücks und an der letzten Lust selbst¬
mörderischer Wut berauschend, um sich schlagen M lassen Niemand ^vermessen dürfen, über einen solchen Ausgang mit pharisäischer Selbstgefälligkeit
sich zu Gericht zu setzen, am allerwenigsten der Hauptpeiniger des bis zum Wahn¬
sinn Geguälten selbst, und der in solcher Lage zu ruhiger Besinnung Mahnende
gerät leicht in Gefahr, sich lächerlich zu machen. Dennoch muß. solange man
noch von Politik sprechen will, festgehalten werden, daß ein Zahnschmerz wohl
unerträglich werden kann, daß jedoch kein Vernünftiger einem Zahnschmerz ent¬
scheidenden Einfluß auf die Gestaltung seines Schicksals einräumen wird

Unendlich schwer hat man es Deutschland gemacht, in Oberschlesien nicht
Zum Selbstschutz zu greifen und es ist wie gesagt, nicht nur eine schwere, sondern
w diesem Fall auch eine undankbare Aufgabe, gegen diejenigen sich zu ent¬
scheiden, die das zu tun beabsichtigen, was Ehr- und Nationalgefühl dem in
ungebrochenen Impulsen Empfindenden unmittelbar als selbstverständlich nahe¬
legen. Aber Oberschlesien ist denn doch nnr innerhalb der Gesamtlage ein Teil-
Problem und niemand kann gelobt werden, der, um den Teil zu retten, das


Weltspiegel

klares Buch geschrieben. Es wird dauernd unter den Schätzen deutscher Dichtung
lebend bleiben.

Wenn es diesem Aufsatze, in dem leider nicht mehr als kurze Hinweise
enthalten sein können, gelingt, das Interesse im Reiche draußen für unser Schrifttum
zu heben, so hat er seine Aufgabe erfüllt. Man betrachte uns nur nicht immer
als „Österreicher", als Deutsche minderer Güte, sondern erinnere sich, wie viele
Jahrhunderte keinerlei Grenzlinien zwischen uns bestanden. Daß wir als Süd¬
deutsche unsere Eigenarten haben, als Deutsche, die so lange Zeit das staatserhaltende
und bildende Element im alten Osterreich waren, das ist wohl selbstverständlich.
Schwer genug haben heute die deutschen Dichter Österreichs zu kämpfen. Die
hohen augenblicklichen Preise des deutschen Buches in Osterreich infolge der
Verelendung unserer Krone rücken drohend die Gefahr näher, daß wir noch
abgeschnitten werden von dem geistigen Leben Deutschlands, daß unser großer
Reichtum an Talenten, an volklicher Eigenart brachgelegt werden soll. Nicht
kleindeutsch sei nunmehr die Losung, sondern großdeutsch! Dies aber vor allem
in der Welt des Geistes, der Kultur, des deutschen Schrifttums. Damit legen wir
die besten, sichersten Grundlagen zu unserer unausbleiblichen staatlichen Vereinigung.




Weltspiegel

Obcrschlesie» «ut die Entente. Deutschland ist augenblicklich in der Lage
eines Menschen, der. durch wiederholte schwere Schicksalslchlage verwundet und
verwirrt, durch gehässige Kränkungen seiner Gegner in tiefster Seele verbittert,
durch physische Übermacht seiner Widersacher ständig in entehrender Form bedroht,
durch häusliches Unglück erschüttert, ohne Aussicht auf Rettung, ohne Hoffnung
auf Erleichterung, so überaus reizbar geworden ist, daß der geringste Anlaß
genügt, ihn plötzlich alle Überlegung außer acht und wie enim Rasenden blind-
wütig, sich an der Fülle des eigenen Unglücks und an der letzten Lust selbst¬
mörderischer Wut berauschend, um sich schlagen M lassen Niemand ^vermessen dürfen, über einen solchen Ausgang mit pharisäischer Selbstgefälligkeit
sich zu Gericht zu setzen, am allerwenigsten der Hauptpeiniger des bis zum Wahn¬
sinn Geguälten selbst, und der in solcher Lage zu ruhiger Besinnung Mahnende
gerät leicht in Gefahr, sich lächerlich zu machen. Dennoch muß. solange man
noch von Politik sprechen will, festgehalten werden, daß ein Zahnschmerz wohl
unerträglich werden kann, daß jedoch kein Vernünftiger einem Zahnschmerz ent¬
scheidenden Einfluß auf die Gestaltung seines Schicksals einräumen wird

Unendlich schwer hat man es Deutschland gemacht, in Oberschlesien nicht
Zum Selbstschutz zu greifen und es ist wie gesagt, nicht nur eine schwere, sondern
w diesem Fall auch eine undankbare Aufgabe, gegen diejenigen sich zu ent¬
scheiden, die das zu tun beabsichtigen, was Ehr- und Nationalgefühl dem in
ungebrochenen Impulsen Empfindenden unmittelbar als selbstverständlich nahe¬
legen. Aber Oberschlesien ist denn doch nnr innerhalb der Gesamtlage ein Teil-
Problem und niemand kann gelobt werden, der, um den Teil zu retten, das


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338800/251>, abgerufen am 23.11.2024.