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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr.

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die jetzigen Führer abgekämpft sind und das Steuer dann mit voller und um so
wirksamerer Wucht herumgeworfen werden kann. Wo Widerstand nichts nützt,
darf man keine Kräfte verzetteln.

Was die Annahme des Ultimatums selbst betrifft, so halte ich sie für einen
ebenso schweren Fehler wie die Unterschrift des Friedensvertrages, d. h. für den
schwersten, den man überhaupt begehen konnte. Und wenn man damals die
Absicht hatte, die Absplitierung deutschen Gebietes, den Zerfall der deutschen
Einheit und weiteres Einrücken der Feinde zu verhindern, so bestehen heute diese
damals immerhin begründeten Rücksichten nicht mehr. Die Rheinländer haben
längst erkannt, daß ihr Heil bei Frankreich nicht sein kann, die französische
Presse ist voll von Klagen über den Umschwung der Stimmung. Der Zerfall
der deutschen Einheit droht durch Bayerns Haltung in der Entwaffnungsfrage
nach wie vor, und weitere Besetzung deutschen Gebietes, insbesondere des Ruhr-
beckens. wird durch Annahme des Ultimatums eben nicht abgewendet. Schon
jetzt ist von einer Aufhebung der zur Erzwingung der Unterschrift bisher an¬
gewandten "Sanktionen" keine Rede. Aber man übersieht, dasz die öffentliche
Meinung in Frankreich mit den finanziellen Bestimmungen des Londoner Ab¬
kommens keineswegs zufrieden ist, die Garantien für durchaus ungenügend hält
und der festen Überzeugung ist, man müßte sich Pfänder für die Ausführung
des Londoner Abkommens durch Deutschland sichern. Schon erklärt Vriand, der
am 19. Mai vor Kammer und Senat einen harten Kampf zu bestehen haben
wird, die fünfzehn Jahre der Besetzung der Rheinlande seien ein Minimum, schon
jetzt suchen französische Blätter nach Vorwänden, um Verfehlungen Deutschlands
feststellen zu können, die eine sofortige Besetzung des Ruhrgebiets rechtfertigen
würden. Die mobilisierte Jahresklasse 19 wird weiter unter den Waffen gehalten.
Nicht umsonst schreibt der Autzenpolitiker des "Echo de Paris". General Rottet
sei der Befehl gegeben worden, aus die strikteste Beobachtung der Entwasfnungs-
klauseln zu achten, nicht umsonst veröffentlichen andere Blätter Kalender mit
Terminen, bis zu denen die unterschiedlichen Verpflichtungen erfüllt sein müssen,
nicht umsonst zieht "Action frau?aise" jeden Tag gegen Briands Unentschlossenheit
zu Felde, nicht umsonst läßt Poincare als präsumiiver Nachfolger Briands in
dem letzten seiner "Freien Briefe" im "Temps" einen Bewohner der zerstörten
Gebiete folgendermaßen sprechen: "Haben die Engländer die deutschen Zeppeline
vergessen? Glauben sie, daß sie in einem neuen Kriege geschützter sind als wir?
Deutschland entwaffnet nicht und zahlt nicht. Worauf warten wir. es selbst zu
entwaffnen und es selber zum Zahlen zu bringen? Zwei Jahre warten wir
schon. War es nicht ausgemacht, daß wir uns am 1. Mai selber materielle
Pfänder suchen würden? Nehmen wir an, daß die Deutschen die Geschicklichkeit
haben, unsere Bedingungen anzunehmen, was bleibt uns an Stelle eines Pfandes,
das wir eventuell zur Tilgung unserer Schulden ausbeuten könnten, in, Händen?
Deutschlands Versprechen und Bons, also ein paar Papiere mehr. Wenn sich
Deutschland eines Tages weigerte zu zahlen, welche Mittel werben wir haben,
es zu zwingen?" Es mag leicht sein, daß auch in Frankreich WirtschaftS-
sachverständige die Besetzung des NuhrgebietS als nicht einträglich ablehnen, aber
die Geschichte des Krieges ist reich genug an Beispielen dafür, daß in Fällen, wo
in den Parlamenten die Wogen patriotischer Erregung hochgehen, eben nicht nach
sachlichen Gesichtspunkten entschieden wird. . " ^

Eins freilich ist den Franzosen bisher nicht gelungen, was ihnen in London
gewiß äußerst erwünscht gewesen wäre: die Deutschen durch den oberschlestschen
Einfall zu provozieren. Man hätte es gar zu gern gesehen, daß Reichswehr
oder Freikorps eingegriffen hätten, um dann sagen zu tonnen : die Deutschen be¬
ginnen aufs neue einen Krieg, sie haben nicht entwaffnet, da ist der Beweis. Es
muß eingerückt werden. -- Dann würde im Westen verloren gehen, was un
Osten gewonnen würde. Es besteht allerdings wenig Hoffnung, daß die ober-
schlesische Frage eine gerechte Lösung findet. Lloyd George hat freilich erklärt,
daß die Alliierten, wie sie Deutschland entwaffnet hätten, verpflichtet seien, Deutsch-


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die jetzigen Führer abgekämpft sind und das Steuer dann mit voller und um so
wirksamerer Wucht herumgeworfen werden kann. Wo Widerstand nichts nützt,
darf man keine Kräfte verzetteln.

Was die Annahme des Ultimatums selbst betrifft, so halte ich sie für einen
ebenso schweren Fehler wie die Unterschrift des Friedensvertrages, d. h. für den
schwersten, den man überhaupt begehen konnte. Und wenn man damals die
Absicht hatte, die Absplitierung deutschen Gebietes, den Zerfall der deutschen
Einheit und weiteres Einrücken der Feinde zu verhindern, so bestehen heute diese
damals immerhin begründeten Rücksichten nicht mehr. Die Rheinländer haben
längst erkannt, daß ihr Heil bei Frankreich nicht sein kann, die französische
Presse ist voll von Klagen über den Umschwung der Stimmung. Der Zerfall
der deutschen Einheit droht durch Bayerns Haltung in der Entwaffnungsfrage
nach wie vor, und weitere Besetzung deutschen Gebietes, insbesondere des Ruhr-
beckens. wird durch Annahme des Ultimatums eben nicht abgewendet. Schon
jetzt ist von einer Aufhebung der zur Erzwingung der Unterschrift bisher an¬
gewandten „Sanktionen" keine Rede. Aber man übersieht, dasz die öffentliche
Meinung in Frankreich mit den finanziellen Bestimmungen des Londoner Ab¬
kommens keineswegs zufrieden ist, die Garantien für durchaus ungenügend hält
und der festen Überzeugung ist, man müßte sich Pfänder für die Ausführung
des Londoner Abkommens durch Deutschland sichern. Schon erklärt Vriand, der
am 19. Mai vor Kammer und Senat einen harten Kampf zu bestehen haben
wird, die fünfzehn Jahre der Besetzung der Rheinlande seien ein Minimum, schon
jetzt suchen französische Blätter nach Vorwänden, um Verfehlungen Deutschlands
feststellen zu können, die eine sofortige Besetzung des Ruhrgebiets rechtfertigen
würden. Die mobilisierte Jahresklasse 19 wird weiter unter den Waffen gehalten.
Nicht umsonst schreibt der Autzenpolitiker des „Echo de Paris". General Rottet
sei der Befehl gegeben worden, aus die strikteste Beobachtung der Entwasfnungs-
klauseln zu achten, nicht umsonst veröffentlichen andere Blätter Kalender mit
Terminen, bis zu denen die unterschiedlichen Verpflichtungen erfüllt sein müssen,
nicht umsonst zieht „Action frau?aise" jeden Tag gegen Briands Unentschlossenheit
zu Felde, nicht umsonst läßt Poincare als präsumiiver Nachfolger Briands in
dem letzten seiner „Freien Briefe" im „Temps" einen Bewohner der zerstörten
Gebiete folgendermaßen sprechen: „Haben die Engländer die deutschen Zeppeline
vergessen? Glauben sie, daß sie in einem neuen Kriege geschützter sind als wir?
Deutschland entwaffnet nicht und zahlt nicht. Worauf warten wir. es selbst zu
entwaffnen und es selber zum Zahlen zu bringen? Zwei Jahre warten wir
schon. War es nicht ausgemacht, daß wir uns am 1. Mai selber materielle
Pfänder suchen würden? Nehmen wir an, daß die Deutschen die Geschicklichkeit
haben, unsere Bedingungen anzunehmen, was bleibt uns an Stelle eines Pfandes,
das wir eventuell zur Tilgung unserer Schulden ausbeuten könnten, in, Händen?
Deutschlands Versprechen und Bons, also ein paar Papiere mehr. Wenn sich
Deutschland eines Tages weigerte zu zahlen, welche Mittel werben wir haben,
es zu zwingen?" Es mag leicht sein, daß auch in Frankreich WirtschaftS-
sachverständige die Besetzung des NuhrgebietS als nicht einträglich ablehnen, aber
die Geschichte des Krieges ist reich genug an Beispielen dafür, daß in Fällen, wo
in den Parlamenten die Wogen patriotischer Erregung hochgehen, eben nicht nach
sachlichen Gesichtspunkten entschieden wird. . „ ^

Eins freilich ist den Franzosen bisher nicht gelungen, was ihnen in London
gewiß äußerst erwünscht gewesen wäre: die Deutschen durch den oberschlestschen
Einfall zu provozieren. Man hätte es gar zu gern gesehen, daß Reichswehr
oder Freikorps eingegriffen hätten, um dann sagen zu tonnen : die Deutschen be¬
ginnen aufs neue einen Krieg, sie haben nicht entwaffnet, da ist der Beweis. Es
muß eingerückt werden. — Dann würde im Westen verloren gehen, was un
Osten gewonnen würde. Es besteht allerdings wenig Hoffnung, daß die ober-
schlesische Frage eine gerechte Lösung findet. Lloyd George hat freilich erklärt,
daß die Alliierten, wie sie Deutschland entwaffnet hätten, verpflichtet seien, Deutsch-


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[0211] Meltspiegel die jetzigen Führer abgekämpft sind und das Steuer dann mit voller und um so wirksamerer Wucht herumgeworfen werden kann. Wo Widerstand nichts nützt, darf man keine Kräfte verzetteln. Was die Annahme des Ultimatums selbst betrifft, so halte ich sie für einen ebenso schweren Fehler wie die Unterschrift des Friedensvertrages, d. h. für den schwersten, den man überhaupt begehen konnte. Und wenn man damals die Absicht hatte, die Absplitierung deutschen Gebietes, den Zerfall der deutschen Einheit und weiteres Einrücken der Feinde zu verhindern, so bestehen heute diese damals immerhin begründeten Rücksichten nicht mehr. Die Rheinländer haben längst erkannt, daß ihr Heil bei Frankreich nicht sein kann, die französische Presse ist voll von Klagen über den Umschwung der Stimmung. Der Zerfall der deutschen Einheit droht durch Bayerns Haltung in der Entwaffnungsfrage nach wie vor, und weitere Besetzung deutschen Gebietes, insbesondere des Ruhr- beckens. wird durch Annahme des Ultimatums eben nicht abgewendet. Schon jetzt ist von einer Aufhebung der zur Erzwingung der Unterschrift bisher an¬ gewandten „Sanktionen" keine Rede. Aber man übersieht, dasz die öffentliche Meinung in Frankreich mit den finanziellen Bestimmungen des Londoner Ab¬ kommens keineswegs zufrieden ist, die Garantien für durchaus ungenügend hält und der festen Überzeugung ist, man müßte sich Pfänder für die Ausführung des Londoner Abkommens durch Deutschland sichern. Schon erklärt Vriand, der am 19. Mai vor Kammer und Senat einen harten Kampf zu bestehen haben wird, die fünfzehn Jahre der Besetzung der Rheinlande seien ein Minimum, schon jetzt suchen französische Blätter nach Vorwänden, um Verfehlungen Deutschlands feststellen zu können, die eine sofortige Besetzung des Ruhrgebiets rechtfertigen würden. Die mobilisierte Jahresklasse 19 wird weiter unter den Waffen gehalten. Nicht umsonst schreibt der Autzenpolitiker des „Echo de Paris". General Rottet sei der Befehl gegeben worden, aus die strikteste Beobachtung der Entwasfnungs- klauseln zu achten, nicht umsonst veröffentlichen andere Blätter Kalender mit Terminen, bis zu denen die unterschiedlichen Verpflichtungen erfüllt sein müssen, nicht umsonst zieht „Action frau?aise" jeden Tag gegen Briands Unentschlossenheit zu Felde, nicht umsonst läßt Poincare als präsumiiver Nachfolger Briands in dem letzten seiner „Freien Briefe" im „Temps" einen Bewohner der zerstörten Gebiete folgendermaßen sprechen: „Haben die Engländer die deutschen Zeppeline vergessen? Glauben sie, daß sie in einem neuen Kriege geschützter sind als wir? Deutschland entwaffnet nicht und zahlt nicht. Worauf warten wir. es selbst zu entwaffnen und es selber zum Zahlen zu bringen? Zwei Jahre warten wir schon. War es nicht ausgemacht, daß wir uns am 1. Mai selber materielle Pfänder suchen würden? Nehmen wir an, daß die Deutschen die Geschicklichkeit haben, unsere Bedingungen anzunehmen, was bleibt uns an Stelle eines Pfandes, das wir eventuell zur Tilgung unserer Schulden ausbeuten könnten, in, Händen? Deutschlands Versprechen und Bons, also ein paar Papiere mehr. Wenn sich Deutschland eines Tages weigerte zu zahlen, welche Mittel werben wir haben, es zu zwingen?" Es mag leicht sein, daß auch in Frankreich WirtschaftS- sachverständige die Besetzung des NuhrgebietS als nicht einträglich ablehnen, aber die Geschichte des Krieges ist reich genug an Beispielen dafür, daß in Fällen, wo in den Parlamenten die Wogen patriotischer Erregung hochgehen, eben nicht nach sachlichen Gesichtspunkten entschieden wird. . „ ^ Eins freilich ist den Franzosen bisher nicht gelungen, was ihnen in London gewiß äußerst erwünscht gewesen wäre: die Deutschen durch den oberschlestschen Einfall zu provozieren. Man hätte es gar zu gern gesehen, daß Reichswehr oder Freikorps eingegriffen hätten, um dann sagen zu tonnen : die Deutschen be¬ ginnen aufs neue einen Krieg, sie haben nicht entwaffnet, da ist der Beweis. Es muß eingerückt werden. — Dann würde im Westen verloren gehen, was un Osten gewonnen würde. Es besteht allerdings wenig Hoffnung, daß die ober- schlesische Frage eine gerechte Lösung findet. Lloyd George hat freilich erklärt, daß die Alliierten, wie sie Deutschland entwaffnet hätten, verpflichtet seien, Deutsch-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338800/211>, abgerufen am 23.11.2024.