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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

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seinem großen Kanzler gegangen. An sich
betrachtet eine durchaus klare Sachlage; aber
seit 1883 trug sich Fürst Alexander mit dem
Gedanken einer Verlobung mit Prinzessin
Viktoria von Preußen, der Tochter des
deutschen Kronprinzen, und seitdem war es
das Ziel der deutschen Kronprinzessin, diese
eheliche Verbindung ihrer Lieblingstochter zu¬
stande zu bringen, ohne irgendwelche Rücksicht
nähme auf die Politischen Interessen des
Deutschen Reiches. Bei dem geringen Einfluß,
den die landfremde Kronprinzessin -- sehr
bezeichnend hierfür ihr Brief an den Battcn-
berger aus Venedig vom 2. 10. 1835
(S. 209 f.) -- in politischen Fragen mit Recht
ausübte, war sie für deu allmächtigen Kanzler kein
gefährlicher Gegner, aber ihr verbündete sich
ihre Mutter die Königin von England, welche
als Familienoberhaupt, nach seinem Ausdruck
Wilhelms I., durch eine Verbindung der
Hohenzollernprinzessin mit dem Battcnbcrger
der Heirat ihrer eigenen Tochter mit einem
Mitglied dieser nicht ebenbürtigen Familie
"mehr Relief geben" zu können hoffte, die
besonders aber als Beherrscherin Gro߬
britanniens ein lebhaftes Interesse an einer
Zuspitzung der Beziehungen Deutschlands zu
Rußland hatte. Wollte man nur nach ihren
recht unvorsichtigen Briefen an den Batten-
berger schließen -- einmal spricht sie von
ihrer " Empörung und Wut" gegen Alexander III.,
"deinen barbarischen, asiatischartigen, tyranni¬
schen Vetter" ---, so möchte man meinen, sie
hätte um des Bulgaren willen mit Nußland
sofort Krieg beginnen wollen; in Wahrheit
waren dieser Familienpolitik trotz starker
Entrüstung im englischen Volk durch Englands
Verfassung recht enge Grenzen gezogen. "Lord
Salisbury trug der allgemeinen Empörung
gegen Rußland durch eine scharfe ' Rede
Rechnung, aber seine Politik blieb abwartend
und behutsam, so daß man sagte, er rede wie
ein Jingo, aber handle wie ein Manchester¬
mann" (H. Plehn: Bismarcks auswärtige
Politik ^1920^ S. 213). Eine Gefahr für
den europäischen Frieden wurde die bulgarische
Frage erst wieder, als die deutsche Kron¬
prinzessin deutsche Kaiserin geworden war;
da hat sie kein Mittel gescheut, um 'zum Ziele
zu gelangen, schließlich aber doch, feige von
Natur, wie sie war, vor dem großen Kanzler

[Spaltenumbruch]

zurückweichen müssen, zumal alle ihre nächsten
Verwandten sie im Stiche ließen, wie ihre
Mutter und ihre Tochter, oder ihren Plänen
schroff entgegentraten, wie ihr ältester Sohn
Kronprinz Wilhelm, der reichlich impulsiv in
einem Schreiben an den Vattenberger vom
4. April 1888 erklärte/'*) "daß ich jeden, der
zu einer solchen Verbindung mitwirkt, für alle
Zeiten als einen Feind meines Hauses nicht
nur, sondern auch meines Vaterlandes be¬
trachten und dementsprechend behandeln werde"
(S. 323 f.). Nur über ihren Gemahl, den
totwundcn Friedrich III., hat die Kaiserin
am 12. April einen wenig rühmlichen Sieg
errungen, als sie ihn zu bestimmen wußte,
in einem Kodizill zu seinem Testament dem
Thronfolger die Verpflichtung aufzuerlegen,
für den Fall seines Todes die Heirat des
Battenbergers mit der Prinzessin Viktoria zu
vollziehen; wenn man bedenkt, wie wenig
Friedrichs III. Hohenzollernstolz von jeher
einverstanden gewesen war mit diese
"Mesalliance", wenn man erwägt, daß der
Kaiser damit bis zu einem gewissen Grade
die Hand bot, um die Geheimartikel des
letzten Geheimvcrtrages mit Nußland vom
13. 6. 1887 zu verletzen, so kann man sich
vorstellen, wie rücksichtslos die Kaiserin ihrem
tokranken Gemahl zugesetzt haben muß, um
ihm die Niederschrift eines solchen Kodizills
abzutrotzen. Im April 1833 hat Bismarck
in diesen Blättern in den Kampf um die
bulgarische Frage eingegriffen, naturgemäß im
Hinblick auf die Politische Seite der Frage
mit der damals noch gebotenen Vorsicht; um so
rücksichtsloser ließ er jedoch die Familie des
Battenbergers von seinem Moritz Busch zer¬
gliedern, die polnische Verwandtschaft des
Fürsten die wenig würdige Rolle, welche
ein Bruder seiner Mutter im Polenaufstand
gegen Nußland als Deserteur und 1870 als
Garibaldianer gegen Deutschland gespielt
hatte. Es war schwerstes Geschütz, daS
Bismarck auffahren ließ, als er in, April 1888
wegen der die Interessen des Reichs schädigenden

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""> War dieser den Vattenberger unnötig und ganz
ungerecht beleidigende Brief in Wahrheit an die Adresse
der Miserin Friedrich gerichtet, da es auch dem Kron¬
prinzen sicher nicht unbekannt war, das! Fürst Alexander
seine gesamte Korrespondenz nach Charlottenburg sofort
mitteilte?
[Beginn Spaltensatz]

seinem großen Kanzler gegangen. An sich
betrachtet eine durchaus klare Sachlage; aber
seit 1883 trug sich Fürst Alexander mit dem
Gedanken einer Verlobung mit Prinzessin
Viktoria von Preußen, der Tochter des
deutschen Kronprinzen, und seitdem war es
das Ziel der deutschen Kronprinzessin, diese
eheliche Verbindung ihrer Lieblingstochter zu¬
stande zu bringen, ohne irgendwelche Rücksicht
nähme auf die Politischen Interessen des
Deutschen Reiches. Bei dem geringen Einfluß,
den die landfremde Kronprinzessin — sehr
bezeichnend hierfür ihr Brief an den Battcn-
berger aus Venedig vom 2. 10. 1835
(S. 209 f.) — in politischen Fragen mit Recht
ausübte, war sie für deu allmächtigen Kanzler kein
gefährlicher Gegner, aber ihr verbündete sich
ihre Mutter die Königin von England, welche
als Familienoberhaupt, nach seinem Ausdruck
Wilhelms I., durch eine Verbindung der
Hohenzollernprinzessin mit dem Battcnbcrger
der Heirat ihrer eigenen Tochter mit einem
Mitglied dieser nicht ebenbürtigen Familie
„mehr Relief geben" zu können hoffte, die
besonders aber als Beherrscherin Gro߬
britanniens ein lebhaftes Interesse an einer
Zuspitzung der Beziehungen Deutschlands zu
Rußland hatte. Wollte man nur nach ihren
recht unvorsichtigen Briefen an den Batten-
berger schließen — einmal spricht sie von
ihrer „ Empörung und Wut" gegen Alexander III.,
„deinen barbarischen, asiatischartigen, tyranni¬
schen Vetter" —-, so möchte man meinen, sie
hätte um des Bulgaren willen mit Nußland
sofort Krieg beginnen wollen; in Wahrheit
waren dieser Familienpolitik trotz starker
Entrüstung im englischen Volk durch Englands
Verfassung recht enge Grenzen gezogen. „Lord
Salisbury trug der allgemeinen Empörung
gegen Rußland durch eine scharfe ' Rede
Rechnung, aber seine Politik blieb abwartend
und behutsam, so daß man sagte, er rede wie
ein Jingo, aber handle wie ein Manchester¬
mann" (H. Plehn: Bismarcks auswärtige
Politik ^1920^ S. 213). Eine Gefahr für
den europäischen Frieden wurde die bulgarische
Frage erst wieder, als die deutsche Kron¬
prinzessin deutsche Kaiserin geworden war;
da hat sie kein Mittel gescheut, um 'zum Ziele
zu gelangen, schließlich aber doch, feige von
Natur, wie sie war, vor dem großen Kanzler

[Spaltenumbruch]

zurückweichen müssen, zumal alle ihre nächsten
Verwandten sie im Stiche ließen, wie ihre
Mutter und ihre Tochter, oder ihren Plänen
schroff entgegentraten, wie ihr ältester Sohn
Kronprinz Wilhelm, der reichlich impulsiv in
einem Schreiben an den Vattenberger vom
4. April 1888 erklärte/'*) „daß ich jeden, der
zu einer solchen Verbindung mitwirkt, für alle
Zeiten als einen Feind meines Hauses nicht
nur, sondern auch meines Vaterlandes be¬
trachten und dementsprechend behandeln werde"
(S. 323 f.). Nur über ihren Gemahl, den
totwundcn Friedrich III., hat die Kaiserin
am 12. April einen wenig rühmlichen Sieg
errungen, als sie ihn zu bestimmen wußte,
in einem Kodizill zu seinem Testament dem
Thronfolger die Verpflichtung aufzuerlegen,
für den Fall seines Todes die Heirat des
Battenbergers mit der Prinzessin Viktoria zu
vollziehen; wenn man bedenkt, wie wenig
Friedrichs III. Hohenzollernstolz von jeher
einverstanden gewesen war mit diese
„Mesalliance", wenn man erwägt, daß der
Kaiser damit bis zu einem gewissen Grade
die Hand bot, um die Geheimartikel des
letzten Geheimvcrtrages mit Nußland vom
13. 6. 1887 zu verletzen, so kann man sich
vorstellen, wie rücksichtslos die Kaiserin ihrem
tokranken Gemahl zugesetzt haben muß, um
ihm die Niederschrift eines solchen Kodizills
abzutrotzen. Im April 1833 hat Bismarck
in diesen Blättern in den Kampf um die
bulgarische Frage eingegriffen, naturgemäß im
Hinblick auf die Politische Seite der Frage
mit der damals noch gebotenen Vorsicht; um so
rücksichtsloser ließ er jedoch die Familie des
Battenbergers von seinem Moritz Busch zer¬
gliedern, die polnische Verwandtschaft des
Fürsten die wenig würdige Rolle, welche
ein Bruder seiner Mutter im Polenaufstand
gegen Nußland als Deserteur und 1870 als
Garibaldianer gegen Deutschland gespielt
hatte. Es war schwerstes Geschütz, daS
Bismarck auffahren ließ, als er in, April 1888
wegen der die Interessen des Reichs schädigenden

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"»> War dieser den Vattenberger unnötig und ganz
ungerecht beleidigende Brief in Wahrheit an die Adresse
der Miserin Friedrich gerichtet, da es auch dem Kron¬
prinzen sicher nicht unbekannt war, das! Fürst Alexander
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[0363] seinem großen Kanzler gegangen. An sich betrachtet eine durchaus klare Sachlage; aber seit 1883 trug sich Fürst Alexander mit dem Gedanken einer Verlobung mit Prinzessin Viktoria von Preußen, der Tochter des deutschen Kronprinzen, und seitdem war es das Ziel der deutschen Kronprinzessin, diese eheliche Verbindung ihrer Lieblingstochter zu¬ stande zu bringen, ohne irgendwelche Rücksicht nähme auf die Politischen Interessen des Deutschen Reiches. Bei dem geringen Einfluß, den die landfremde Kronprinzessin — sehr bezeichnend hierfür ihr Brief an den Battcn- berger aus Venedig vom 2. 10. 1835 (S. 209 f.) — in politischen Fragen mit Recht ausübte, war sie für deu allmächtigen Kanzler kein gefährlicher Gegner, aber ihr verbündete sich ihre Mutter die Königin von England, welche als Familienoberhaupt, nach seinem Ausdruck Wilhelms I., durch eine Verbindung der Hohenzollernprinzessin mit dem Battcnbcrger der Heirat ihrer eigenen Tochter mit einem Mitglied dieser nicht ebenbürtigen Familie „mehr Relief geben" zu können hoffte, die besonders aber als Beherrscherin Gro߬ britanniens ein lebhaftes Interesse an einer Zuspitzung der Beziehungen Deutschlands zu Rußland hatte. Wollte man nur nach ihren recht unvorsichtigen Briefen an den Batten- berger schließen — einmal spricht sie von ihrer „ Empörung und Wut" gegen Alexander III., „deinen barbarischen, asiatischartigen, tyranni¬ schen Vetter" —-, so möchte man meinen, sie hätte um des Bulgaren willen mit Nußland sofort Krieg beginnen wollen; in Wahrheit waren dieser Familienpolitik trotz starker Entrüstung im englischen Volk durch Englands Verfassung recht enge Grenzen gezogen. „Lord Salisbury trug der allgemeinen Empörung gegen Rußland durch eine scharfe ' Rede Rechnung, aber seine Politik blieb abwartend und behutsam, so daß man sagte, er rede wie ein Jingo, aber handle wie ein Manchester¬ mann" (H. Plehn: Bismarcks auswärtige Politik ^1920^ S. 213). Eine Gefahr für den europäischen Frieden wurde die bulgarische Frage erst wieder, als die deutsche Kron¬ prinzessin deutsche Kaiserin geworden war; da hat sie kein Mittel gescheut, um 'zum Ziele zu gelangen, schließlich aber doch, feige von Natur, wie sie war, vor dem großen Kanzler zurückweichen müssen, zumal alle ihre nächsten Verwandten sie im Stiche ließen, wie ihre Mutter und ihre Tochter, oder ihren Plänen schroff entgegentraten, wie ihr ältester Sohn Kronprinz Wilhelm, der reichlich impulsiv in einem Schreiben an den Vattenberger vom 4. April 1888 erklärte/'*) „daß ich jeden, der zu einer solchen Verbindung mitwirkt, für alle Zeiten als einen Feind meines Hauses nicht nur, sondern auch meines Vaterlandes be¬ trachten und dementsprechend behandeln werde" (S. 323 f.). Nur über ihren Gemahl, den totwundcn Friedrich III., hat die Kaiserin am 12. April einen wenig rühmlichen Sieg errungen, als sie ihn zu bestimmen wußte, in einem Kodizill zu seinem Testament dem Thronfolger die Verpflichtung aufzuerlegen, für den Fall seines Todes die Heirat des Battenbergers mit der Prinzessin Viktoria zu vollziehen; wenn man bedenkt, wie wenig Friedrichs III. Hohenzollernstolz von jeher einverstanden gewesen war mit diese „Mesalliance", wenn man erwägt, daß der Kaiser damit bis zu einem gewissen Grade die Hand bot, um die Geheimartikel des letzten Geheimvcrtrages mit Nußland vom 13. 6. 1887 zu verletzen, so kann man sich vorstellen, wie rücksichtslos die Kaiserin ihrem tokranken Gemahl zugesetzt haben muß, um ihm die Niederschrift eines solchen Kodizills abzutrotzen. Im April 1833 hat Bismarck in diesen Blättern in den Kampf um die bulgarische Frage eingegriffen, naturgemäß im Hinblick auf die Politische Seite der Frage mit der damals noch gebotenen Vorsicht; um so rücksichtsloser ließ er jedoch die Familie des Battenbergers von seinem Moritz Busch zer¬ gliedern, die polnische Verwandtschaft des Fürsten die wenig würdige Rolle, welche ein Bruder seiner Mutter im Polenaufstand gegen Nußland als Deserteur und 1870 als Garibaldianer gegen Deutschland gespielt hatte. Es war schwerstes Geschütz, daS Bismarck auffahren ließ, als er in, April 1888 wegen der die Interessen des Reichs schädigenden "»> War dieser den Vattenberger unnötig und ganz ungerecht beleidigende Brief in Wahrheit an die Adresse der Miserin Friedrich gerichtet, da es auch dem Kron¬ prinzen sicher nicht unbekannt war, das! Fürst Alexander seine gesamte Korrespondenz nach Charlottenburg sofort mitteilte?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/363>, abgerufen am 04.07.2024.