Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Eine Winterreise nach dem Westen

liegende und von kräftiger Körperbeschaffenheit. Es gibt genug französische Offiziere,
die Bewunderer unserer Heerführer sind, die unser Schicksal nicht der Tollkühnheit
dieser Heerführer zuschreiben, sondern unseren Diplomaten und der feindlichen
Übermacht, die unsere Leiden während der Blockade bewundern und gestehen,
daß Frankreich nicht solange den Hunger ertragen hätte. Ich will das letztere
dahingestellt sein lassen, aber was ich beim Anblick von Verdun und den zerstörten
Gebieten empfunden habe, war: ich glaube kaum, daß wir es geduldig
ertragen hätten, unser Land von feindlichen und den eigenen Kanonen derartig
zurichten zu lassen.


Ein kleines Intermezzo an der Zollgrenze

Auf dem Rückweg.. Mit einem ,<Z'on vonosi-vous'? betritt der Zollbeamte
auf der letzten Saarftation mein Abteil. Ich antwortete wahrheitgemäß "as Usk?",
aber ich merke sofort, daß ich besser "6s 8g.rrebrüoK" gesagt hätte, denn er beginnt
meinem Koffer eine unheimliche Aufmerksamkeit zuzuwenden, ich muß alles
herausnehmen, Er durchsucht ihn auf Franken, ich muß den Paß vorzeigen,
den roten Saarpaß, ,vous ötss LÄrreoiLv?^ Strenger Blick auf Bild und mein
Gesicht, mit gerunzelter Stirn liest er. ,(ZusUs xroisssion avo^-vous?^ Ich sage,
daß ich keine Profession ausübe. Doch, hier steht es ja, und der Strenge weist auf
den Paß, wo allerdings unter Profession "Ehefrau" geschrieben steht. Das kann
er nämlich nicht lesen. Ich erkläre, daß meine Profession darin bestehe, daß ich
verheiratet bin. Der ganze Abteil schmunzelt, der Gestrenge ärgert sich, daß ihm
das passiert ist, nun will er auch meine Handtasche sehen, er geht energisch vor.
Da ist doch noch ein Papier,"zuk vous caobs? äans l'autre^... mein Paß nach Verdun
Er zieht ihn erstaunt hervor. ,Was haben Sie in Verdun zu suchend Nun
beginnt ein scharfes Verhör, der ganze Zug interessiert sich allmählich dafür, und
die anderen Mitreisenden lauschen mit dem unbehaglichen Gefühl daß sie nun bald
drankommen. Der Zug hält dreiviertel Stunden... Nachdem er weder Silber,
noch Franken, noch Tabak bei mir gefunden hat, geht er, ohne sich um die
anderen zu kümmern, die nur deutsch antworten. Das kann man sich merken.
Das heißt, sicher ist nichts auf Zollstationen. Das nächste Opfer ist eine französisch
sprechende Dame, die aus Metz kommt, sie wird mit ihrem Handtäschchen in einer
Wellblechbaracke aufs gründlichste untersucht. Ein wohlbeleibter Herr mit karierter
Reisemütze wird betastet von dem Gestrengen.

Woher kommen Sie?

Aus Metz.

Haben Sie Franken bei sich?

Keine Antwort, da der Angeredete kein Französisch versteht.

Ich frage, ob Sie Geld bei sich haben, und wieviel?

Achselzucken des lächelnden Dicken. Geld? Natürlich hat er Geld bei sich.

Wieviel zum Kuckuck, hunderttausend Franken?

O nein, der Dicke öffnet gemächlich seine Reisetasche, achthundert vielleickt,
zur Reise. Das Verhör geht in strengem Ton weiter.

"Donnerwetter", sagt eine? neben mir, "besser han mir's "wer aach nit
gekonnt". ^ .

Was sind Sie?


Eine Winterreise nach dem Westen

liegende und von kräftiger Körperbeschaffenheit. Es gibt genug französische Offiziere,
die Bewunderer unserer Heerführer sind, die unser Schicksal nicht der Tollkühnheit
dieser Heerführer zuschreiben, sondern unseren Diplomaten und der feindlichen
Übermacht, die unsere Leiden während der Blockade bewundern und gestehen,
daß Frankreich nicht solange den Hunger ertragen hätte. Ich will das letztere
dahingestellt sein lassen, aber was ich beim Anblick von Verdun und den zerstörten
Gebieten empfunden habe, war: ich glaube kaum, daß wir es geduldig
ertragen hätten, unser Land von feindlichen und den eigenen Kanonen derartig
zurichten zu lassen.


Ein kleines Intermezzo an der Zollgrenze

Auf dem Rückweg.. Mit einem ,<Z'on vonosi-vous'? betritt der Zollbeamte
auf der letzten Saarftation mein Abteil. Ich antwortete wahrheitgemäß „as Usk?",
aber ich merke sofort, daß ich besser „6s 8g.rrebrüoK" gesagt hätte, denn er beginnt
meinem Koffer eine unheimliche Aufmerksamkeit zuzuwenden, ich muß alles
herausnehmen, Er durchsucht ihn auf Franken, ich muß den Paß vorzeigen,
den roten Saarpaß, ,vous ötss LÄrreoiLv?^ Strenger Blick auf Bild und mein
Gesicht, mit gerunzelter Stirn liest er. ,(ZusUs xroisssion avo^-vous?^ Ich sage,
daß ich keine Profession ausübe. Doch, hier steht es ja, und der Strenge weist auf
den Paß, wo allerdings unter Profession „Ehefrau" geschrieben steht. Das kann
er nämlich nicht lesen. Ich erkläre, daß meine Profession darin bestehe, daß ich
verheiratet bin. Der ganze Abteil schmunzelt, der Gestrenge ärgert sich, daß ihm
das passiert ist, nun will er auch meine Handtasche sehen, er geht energisch vor.
Da ist doch noch ein Papier,«zuk vous caobs? äans l'autre^... mein Paß nach Verdun
Er zieht ihn erstaunt hervor. ,Was haben Sie in Verdun zu suchend Nun
beginnt ein scharfes Verhör, der ganze Zug interessiert sich allmählich dafür, und
die anderen Mitreisenden lauschen mit dem unbehaglichen Gefühl daß sie nun bald
drankommen. Der Zug hält dreiviertel Stunden... Nachdem er weder Silber,
noch Franken, noch Tabak bei mir gefunden hat, geht er, ohne sich um die
anderen zu kümmern, die nur deutsch antworten. Das kann man sich merken.
Das heißt, sicher ist nichts auf Zollstationen. Das nächste Opfer ist eine französisch
sprechende Dame, die aus Metz kommt, sie wird mit ihrem Handtäschchen in einer
Wellblechbaracke aufs gründlichste untersucht. Ein wohlbeleibter Herr mit karierter
Reisemütze wird betastet von dem Gestrengen.

Woher kommen Sie?

Aus Metz.

Haben Sie Franken bei sich?

Keine Antwort, da der Angeredete kein Französisch versteht.

Ich frage, ob Sie Geld bei sich haben, und wieviel?

Achselzucken des lächelnden Dicken. Geld? Natürlich hat er Geld bei sich.

Wieviel zum Kuckuck, hunderttausend Franken?

O nein, der Dicke öffnet gemächlich seine Reisetasche, achthundert vielleickt,
zur Reise. Das Verhör geht in strengem Ton weiter.

„Donnerwetter", sagt eine? neben mir, „besser han mir's «wer aach nit
gekonnt". ^ .

Was sind Sie?


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0358" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/338791"/>
            <fw type="header" place="top"> Eine Winterreise nach dem Westen</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1331" prev="#ID_1330"> liegende und von kräftiger Körperbeschaffenheit. Es gibt genug französische Offiziere,<lb/>
die Bewunderer unserer Heerführer sind, die unser Schicksal nicht der Tollkühnheit<lb/>
dieser Heerführer zuschreiben, sondern unseren Diplomaten und der feindlichen<lb/>
Übermacht, die unsere Leiden während der Blockade bewundern und gestehen,<lb/>
daß Frankreich nicht solange den Hunger ertragen hätte. Ich will das letztere<lb/>
dahingestellt sein lassen, aber was ich beim Anblick von Verdun und den zerstörten<lb/>
Gebieten empfunden habe, war: ich glaube kaum, daß wir es geduldig<lb/>
ertragen hätten, unser Land von feindlichen und den eigenen Kanonen derartig<lb/>
zurichten zu lassen.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Ein kleines Intermezzo an der Zollgrenze</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1332"> Auf dem Rückweg.. Mit einem ,&lt;Z'on vonosi-vous'? betritt der Zollbeamte<lb/>
auf der letzten Saarftation mein Abteil. Ich antwortete wahrheitgemäß &#x201E;as Usk?",<lb/>
aber ich merke sofort, daß ich besser &#x201E;6s 8g.rrebrüoK" gesagt hätte, denn er beginnt<lb/>
meinem Koffer eine unheimliche Aufmerksamkeit zuzuwenden, ich muß alles<lb/>
herausnehmen, Er durchsucht ihn auf Franken, ich muß den Paß vorzeigen,<lb/>
den roten Saarpaß, ,vous ötss LÄrreoiLv?^ Strenger Blick auf Bild und mein<lb/>
Gesicht, mit gerunzelter Stirn liest er. ,(ZusUs xroisssion avo^-vous?^ Ich sage,<lb/>
daß ich keine Profession ausübe. Doch, hier steht es ja, und der Strenge weist auf<lb/>
den Paß, wo allerdings unter Profession &#x201E;Ehefrau" geschrieben steht. Das kann<lb/>
er nämlich nicht lesen. Ich erkläre, daß meine Profession darin bestehe, daß ich<lb/>
verheiratet bin. Der ganze Abteil schmunzelt, der Gestrenge ärgert sich, daß ihm<lb/>
das passiert ist, nun will er auch meine Handtasche sehen, er geht energisch vor.<lb/>
Da ist doch noch ein Papier,«zuk vous caobs? äans l'autre^... mein Paß nach Verdun<lb/>
Er zieht ihn erstaunt hervor. ,Was haben Sie in Verdun zu suchend Nun<lb/>
beginnt ein scharfes Verhör, der ganze Zug interessiert sich allmählich dafür, und<lb/>
die anderen Mitreisenden lauschen mit dem unbehaglichen Gefühl daß sie nun bald<lb/>
drankommen. Der Zug hält dreiviertel Stunden... Nachdem er weder Silber,<lb/>
noch Franken, noch Tabak bei mir gefunden hat, geht er, ohne sich um die<lb/>
anderen zu kümmern, die nur deutsch antworten. Das kann man sich merken.<lb/>
Das heißt, sicher ist nichts auf Zollstationen. Das nächste Opfer ist eine französisch<lb/>
sprechende Dame, die aus Metz kommt, sie wird mit ihrem Handtäschchen in einer<lb/>
Wellblechbaracke aufs gründlichste untersucht. Ein wohlbeleibter Herr mit karierter<lb/>
Reisemütze wird betastet von dem Gestrengen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1333"> Woher kommen Sie?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1334"> Aus Metz.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1335"> Haben Sie Franken bei sich?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1336"> Keine Antwort, da der Angeredete kein Französisch versteht.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1337"> Ich frage, ob Sie Geld bei sich haben, und wieviel?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1338"> Achselzucken des lächelnden Dicken. Geld? Natürlich hat er Geld bei sich.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1339"> Wieviel zum Kuckuck, hunderttausend Franken?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1340"> O nein, der Dicke öffnet gemächlich seine Reisetasche, achthundert vielleickt,<lb/>
zur Reise. Das Verhör geht in strengem Ton weiter.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1341"> &#x201E;Donnerwetter", sagt eine? neben mir, &#x201E;besser han mir's «wer aach nit<lb/>
gekonnt". ^ .</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1342"> Was sind Sie?</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0358] Eine Winterreise nach dem Westen liegende und von kräftiger Körperbeschaffenheit. Es gibt genug französische Offiziere, die Bewunderer unserer Heerführer sind, die unser Schicksal nicht der Tollkühnheit dieser Heerführer zuschreiben, sondern unseren Diplomaten und der feindlichen Übermacht, die unsere Leiden während der Blockade bewundern und gestehen, daß Frankreich nicht solange den Hunger ertragen hätte. Ich will das letztere dahingestellt sein lassen, aber was ich beim Anblick von Verdun und den zerstörten Gebieten empfunden habe, war: ich glaube kaum, daß wir es geduldig ertragen hätten, unser Land von feindlichen und den eigenen Kanonen derartig zurichten zu lassen. Ein kleines Intermezzo an der Zollgrenze Auf dem Rückweg.. Mit einem ,<Z'on vonosi-vous'? betritt der Zollbeamte auf der letzten Saarftation mein Abteil. Ich antwortete wahrheitgemäß „as Usk?", aber ich merke sofort, daß ich besser „6s 8g.rrebrüoK" gesagt hätte, denn er beginnt meinem Koffer eine unheimliche Aufmerksamkeit zuzuwenden, ich muß alles herausnehmen, Er durchsucht ihn auf Franken, ich muß den Paß vorzeigen, den roten Saarpaß, ,vous ötss LÄrreoiLv?^ Strenger Blick auf Bild und mein Gesicht, mit gerunzelter Stirn liest er. ,(ZusUs xroisssion avo^-vous?^ Ich sage, daß ich keine Profession ausübe. Doch, hier steht es ja, und der Strenge weist auf den Paß, wo allerdings unter Profession „Ehefrau" geschrieben steht. Das kann er nämlich nicht lesen. Ich erkläre, daß meine Profession darin bestehe, daß ich verheiratet bin. Der ganze Abteil schmunzelt, der Gestrenge ärgert sich, daß ihm das passiert ist, nun will er auch meine Handtasche sehen, er geht energisch vor. Da ist doch noch ein Papier,«zuk vous caobs? äans l'autre^... mein Paß nach Verdun Er zieht ihn erstaunt hervor. ,Was haben Sie in Verdun zu suchend Nun beginnt ein scharfes Verhör, der ganze Zug interessiert sich allmählich dafür, und die anderen Mitreisenden lauschen mit dem unbehaglichen Gefühl daß sie nun bald drankommen. Der Zug hält dreiviertel Stunden... Nachdem er weder Silber, noch Franken, noch Tabak bei mir gefunden hat, geht er, ohne sich um die anderen zu kümmern, die nur deutsch antworten. Das kann man sich merken. Das heißt, sicher ist nichts auf Zollstationen. Das nächste Opfer ist eine französisch sprechende Dame, die aus Metz kommt, sie wird mit ihrem Handtäschchen in einer Wellblechbaracke aufs gründlichste untersucht. Ein wohlbeleibter Herr mit karierter Reisemütze wird betastet von dem Gestrengen. Woher kommen Sie? Aus Metz. Haben Sie Franken bei sich? Keine Antwort, da der Angeredete kein Französisch versteht. Ich frage, ob Sie Geld bei sich haben, und wieviel? Achselzucken des lächelnden Dicken. Geld? Natürlich hat er Geld bei sich. Wieviel zum Kuckuck, hunderttausend Franken? O nein, der Dicke öffnet gemächlich seine Reisetasche, achthundert vielleickt, zur Reise. Das Verhör geht in strengem Ton weiter. „Donnerwetter", sagt eine? neben mir, „besser han mir's «wer aach nit gekonnt". ^ . Was sind Sie?

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/358
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/358>, abgerufen am 24.07.2024.