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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

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Theater der Reichshauptstadt

er sich von ihnen getrennt fühlt. Und die Herren und Damen der ersten Reihen
im Abendanzug können sich den Männern in Toga oder Rüstung auch durchaus
nicht verbunden empfinden. Um dem abzuhelfen, hat man beispielsweise
"Hamlet" in "Feldgrau" gegeben. Es war ein Leben wie in einem österreichischen
Etappenhcmptort: kurze, englische Gürtelmäntel, in deren schrägen Taschen man
die Hände vergrub, weiße, weiche Umlegkragen, Reitstöckchen usw. Damals hätte
"Hamlet" fast einen Lacherfolg gehabt, und das ist doch für diese Komödie nicht
das richtige. -- Ferner stellte sich nachträglich heraus, daß es keine geeigneten
Dramen für die Arenabühne gibt, weswegen die Zuschauer oft im Halbkreis vor
einer Guckkastenbühne sitzen müssen und nun weder ordentlich sehen noch hören
können. Geeignet, wie zu erwarten, erwies sich die Arenabühne für Massen¬
szenen, wie sie etwa der dritte Akt von Rollands "Danton" bringt. Solchen
Kunstgenuß kann man aber bei jeder Straßendemonstration haben. --

Gewiß ist ein pathetisches Stildrama denkbar, das im Arenatheater seine
wirksamste Darstellung erführe, aber es fehlt halt noch. Und sonach hat der
vielgeschmähte "Guckkasten" feine künstlerischen Vorzüge, nämlich den Zuschauer
gegen die Bühnenvorgänge objektiv zu machen, dargetan.

Aus ähnlichen Gründen wie das Große Schauspielhaus entstand das kleine
Theaterchen "Die Tribüne". Wenige Stufen verbinden den Zuschauerraum mit
dem Podium, das Saalesbreite hat. Die kleinen, expressionistisch bemalten
Versatzstücke, die als Dekorationsandeutung dienten, wichen später wieder
gewohnten Bühnenbildern. Die Wildesche Gesellschaftskomödie "Bunburh"
bewährte sich dort, für mein Gefühl, am besten. Man fühlte sich dxrchauS
"zu Hause"!

Bemerkenswert ist der neue Geist der Staatstheater. Es gibt gewiß
keinen künstlerischen Menschen, der sich nach dem theatralischen Kulissenspuk der
Hoftheater zurücksehnt. Aber auch hier hat der politische Umsturz nur etwas
Neues, aber nichts Besseres gebracht. Dies Theater, daS von den Steuern der
Staatsbürger erhalten wird, dient nicht etwa höchstem künstlerischen Streben,
dem jeder Bürger zustimmen könnte, sondern hat sich unter seinem jetzigen
Letter Jeßner zu einer Versuchsbühne für allerhand "Dichter-" und Regieeinfälle
entwickelt.

Der "Treppenwitz" der Tell-Aufführung ist in Erinnerung, auf "gleicher
Stufe" steht "Richard III". Hier ward abstoßende Stillosigkeit durch Ein¬
mischung orientalischen Gebarens in nordischen Geist gegeben: englische Lords
sind nicht einmal symbolisch als bauchrutschende Sklaven, den Kopf seitlich unter
der Stufe, auf der sie liegen, denkbar! Wedekind hüpfte mit dem "Marquis
von Keith" auf die weltbedeutenden Bretter am Gensdarmenmarkt. "Diese
Aufführung ist die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln", schrieb ich
damals. Gleiche Nervenpettschungen konnte man im Trommelfeuer erfahren --:
Kunst sollte andere Ziele haben! Haus Francks ledernes "Gobio""-Gerede,
^Die Gabe Gottes", eine magere Novelle in zufällig dramatischer Form von
Moritz Goldstein, "Kreuzweg", ein ewig dunkles Spixl altkluger Phantasie deS
Studiosus Zuckmayer und Hans Müllers Galileiade "Sterne" sind einige
weitere Belege für die "mustergültige" staatliche Kunstpflege.

Im Lessingtheater wurde allerhand Unzulängliches versucht: "Gelübde",
"Flamme", ,,Amphitryo" (Moböre). Dort weiß man scheinbar nicht recht, was
man machen soll.

Die Rotterschen Pflegestätten Sudermannscher, Fuldascher und ähnlicher
Musen haben sich um das "Kleine Theater, Unter den Linden" vermehrt und
es besteht Aussicht, daß die Gebrüder bald an jeder Straßenecke ein "Geschäft"
haben werden. Übrigens arbeiten sie nicht unkünstlerischer als Meinharo und
Bern an er, in deren Theater in der Königgrätzer Straße nunmehr das film¬
mäßige Sensationsdrama seinen Einzug gehalten hat. Und da in den dortigen
Bühnmblättern verkündet wird, Leonid Andrejew, der Verfasser von "Jekaterina


Theater der Reichshauptstadt

er sich von ihnen getrennt fühlt. Und die Herren und Damen der ersten Reihen
im Abendanzug können sich den Männern in Toga oder Rüstung auch durchaus
nicht verbunden empfinden. Um dem abzuhelfen, hat man beispielsweise
„Hamlet" in „Feldgrau" gegeben. Es war ein Leben wie in einem österreichischen
Etappenhcmptort: kurze, englische Gürtelmäntel, in deren schrägen Taschen man
die Hände vergrub, weiße, weiche Umlegkragen, Reitstöckchen usw. Damals hätte
„Hamlet" fast einen Lacherfolg gehabt, und das ist doch für diese Komödie nicht
das richtige. — Ferner stellte sich nachträglich heraus, daß es keine geeigneten
Dramen für die Arenabühne gibt, weswegen die Zuschauer oft im Halbkreis vor
einer Guckkastenbühne sitzen müssen und nun weder ordentlich sehen noch hören
können. Geeignet, wie zu erwarten, erwies sich die Arenabühne für Massen¬
szenen, wie sie etwa der dritte Akt von Rollands „Danton" bringt. Solchen
Kunstgenuß kann man aber bei jeder Straßendemonstration haben. —

Gewiß ist ein pathetisches Stildrama denkbar, das im Arenatheater seine
wirksamste Darstellung erführe, aber es fehlt halt noch. Und sonach hat der
vielgeschmähte „Guckkasten" feine künstlerischen Vorzüge, nämlich den Zuschauer
gegen die Bühnenvorgänge objektiv zu machen, dargetan.

Aus ähnlichen Gründen wie das Große Schauspielhaus entstand das kleine
Theaterchen „Die Tribüne". Wenige Stufen verbinden den Zuschauerraum mit
dem Podium, das Saalesbreite hat. Die kleinen, expressionistisch bemalten
Versatzstücke, die als Dekorationsandeutung dienten, wichen später wieder
gewohnten Bühnenbildern. Die Wildesche Gesellschaftskomödie „Bunburh"
bewährte sich dort, für mein Gefühl, am besten. Man fühlte sich dxrchauS
„zu Hause"!

Bemerkenswert ist der neue Geist der Staatstheater. Es gibt gewiß
keinen künstlerischen Menschen, der sich nach dem theatralischen Kulissenspuk der
Hoftheater zurücksehnt. Aber auch hier hat der politische Umsturz nur etwas
Neues, aber nichts Besseres gebracht. Dies Theater, daS von den Steuern der
Staatsbürger erhalten wird, dient nicht etwa höchstem künstlerischen Streben,
dem jeder Bürger zustimmen könnte, sondern hat sich unter seinem jetzigen
Letter Jeßner zu einer Versuchsbühne für allerhand „Dichter-" und Regieeinfälle
entwickelt.

Der „Treppenwitz" der Tell-Aufführung ist in Erinnerung, auf „gleicher
Stufe" steht „Richard III". Hier ward abstoßende Stillosigkeit durch Ein¬
mischung orientalischen Gebarens in nordischen Geist gegeben: englische Lords
sind nicht einmal symbolisch als bauchrutschende Sklaven, den Kopf seitlich unter
der Stufe, auf der sie liegen, denkbar! Wedekind hüpfte mit dem „Marquis
von Keith" auf die weltbedeutenden Bretter am Gensdarmenmarkt. „Diese
Aufführung ist die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln", schrieb ich
damals. Gleiche Nervenpettschungen konnte man im Trommelfeuer erfahren —:
Kunst sollte andere Ziele haben! Haus Francks ledernes „Gobio«"-Gerede,
^Die Gabe Gottes", eine magere Novelle in zufällig dramatischer Form von
Moritz Goldstein, „Kreuzweg", ein ewig dunkles Spixl altkluger Phantasie deS
Studiosus Zuckmayer und Hans Müllers Galileiade „Sterne" sind einige
weitere Belege für die „mustergültige" staatliche Kunstpflege.

Im Lessingtheater wurde allerhand Unzulängliches versucht: „Gelübde",
„Flamme", ,,Amphitryo" (Moböre). Dort weiß man scheinbar nicht recht, was
man machen soll.

Die Rotterschen Pflegestätten Sudermannscher, Fuldascher und ähnlicher
Musen haben sich um das „Kleine Theater, Unter den Linden" vermehrt und
es besteht Aussicht, daß die Gebrüder bald an jeder Straßenecke ein „Geschäft"
haben werden. Übrigens arbeiten sie nicht unkünstlerischer als Meinharo und
Bern an er, in deren Theater in der Königgrätzer Straße nunmehr das film¬
mäßige Sensationsdrama seinen Einzug gehalten hat. Und da in den dortigen
Bühnmblättern verkündet wird, Leonid Andrejew, der Verfasser von „Jekaterina


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[0245] Theater der Reichshauptstadt er sich von ihnen getrennt fühlt. Und die Herren und Damen der ersten Reihen im Abendanzug können sich den Männern in Toga oder Rüstung auch durchaus nicht verbunden empfinden. Um dem abzuhelfen, hat man beispielsweise „Hamlet" in „Feldgrau" gegeben. Es war ein Leben wie in einem österreichischen Etappenhcmptort: kurze, englische Gürtelmäntel, in deren schrägen Taschen man die Hände vergrub, weiße, weiche Umlegkragen, Reitstöckchen usw. Damals hätte „Hamlet" fast einen Lacherfolg gehabt, und das ist doch für diese Komödie nicht das richtige. — Ferner stellte sich nachträglich heraus, daß es keine geeigneten Dramen für die Arenabühne gibt, weswegen die Zuschauer oft im Halbkreis vor einer Guckkastenbühne sitzen müssen und nun weder ordentlich sehen noch hören können. Geeignet, wie zu erwarten, erwies sich die Arenabühne für Massen¬ szenen, wie sie etwa der dritte Akt von Rollands „Danton" bringt. Solchen Kunstgenuß kann man aber bei jeder Straßendemonstration haben. — Gewiß ist ein pathetisches Stildrama denkbar, das im Arenatheater seine wirksamste Darstellung erführe, aber es fehlt halt noch. Und sonach hat der vielgeschmähte „Guckkasten" feine künstlerischen Vorzüge, nämlich den Zuschauer gegen die Bühnenvorgänge objektiv zu machen, dargetan. Aus ähnlichen Gründen wie das Große Schauspielhaus entstand das kleine Theaterchen „Die Tribüne". Wenige Stufen verbinden den Zuschauerraum mit dem Podium, das Saalesbreite hat. Die kleinen, expressionistisch bemalten Versatzstücke, die als Dekorationsandeutung dienten, wichen später wieder gewohnten Bühnenbildern. Die Wildesche Gesellschaftskomödie „Bunburh" bewährte sich dort, für mein Gefühl, am besten. Man fühlte sich dxrchauS „zu Hause"! Bemerkenswert ist der neue Geist der Staatstheater. Es gibt gewiß keinen künstlerischen Menschen, der sich nach dem theatralischen Kulissenspuk der Hoftheater zurücksehnt. Aber auch hier hat der politische Umsturz nur etwas Neues, aber nichts Besseres gebracht. Dies Theater, daS von den Steuern der Staatsbürger erhalten wird, dient nicht etwa höchstem künstlerischen Streben, dem jeder Bürger zustimmen könnte, sondern hat sich unter seinem jetzigen Letter Jeßner zu einer Versuchsbühne für allerhand „Dichter-" und Regieeinfälle entwickelt. Der „Treppenwitz" der Tell-Aufführung ist in Erinnerung, auf „gleicher Stufe" steht „Richard III". Hier ward abstoßende Stillosigkeit durch Ein¬ mischung orientalischen Gebarens in nordischen Geist gegeben: englische Lords sind nicht einmal symbolisch als bauchrutschende Sklaven, den Kopf seitlich unter der Stufe, auf der sie liegen, denkbar! Wedekind hüpfte mit dem „Marquis von Keith" auf die weltbedeutenden Bretter am Gensdarmenmarkt. „Diese Aufführung ist die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln", schrieb ich damals. Gleiche Nervenpettschungen konnte man im Trommelfeuer erfahren —: Kunst sollte andere Ziele haben! Haus Francks ledernes „Gobio«"-Gerede, ^Die Gabe Gottes", eine magere Novelle in zufällig dramatischer Form von Moritz Goldstein, „Kreuzweg", ein ewig dunkles Spixl altkluger Phantasie deS Studiosus Zuckmayer und Hans Müllers Galileiade „Sterne" sind einige weitere Belege für die „mustergültige" staatliche Kunstpflege. Im Lessingtheater wurde allerhand Unzulängliches versucht: „Gelübde", „Flamme", ,,Amphitryo" (Moböre). Dort weiß man scheinbar nicht recht, was man machen soll. Die Rotterschen Pflegestätten Sudermannscher, Fuldascher und ähnlicher Musen haben sich um das „Kleine Theater, Unter den Linden" vermehrt und es besteht Aussicht, daß die Gebrüder bald an jeder Straßenecke ein „Geschäft" haben werden. Übrigens arbeiten sie nicht unkünstlerischer als Meinharo und Bern an er, in deren Theater in der Königgrätzer Straße nunmehr das film¬ mäßige Sensationsdrama seinen Einzug gehalten hat. Und da in den dortigen Bühnmblättern verkündet wird, Leonid Andrejew, der Verfasser von „Jekaterina

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/245>, abgerufen am 29.06.2024.