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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

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Zur Schuldfrage

Die folgenden Tatsachen und Daten hält der Ausschuß für erwiesen:

5'
Vorbemerkungen.

1. Die am 25. Juli um 9 Uhr 30 Min. abends verfügte österreichisch¬
ungarische Teilmvbilmachung gegen Serbien umfaßte acht Armeekorps zu ins¬
gesamt 22 Divisionen. Der Bezirk keines dieser acht Armeekorps grenzte an
russisches Gebiet. Serbien hatte seine Mobilmachung an demselben Tage um
3 Uhr nachmittags ausgesprochen.

2. In der Zeit vom Abend des 25. Juni bis zum Mittag des 31. Juli ist
nach den Akten des Wiener Kriegsministeriums keine weitere Mobilmachung
angeordnet worden. Die eigenen Tagesberichte des russischen Generalstabs
bestätigen, daß dort noch am Abend des 30. Juli von einer allgemeinen Mobil¬
machung in Österreich-Ungarn nichts bekannt war.

3. Die amtlich zugegebene russische Demobilisierung vom 29. Juli erstreckte
sich über ein Gebiet von "6 Millionen Einwohnern. Sie umfaßte 55 Jnfcmterie-
sowie 8Vs Kavalleriedivisionen/ außerdem mehrere Kosakenfvrmativnen, und bei
Matrosen auch aus den am weitesten nördlich gelegenen Gouvernements.

4. Die Mobilmachung der englischen Flotte war außerordentlich erleichtert
durch den Umstand, daß seit dem 16. Juli die drei Heimflotteu mit 460 Wimpeln
zu einer Probemobilmachung mit Manövern um Portland versammelt waren und
am 26. Juli die vorgesehene Dcinobilmachung einstellten.


II.
Zeitliche Reihenfolge der Anordnungen des letzten Stadiums vor der
allgemeinen Mobilmachung.

1. Rußland: Amtliches Inkrafttreten der "Kriegsvvrbercitungsperiode"
für das ganze europäische Rußland, 26. Juli.

2. England: "Warnungstelegramm" (waruivg tvIvMam) für Heer und
Flotte, 29. Juli.

3. Frankreich: "Befehl zur Aufstellung des Grenzschutzes (orilrs <i(! "lvnart
on oouverturo), 30. Juli.

4. Österreich-Ungarn: "Alarmierung" gegen Rußland, 31. Juli.

5. Deutschland: "Zustand drohender Kriegsgefahr", 31. Juli.


III.
Zeitliche Reihenfolge der allgemeinen Mobilmachungen der Großmächte.

(Alle Stunden nach mitteleuropäischer Zeit.)

1. Nußland: Wahrscheinlich insgeheim befohlen 29. Juli im Laufe des
Abends, amtlich angeordnet 30. Juli, 6 Uhr abends.

2. Österreich-Ungarn: 31. Juli, 12 Uhr 23 Min. nachmittags.

3. Frankreich: I.August, 4 Uhr 40 Min. nachmittags.

4. Deutschland: I.August, 5 Uhr nachmittags.

5. England: Flotte: 2. August, 2 Uhr 25 Min. morgens. Landhecr
(Expeditionskorps): 3. August, 12 Uhr mittags.'




Zur Schuldfrage

Die folgenden Tatsachen und Daten hält der Ausschuß für erwiesen:

5'
Vorbemerkungen.

1. Die am 25. Juli um 9 Uhr 30 Min. abends verfügte österreichisch¬
ungarische Teilmvbilmachung gegen Serbien umfaßte acht Armeekorps zu ins¬
gesamt 22 Divisionen. Der Bezirk keines dieser acht Armeekorps grenzte an
russisches Gebiet. Serbien hatte seine Mobilmachung an demselben Tage um
3 Uhr nachmittags ausgesprochen.

2. In der Zeit vom Abend des 25. Juni bis zum Mittag des 31. Juli ist
nach den Akten des Wiener Kriegsministeriums keine weitere Mobilmachung
angeordnet worden. Die eigenen Tagesberichte des russischen Generalstabs
bestätigen, daß dort noch am Abend des 30. Juli von einer allgemeinen Mobil¬
machung in Österreich-Ungarn nichts bekannt war.

3. Die amtlich zugegebene russische Demobilisierung vom 29. Juli erstreckte
sich über ein Gebiet von «6 Millionen Einwohnern. Sie umfaßte 55 Jnfcmterie-
sowie 8Vs Kavalleriedivisionen/ außerdem mehrere Kosakenfvrmativnen, und bei
Matrosen auch aus den am weitesten nördlich gelegenen Gouvernements.

4. Die Mobilmachung der englischen Flotte war außerordentlich erleichtert
durch den Umstand, daß seit dem 16. Juli die drei Heimflotteu mit 460 Wimpeln
zu einer Probemobilmachung mit Manövern um Portland versammelt waren und
am 26. Juli die vorgesehene Dcinobilmachung einstellten.


II.
Zeitliche Reihenfolge der Anordnungen des letzten Stadiums vor der
allgemeinen Mobilmachung.

1. Rußland: Amtliches Inkrafttreten der „Kriegsvvrbercitungsperiode"
für das ganze europäische Rußland, 26. Juli.

2. England: „Warnungstelegramm" (waruivg tvIvMam) für Heer und
Flotte, 29. Juli.

3. Frankreich: „Befehl zur Aufstellung des Grenzschutzes (orilrs <i(! «lvnart
on oouverturo), 30. Juli.

4. Österreich-Ungarn: „Alarmierung" gegen Rußland, 31. Juli.

5. Deutschland: „Zustand drohender Kriegsgefahr", 31. Juli.


III.
Zeitliche Reihenfolge der allgemeinen Mobilmachungen der Großmächte.

(Alle Stunden nach mitteleuropäischer Zeit.)

1. Nußland: Wahrscheinlich insgeheim befohlen 29. Juli im Laufe des
Abends, amtlich angeordnet 30. Juli, 6 Uhr abends.

2. Österreich-Ungarn: 31. Juli, 12 Uhr 23 Min. nachmittags.

3. Frankreich: I.August, 4 Uhr 40 Min. nachmittags.

4. Deutschland: I.August, 5 Uhr nachmittags.

5. England: Flotte: 2. August, 2 Uhr 25 Min. morgens. Landhecr
(Expeditionskorps): 3. August, 12 Uhr mittags.'




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[0322] Zur Schuldfrage Die folgenden Tatsachen und Daten hält der Ausschuß für erwiesen: 5' Vorbemerkungen. 1. Die am 25. Juli um 9 Uhr 30 Min. abends verfügte österreichisch¬ ungarische Teilmvbilmachung gegen Serbien umfaßte acht Armeekorps zu ins¬ gesamt 22 Divisionen. Der Bezirk keines dieser acht Armeekorps grenzte an russisches Gebiet. Serbien hatte seine Mobilmachung an demselben Tage um 3 Uhr nachmittags ausgesprochen. 2. In der Zeit vom Abend des 25. Juni bis zum Mittag des 31. Juli ist nach den Akten des Wiener Kriegsministeriums keine weitere Mobilmachung angeordnet worden. Die eigenen Tagesberichte des russischen Generalstabs bestätigen, daß dort noch am Abend des 30. Juli von einer allgemeinen Mobil¬ machung in Österreich-Ungarn nichts bekannt war. 3. Die amtlich zugegebene russische Demobilisierung vom 29. Juli erstreckte sich über ein Gebiet von «6 Millionen Einwohnern. Sie umfaßte 55 Jnfcmterie- sowie 8Vs Kavalleriedivisionen/ außerdem mehrere Kosakenfvrmativnen, und bei Matrosen auch aus den am weitesten nördlich gelegenen Gouvernements. 4. Die Mobilmachung der englischen Flotte war außerordentlich erleichtert durch den Umstand, daß seit dem 16. Juli die drei Heimflotteu mit 460 Wimpeln zu einer Probemobilmachung mit Manövern um Portland versammelt waren und am 26. Juli die vorgesehene Dcinobilmachung einstellten. II. Zeitliche Reihenfolge der Anordnungen des letzten Stadiums vor der allgemeinen Mobilmachung. 1. Rußland: Amtliches Inkrafttreten der „Kriegsvvrbercitungsperiode" für das ganze europäische Rußland, 26. Juli. 2. England: „Warnungstelegramm" (waruivg tvIvMam) für Heer und Flotte, 29. Juli. 3. Frankreich: „Befehl zur Aufstellung des Grenzschutzes (orilrs <i(! «lvnart on oouverturo), 30. Juli. 4. Österreich-Ungarn: „Alarmierung" gegen Rußland, 31. Juli. 5. Deutschland: „Zustand drohender Kriegsgefahr", 31. Juli. III. Zeitliche Reihenfolge der allgemeinen Mobilmachungen der Großmächte. (Alle Stunden nach mitteleuropäischer Zeit.) 1. Nußland: Wahrscheinlich insgeheim befohlen 29. Juli im Laufe des Abends, amtlich angeordnet 30. Juli, 6 Uhr abends. 2. Österreich-Ungarn: 31. Juli, 12 Uhr 23 Min. nachmittags. 3. Frankreich: I.August, 4 Uhr 40 Min. nachmittags. 4. Deutschland: I.August, 5 Uhr nachmittags. 5. England: Flotte: 2. August, 2 Uhr 25 Min. morgens. Landhecr (Expeditionskorps): 3. August, 12 Uhr mittags.'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/322>, abgerufen am 04.07.2024.