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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr.

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Der oberschlesische Lreistaatgedcmke

wandte sich der Bund der Oberschlesier an die sämtlichen selbständigen Gemeinden
Oberschlesiens mit einem Schreiben, in dem gegen die Zerreißung Oberschlesiens
protestiert, an versteckter Stelle aber der Gedanke eines neutralen Freistaats
empfohlen wurde. Die Gemeinden wurden um Ausfüllung einer vorgedruckten
Zustimmungserklärung gebeten, aus der deutlich nur der Protest gegen die Zer-
reißung Oberschlesiens herauszulesen war, die aber gleichzeitig äußerst geschickt
eingeflochten die Zustimmung zu dem Gedanken eines neutralen Freistaats enthielt.
Der Verband der besoldeten Kommunalleitungen Oberschlesiens hat gegen diese
Methoden der Erschleichung von Unterschriften seinerzeit schärfsten Protest erhoben
und gleichzeitig darauf hingewiesen, daß unzweideutige Willenserklärungen der
befugten Gemeindeleitungen für den Anschluß Oberschlesiens an Deutschland und
damit gegen den neutralen Freistaat vorlagen. Dieser Protest war und ist um
so richtiger, als der Bund der Oberschlesier in seinem Rundschreiben ausdrücklich
darauf hingewiesen hatte, daß er das Ergebnis der Zustimmungserklärungen den
alliierten Stellen zuleiten werde.

Die Absichten, die Man mit der Propaganda für' den Freistaatgedänken
seitens der Franzosen im Bunde mit den Polen verfolgt, sind einleuchtend.
Oberschlesien soll -- zu mindestens aber das ganze Industriegebiet --, nachdem
die Sanktionspolitik gescheitert ist und auch der Aufstand Korfaniys anscheinend
nicht zum Ziele führt, auf dem Wege über den neutralen Freistaat ungeteilt den
Polen in die Hand gespielt werden. Wenn sich Korfanty vor dem Aufstande in
seinem oberschlesischen Hauptorgan scharf gegen den Gedanken eines neutralen
Freistaats wandte und diesen als deutsche Machenschaften hinzustellen versuchte,
so war das alles nur Schein. ^ Die deutsche Regierung hat in ihrer Erklärung
jeden Gedanken an einen neutralen Freistaat Oberschlesien in unzweideutiger
Weise abgelehnt. Herr Korfanty aber sei an seine Worte im vergangenen
Sommer erinnert: "Ein neutraler Freistaat Oberschlesien wird binnen eines
Jahres den Anschluß an Polen beschlossen haben."

Diese Worte Korfantys zeigen uns den wahren Sinn und auch die Ge¬
fahren des oberschlesischen Freistaatgedankens. Für uns wäre ein solcher Frei¬
staat Oberschlesien gleichbedeutend mit dem Verlust des Jndustriebezirks. Er wäre
nichts anderes als eine unausgefochtene Domäne des Polenreiches. Von einem
selbständigen staatlichen Leben würde keine Rede sein. Seine freigewählte Ver¬
fassung würde den Richtlinien entsprechen, die man in Paris für die freie Ent¬
scheidung der Völker festsetzt. Polen aber würde in ihm etwas Vogelfreies und
das, was er wirklich sein soll, nur einen Übergang zur polnischen Provinz sehen.
Die nationalen Kämpfe würden in diesem Freistaat von den Polen auf die Spitze
getrieben werden, und der polnische Terror würde den Polen dann doch den
Grund zum Einmarsch geben. Für die Schaffung eines Freistaats Oberschlesien
liegt -- das hat die Abstimmung in klarer Weise bewiesen, weder in politischer
noch in völkischer Beziehung ein Grund vor. Eine so lautende Entscheidung des
Obersten Rats wäre eine Fälschung des Volkswillens. Vernunft und Gerechtig'
keitsgefühl sprechen in gleichem Maße dafür, daß Oberschlesien ungeteilt im
deutschen Staatsverbande bleibt. Ein polnisches Oberschlesien und ebenso auch
jeder den Polen zugesprochene Teil des oberschlesischen Industriegebiets ginge nicht
nur Deutschland, sondern der Welt verloren.


Der oberschlesische Lreistaatgedcmke

wandte sich der Bund der Oberschlesier an die sämtlichen selbständigen Gemeinden
Oberschlesiens mit einem Schreiben, in dem gegen die Zerreißung Oberschlesiens
protestiert, an versteckter Stelle aber der Gedanke eines neutralen Freistaats
empfohlen wurde. Die Gemeinden wurden um Ausfüllung einer vorgedruckten
Zustimmungserklärung gebeten, aus der deutlich nur der Protest gegen die Zer-
reißung Oberschlesiens herauszulesen war, die aber gleichzeitig äußerst geschickt
eingeflochten die Zustimmung zu dem Gedanken eines neutralen Freistaats enthielt.
Der Verband der besoldeten Kommunalleitungen Oberschlesiens hat gegen diese
Methoden der Erschleichung von Unterschriften seinerzeit schärfsten Protest erhoben
und gleichzeitig darauf hingewiesen, daß unzweideutige Willenserklärungen der
befugten Gemeindeleitungen für den Anschluß Oberschlesiens an Deutschland und
damit gegen den neutralen Freistaat vorlagen. Dieser Protest war und ist um
so richtiger, als der Bund der Oberschlesier in seinem Rundschreiben ausdrücklich
darauf hingewiesen hatte, daß er das Ergebnis der Zustimmungserklärungen den
alliierten Stellen zuleiten werde.

Die Absichten, die Man mit der Propaganda für' den Freistaatgedänken
seitens der Franzosen im Bunde mit den Polen verfolgt, sind einleuchtend.
Oberschlesien soll — zu mindestens aber das ganze Industriegebiet —, nachdem
die Sanktionspolitik gescheitert ist und auch der Aufstand Korfaniys anscheinend
nicht zum Ziele führt, auf dem Wege über den neutralen Freistaat ungeteilt den
Polen in die Hand gespielt werden. Wenn sich Korfanty vor dem Aufstande in
seinem oberschlesischen Hauptorgan scharf gegen den Gedanken eines neutralen
Freistaats wandte und diesen als deutsche Machenschaften hinzustellen versuchte,
so war das alles nur Schein. ^ Die deutsche Regierung hat in ihrer Erklärung
jeden Gedanken an einen neutralen Freistaat Oberschlesien in unzweideutiger
Weise abgelehnt. Herr Korfanty aber sei an seine Worte im vergangenen
Sommer erinnert: „Ein neutraler Freistaat Oberschlesien wird binnen eines
Jahres den Anschluß an Polen beschlossen haben."

Diese Worte Korfantys zeigen uns den wahren Sinn und auch die Ge¬
fahren des oberschlesischen Freistaatgedankens. Für uns wäre ein solcher Frei¬
staat Oberschlesien gleichbedeutend mit dem Verlust des Jndustriebezirks. Er wäre
nichts anderes als eine unausgefochtene Domäne des Polenreiches. Von einem
selbständigen staatlichen Leben würde keine Rede sein. Seine freigewählte Ver¬
fassung würde den Richtlinien entsprechen, die man in Paris für die freie Ent¬
scheidung der Völker festsetzt. Polen aber würde in ihm etwas Vogelfreies und
das, was er wirklich sein soll, nur einen Übergang zur polnischen Provinz sehen.
Die nationalen Kämpfe würden in diesem Freistaat von den Polen auf die Spitze
getrieben werden, und der polnische Terror würde den Polen dann doch den
Grund zum Einmarsch geben. Für die Schaffung eines Freistaats Oberschlesien
liegt — das hat die Abstimmung in klarer Weise bewiesen, weder in politischer
noch in völkischer Beziehung ein Grund vor. Eine so lautende Entscheidung des
Obersten Rats wäre eine Fälschung des Volkswillens. Vernunft und Gerechtig'
keitsgefühl sprechen in gleichem Maße dafür, daß Oberschlesien ungeteilt im
deutschen Staatsverbande bleibt. Ein polnisches Oberschlesien und ebenso auch
jeder den Polen zugesprochene Teil des oberschlesischen Industriegebiets ginge nicht
nur Deutschland, sondern der Welt verloren.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338800/222>, abgerufen am 27.11.2024.